Rechtsnormen: §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag

Mit Urteilen vom 28.09.2011 (Az. I ZR 92/09,  I ZR 189/08, I ZR 30/10, I ZR 43/10, I ZR 93/10 – Sportwetten im Internet II) hat der BGH entschieden, dass das Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot öffentlicher Glücksspiele im Internet entsprechend § 4 Abs. 4 des aktuell noch gültigen Glücksspielstaatsvertrags wirksam ist und nicht gegen Europarecht verstößt.

Zum Sachverhalt:

In den nun entschiedenen Verfahren ging es um die Frage, ob Wettunternehmen auch nach dem 01.01.2008 (Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags) ihr Wettangebot im Internet unter ihren jeweiligen Domainnamen präsentieren und bewerben dürfen. Die Unternehmen boten auch deutschen Wettspielern ihr Angebot an. Mehrere staatliche Lottogesellschaften nahmen die (in- und ausländischen) Wettunternehmen daraufhin auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Nachdem die meisten Klagen vor den jeweiligen Instanzgerichten erfolgreich waren und lediglich zwei erstinstanzliche Gerichte (LG Wiesbaden und LG München I) sowie ein Berufungsgericht (OLG München, Urt. v.  16.10.2008 – Az. 29 U 1669/08, MMR 2009, 195) die Klagen abgewiesen hatten, lag die Sache nun dem BGH zur Entscheidung vor.

Die Bundesrichter bestätigten nun die Ansicht der Mehrzahl der Instanzgerichte und erkennen das Internetverbot als wirksam an.

Nach Ansicht des BGH folge aus DDR-Wettanbieter-Lizenzen keine Berechtigung, entgegen der heutigen Rechtslage durch § 4 Abs. 4 des GlüStV, Wetten im Internet anzubieten.

Auch sei eine Lizenz in einem anderen EU-Staat (z.B. Malta) keine Freikarte für den deutschen Markt.

Zur Begründung führt der BGH aus:

„Das Verbot von Glücksspielen im Internet gem. § 4 Abs. 4 GlüStV stellt zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union dar. Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Ziele wie Suchtbekämpfung, Jugendschutz und Betrugsvorbeugung können aber Beschränkungen der Spieltätigkeit rechtfertigen. Wegen der größeren Gefahren des Internets, insbesondere Anonymität, fehlende soziale Kontrolle und jederzeitige Verfügbarkeit, darf dieser Vertriebsweg stärker als herkömmliche Absatzwege eingeschränkt werden.

Das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV erfüllt auch die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelte Anforderung der Kohärenz. Danach müssen Maßnahmen, mit denen ein Mitgliedstaat die Spieltätigkeit beschränkt, dazu beitragen, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Da es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV um eine eigenständige Regelung handelt, kommt es insoweit nicht darauf an, ob der Glücksspielstaatsvertrag insgesamt das Kohärenzkriterium erfüllt. Es ist deshalb hier unerheblich, welche Regeln in Deutschland für Automatenspiele oder herkömmliche Spielbanken gelten, die eine persönliche Anwesenheit der Spieler voraussetzen. Das Angebot von Pferdewetten im Internet ist verboten. Allerdings wird es bislang von den Bundesländern geduldet. Das führt aber im Hinblick auf die vergleichsweise geringe Bedeutung der Pferdewetten nicht zur Ungeeignetheit des Internetverbots zur Gefahrenabwehr.“

Kommentar:

Mit diesem Urteil hat der BGH zugleich das in § 5 Abs. 3 GlüStV normierte Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet bestätigt.

Mit diesem Urteil haben nun beide einschlägigen Bundesgerichte (BGH und BVerwG)  die Zulässigkeit privater Sportwetten im Internet verneint. Zum Urteil des BVerwG (Az. 8 C 5.10) habe ich Anfang Juni bereits einen Beitrag veröffentlicht, der hier abrufbar ist.

Allerdings ist es fraglich, ob dieses strikte Verbot auch in naher Zukunft Bestand haben wird. Aktuell diskutiert die Ministerpräsidentenkonferenz intensiv über eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrages; ein Entwurf eines neuen GlüStV liegt vor und soll vermutlich Anfang 2012 in Kraft treten. Das Land Schleswig-Holstein hat sich bereits für eine Öffnung des Wettmarktes entschieden.