Zwar sind aufgrund einer Gesetzesänderung viele ältere Darlehensverträge nicht mehr widerrufbar, da die Widerrufsfrist – rückwirkend – auf ein Jahr und 14 Tage begrenzt wurde, egal ob (richtig) belehrt wurde. Dies betrifft jedoch nicht solche Verträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 abgeschlossen wurden. Für diese gilt im Grundsatz immer noch die unbegrenzte Widerrufsfrist. Welche Verträge aus welchem Zeitraum noch widerrufbar sind, hatte ich in diesen News vom 29.11.2018 dargestellt.

Mit einem Darlehensvertrag aus diesem Zeitraum hat sich der BGH in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 2016 beschäftigt, deren Auswirkungen auch heute noch geltend, die also immer noch aktuell sind. Die Quintessenz dieser Entscheidung lässt sich so zusammenfassen: Wer im Rahmen der Widerrufsbelehrung im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung zusätzliche, also eigentlich unnötige Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist ergänzt, ist für den Beginn der Widerrufsfrist an diese zusätzlichen Voraussetzungen gebunden.

Die Sparkasse hatte den Regelungsgehalt des § 492 Abs. 2 BGB anhand von Beispielen erläutert. in § 492 Abs. 2 BGB steht:

„nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB

[…] erhalten hat“

Dies ist nach Auffassung des BGH zulässig und auch nicht intransparent.

Konkret wurde folgender Text verwendet:
„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.“ (Hervorhebung durch uns)

Der BGH sieht diese Klammerzusätze als Angebot der Sparkasse an, dass der Beginn der Widerrufsfrist erst durch Angabe dieser Beispielsangaben zu laufen beginnt:

Der Klammerzusatz nach der Angabe „§ 492 Abs. 2 BGB“ ist Teil der vorformulierten Widerrufsinformation, den der Senat selbst daraufhin untersuchen kann, welche Bedeutung ihm aus der Sicht des üblicherweise angesprochenen Kundenkreises unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zukommt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 16). Er enthält den Antrag, die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist auf vertraglicher Grundlage zu erweitern. Ohne den Klammerzusatz wäre gemäß den gesetzlichen Vorgaben Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist (nur) die Erteilung der für Immobiliardarlehensverträge relevanten Pflichtangaben gewesen. Mit dem Klammerzusatz bot die Beklagte ihren Vertragspartnern an, den Beginn der Widerrufsfrist nicht lediglich vom Erhalt der für Immobiliardarlehensverträge gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben, sondern außerdem von der Angabe des einzuhaltenden Verfahrens bei der Kündigung des Vertrags und von der Angabe der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde abhängig zu machen. Zugleich trug die Beklagte ihren Vertragspartnern an, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der Erteilung dieser Angaben in der für gesetzliche Pflichtangaben vorgeschriebenen Form bei Vertragsschluss (vgl. MünchKommBGB/Schürnbrand, 7. Aufl., § 492 Rn. 24; PWW/Nobbe, BGB, 11. Aufl., § 492 Rn. 9) und nicht lediglich im Zuge der Erfüllung vorvertraglicher Informationspflichten nach § 491a BGB – hier: in der vom 10. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung – abhängig zu machen.

Dieses – weil ihnen günstig unbedenkliche – Angebot haben die Kläger durch Unterzeichnung des Darlehensvertrags angenommen. Dass die Verlängerung der Widerrufsfrist und die Information über die Voraussetzungen ihres Anlaufens in einem Akt zusammenfallen, berührt die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsinformation nicht (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 17).

Da die Beklagte nicht über die zuständige Aufsichtsbehörde unterrichtet hat, wurde die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Der Vertrag konnte daher noch Jahre nach seinem Abschluss widerrufen werden.

Die Kanzlei Dr. Graf vertritt seit vielen Jahren Mandanten im Zusammenhang mit dem Widerruf von Darlehensverträgen. Rechtsanwalt Dr. Graf ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Falls Sie wissen wollen, ob ihr Vertrag widerrufbar sein könnte, nehmen Sie unsere Erstberatung in Anspruch.

BGH, Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15 –, BGHZ 213, 52-64

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