Rechtsnorm: § 433 BGB; § 263 StGB

Mit Beschluss vom 14.03.2013 (Az. 1 S 337/12) hat das LG Gießen entschieden, dass ein eBay-Mitglied bei Nutzung seines eBay-Kontos durch einen unbekannten Dritten nicht haftet.

Zum Sachverhalt:

Anfang 2012 verkaufte der Kläger im Rahmen einer eBay-Auktion ein MacBook zum Preis vom 746,- Euro. Dem Kläger wurde durch eBay der Beklagte als Käufer und Inhaber der Käuferaccounts mitgeteilt. Per E-Mail wurde der Kläger angefragt, wann das Notebook abgeholt werden könne. Er antwortete, das könne noch am selben Abend erfolgen, was so auch erfolgte. Allerdings war der Abholer des Notebooks nicht der Beklagte, sondern ein unbekannter Dritter. Der Kläger ließ sich vom Abholer auch keinen Ausweis vorzeigen. Der Kaufpreis wurde kurze Zeit vorher vom paypal-Konto des Beklagten abgebucht. Nach Übergabe des Geräts erhielt der Kläger von paypal die Nachricht, die Zahlung sei aufgrund einer Beschwerde gestoppt. Der Beklagte erklärte dem Kläger via E-Mail, er habe das MacBook nicht ersteigert, sondern sein eBay-Account sei gehackt worden. Beide Parteien reichten Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Betruges ein.

Mit der Begründung, der Computervirus TR/Ransom.EY.9 sei nicht dazu geeignet Passwörter auszuspähen und an unbefugte Dritte weiterzugeben, verlangt der Kläger vom Beklagten Zahlung des Kaufpreises. Weiter führt er aus, der Beklagte habe seinen Computer nicht ausreichend gegen solche Virusinfektionen geschützt. Dem hält der Beklagte entgegen, sein Computer sei vom Virus befallen gewesen. Außerdem habe er nach besten Möglichkeiten und dem Stand der Technik dafür Sorge getragen, dass sein von ihm verwendeter PC sicher sei.

Das erstinstanzliche Amtsgericht Gießen wies die Klage ab.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Nach allgemeinen Beweisgrundsätzen ist diejenige Partei für die Umstände beweispflichtig, die für sie günstig sind. So hat auch der Anbieter im Rahmen einer Internetversteigerung darzulegen und zu beweisen, dass ein Vertrag mit der Person des Ersteigerers zustande gekommen ist. Wendet in einem solchen Fall der Beklagte ein, dass eine fremde Person unrechtmäßig mit seinem Passwort an der Versteigerung teilgenommen hat, tritt keine Beweislastumkehr nach Gefahrkreisen ein. Es ist gerichtsbekannt, dass die Nutzung des Internets mit Gefahren verbunden ist, weil es technisch möglich ist, auch ein ordnungsgemäß geschütztes Passwort „auszuspähen“ (Stichwort z. B. Trojaner und „Passwortklau“) und rechtswidrig zu Lasten des Inhabers zu nutzen. Mithin trägt der Kläger die Beweislast für den Vertragsschluss zwischen ihm und den Beklagten. Diesen Beweis ist er fällig geblieben. Auch liegen die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis nicht vor. Hierzu wäre erforderlich, dass sich unter Berücksichtigung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt. Unabhängig von der Frage, inwieweit ein Anscheinsbeweis bei der Abgabe individueller Willenserklärungen überhaupt in Betracht kommt, lassen sich die vorgenannten Voraussetzungen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion nicht feststellen. Allein aus der Tatsache, dass das Gebot von einer Person abgegeben wurde, die das Passwort des Beklagten kannte, folgt kein Anschein zu Lasten des Beklagten. Im Hinblick auf den derzeitigen Sicherheitsstandard der im Internet verwendeten Passwörter als solche und auf die Art ihrer Verwendung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Verwender eines Passworts nach der Lebenserfahrung auch derjenige ist, auf den dieses Passwort ursprünglich ausgestellt wurde. An einer elektronischen Signatur, die einen Missbrauch erschweren würde, fehlt es gerade. Hierfür spricht auch nicht, dass ein unbefugter Dritter eher selten ein wirtschaftliches Interesse an einem Eingriff in eine Internetauktion haben wird. Aber auch dann, wenn man von der grundsätzlichen Möglichkeit eines Anscheinsbeweises auszugehen hätte, wenn wie hier zwei passwortgeschützte Internetzugänge benutzt worden sind, wäre dieser Anscheinsbeweis auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen „…“ in seinem Gutachten vom 11.07.2012, auf die an anderer Stelle noch eingegangen wird, erschüttert, da die gem. Virenreport vom 10.01.2012 (Bl. 43 der Akte) auf dem Computer des Beklagten festgestellte Schadsoftware „TR/Rasom EY-9“ geeignet war, Benutzerdaten herunter zu laden und an Dritte weiterzugeben.

Der Beklagte trägt auch nicht allein deshalb, weil er bei eBay ein passwortgeschütztes Konto unterhält, das Missbrauchsrisiko mit der Folge einer Beweislastumkehr nach Gefahrenkreisen. Im Unterschied zum Bildschirmtext ist die Teilnahme an einer Internetauktion nämlich nicht an einen häuslichen Zugang gebunden, sondern kann weltweit von einem beliebigen Standort mit Strom- und Datenanschluss erfolgen und lässt so eine effektive Identitätskontrolle nicht zu.

Auch nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht kann die Gebotsabgabe dem Beklagten nicht zugerechnet werden. Dabei ist bereits fraglich, ob der Beklagte zurechenbar den Rechtsschein für die Identität des tatsächlichen Bieters mit ihm als dem Inhaber des Mitgliedsnamens gesetzt hat. Jedenfalls fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen des Klägers, dass tatsächlich der Inhaber des Mitgliedsnamens handelte. Angesichts des derzeitigen Sicherheitsstandards im Internet ist der Anbieter bei einer Internetauktion ebenso wenig schutzwürdig in seinem Vertrauen darauf, dass der Bieter mit dem Inhaber des eBay-Zuganges identisch ist, wie derjenige, bei dem telefonisch unter Namen und Anschrift einer existenten Person missbräuchlich etwas bestellt wird, und derjenige, bei dem im Mailorderverfahren jemand unter Verwendung einer fremden Kreditkartennummer bestellt.

Dieses Ergebnis erscheint auch deshalb nicht unbillig, weil sich sämtliche Teilnehmer einer Internetauktion – ob Anbieter oder Bieter des Auktionsgegenstands – der Gefahr eines Eingriffs unbefugter Dritter aussetzen. Zu berücksichtigen ist dabei in besonderem Maße, dass es gerade der Verkäufer ist, der die Vorteile des Internets für seine Zwecke nutzen möchte. Er profitiert einerseits von dem besonders großen Interessentenkreis und muss daher andererseits die bekannten Sicherheitsrisiken des Internets tragen.“

Diese Entscheidung bestätigte nun das Landgericht Gießen durch Beschluss im Berufungsverfahren.

Zur Begründung führt es aus:

„Soweit der Kläger auch in Ansehung des Hinweises der Kammer die Auffassung vertritt, eine Haftung des Beklagten ergebe sich unter Zugrundelegung der Ausführungen der Kammer in Anwendung der Grundsätze der Anscheinsvollmacht, kann dies schon ansatzweise nicht überzeugen. Insbesondere die Benachrichtigung seitens des ebay-Internetportals über den bereits erfolgten Kauf ist erkennbar nicht geeignet, in irgendeiner Weise einen für den Vertragsschluss ursächlichen Beitrag zu der Annahme des Geschäftspartners geleistet zu haben, der vertretene Beklagte kenne und billige das auf Abschluss eines Vertrages gerichtete Verhalten eines Dritten, das dem Vertretenen zuzurechnen ist. Zum Zeitpunkt der Mitteilung seitens des ebay-Internetportals über den bereits erfolgten Kauf möglicherweise gesetzte Rechtsscheinstatbestände sind denknotwendig nicht geeignet, auf den vorgelagerten Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückzuwirken. Es gibt auch keine Verpflichtung des Inhabers eines ebay-Mitgliedskontons seine eingehenden e-mails ständig darauf hin zu kontrollieren, ob entsprechende Mitteilungen über Vertragsschlüsse seitens des ebay-Internetportals dort eingehen. Auch der Bezahlvorgang über paypal führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierin liegt regelmäßig ein rein tatsächlicher Vorgang, dem ein rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt gerade nicht beizumessen ist und dem schon allein deswegen auch die Eignung fehlt, dem Zahlenden zugerechnet zu werden, wie sich aus § 166 BGB ergibt. Im Übrigen gilt auch für diesen Zahlungsvorgang, dass er denknotwendig nach dem streitgegenständlichen Vertragsschluss ausgelöst wurde und auch deswegen keine Rechtsscheinwirkung für einen vorangegangenen Vertragsschluss begründen kann.

Die weitere Annahme des Klägers, er sei im Ergebnis als schutzwürdiger zu betrachten als der Beklagte, ist fernliegend. Es wäre dem Kläger ohne jede Schwierigkeit möglich gewesen, sich bei der unstreitig erfolgten Abholung des Computers über die Identität des Abholenden zu vergewissern. In dem vorliegenden Fall haben sich die typischen Risiken eines Fernabsatzgeschäfts unter Verwendung elektronischer Kommunikationsmedien realisiert. Dass diese Risiken derjenige Verkäufer zu tragen hat, der sich dieses Vertriebsweges bedient, entspricht nicht nur den von der Kammer in ihrem Hinweisbeschluss bereits dargelegten gesetzlichen Risikozuweisungen, sondern steht auch im Einklang mit den Grundsätzen von Treu und Glauben.

Eine deliktische Haftung des Beklagten kommt nicht in Betracht. Es ist nicht das Geringste dazu vorgetragen und ersichtlich, dass die Kennwortverwaltung des Beklagten gegen Verkehrssicherungspflichten verstoßen haben könnte, die gerade dem Kläger gegenüber bestehen. Im Übrigen fehlte es an einer Ursächlichkeit eines solchen Pflichtverstoßes für den eingetretenen Schaden. Denn letztlich ist dieser auf die Übergabe des Computers an einen unbekannten Dritten zurückzuführen, die allein der Kläger zu vertreten hat.“