Rechtsnormen: §§ 5, 5a, 8 UWG

Mit Urteil vom 24.01.2013 (Az. 4 U 186/12) hat das OLG Hamm entschieden, dass eine Werbung mit durchgestrichenen „Statt“-Preisen mehrdeutig und damit irreführend ist, wenn der Anbieter nicht klarstellt, um was für einen Vergleichspreis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt, und wenn nicht alle in Betracht kommenden Bedeutungen der Werbeaussage zutreffen. (Leitsatz)

Zum Sachverhalt:

Antragstellerin ist eine Bielefelder Warenhandelsgesellschaft. Sie mahnte die Antragsgegnerin, Betreiberin einer Postenbörse in Schüttorf, wegen Wettbewerbsverstößen ab, woraufhin diese eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab und versicherte, es „zu unterlassen, mit durchgestrichenen Preisen zu werben, ohne dabei klarzustellen, um was für einen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt, insbesondere wenn dies … mit einem durchgestrichenen Preis in Höhe von 19,99 € geschehen ist, wenn dieser Preis tatsächlich niemals verlangt worden ist“. Kurz darauf bewarb die Postenbörse mit einem Prospekt und über ihre Internetseite verschiedene Waren zu einem ausgezeichneten Preis. Zusätzlich gab sie ohne weitere Erläuterung hinsichtlich einiger der angebotenen Artikel daneben oder darüber durchgestrichene „Statt-Preise“ an. Die Antragstellerin mahnte die Postenbörse daraufhin erneut ab, woraufhin diese sich der Abmahnung allerdings nicht unterwarf. Die Antragstellerin stellte daher beim LG Münster einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Diesem Begehren folgte das Landgericht zunächst, hob seine Entscheidung im Hauptsacheverfahren aber wieder auf. Nach Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts beziehe sich die beanstandete Prospektwerbung des Antragsgegners nicht auf Markenware und sei daher nicht mehrdeutig und irreführend.

Im Berufungsverfahren kam das OLG Hamm nun zu einer anderen Entscheidung und bestätigt den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Die Antragstellerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG antragsbefugt. Denn die Parteien sind Mitbewerber. (…) Der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt vor. Denn die hierfür nötige Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs. 2  UWG tatsächlich vermutet. (…) Der solchermaßen aktiv legitimierten Antragstellerin steht der Verfügungs- und Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG zu. (…) Denn die durchgestrichenen Statt-Preise erfüllen in ihrer konkret angegriffenen Verwendung den Tatbestand des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG – und der Schwerpunkt liegt hier trotz der Antragsfassung auf einer konkludenten Irreführung und nicht auf einer irreführenden Unterlassung nach § 5a Abs. 2 UWG. (…) Eine Werbung ist irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG, wenn durch sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein unrichtiger, da von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichender Eindruck über die Preisbildung vermittelt wird (vgl. u.a. Piper/  Ohly/Sosnitza, 5. Aufl., § 5 UWG, Rn. 107 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Wie eine Werbung verstanden wird, hängt maßgeblich von der Auffassung des Personenkreises ab, an den sie sich richtet. Die in Rede stehende Werbung richtet sich an jeden potentiellen Kunden einer sog. Postenbörse. (…) Die beanstandete Werbung mit durchgestrichenen Statt-Preisen ist zumindest mehrdeutig und als solche irreführend, da die Gefahr besteht, dass sie von einem nicht völlig unerheblichen Teil des Verkehrs in einem den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechendem Sinne aufgefasst wird. (…) Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, der der in Rede stehenden Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt – und dessen Eindruck ist maßgeblich (vgl. u.a. BGH GRUR 2000, 619 – Orient-Teppichmuster) -, kann jedoch auch den sodann zwangsläufig falschen Eindruck gewinnen, bei den durchgestrichenen Preisen handele es sich um die im Vergleich zu einer Filiale der Postenbörse vom regulären Einzelhandel üblicherweise oder früher geforderten höheren Preise. Sog. Postenbörsen bieten nach landläufigem Verständnis u.a. als Wiederverkäufer Restposten, Zweite-Wahl-Ware, Ladenhüter und Auslaufmodelle, sowie Überschussware und ähnliches an, und zwar zu gegenüber dem „regulären“ Einzelhandel deutlichst niedrigeren Preisen. Hierauf legt der potentielle Kunde einer solchen Postenbörse gesteigerten Wert. Genau dieser Aspekt liegt im Focus seines Interesses. Hierin liegt der besondere Anreiz der angebotenen Posten für ihn und diesen besonderen Preisvorteil stellen im vorliegenden Fall auch die Überschriften der einzelnen Seiten des in Rede stehenden Prospektes in den Vordergrund. Werden nunmehr einzelne der angebotenen Artikel zu Preisen angeboten, die mindestens um 35% (Kleintierstreu/Bl. 46 d.A.), in der Regel um mehr als 50% und sogar bis zu 93% (Aufbewahrungsset für Kontaktlinsen/Bl. 48 d.A.) und damit beträchtlich unter dem jeweils durchgestrichenen Statt-Preis liegen, geht der angesprochene „Schnäppchenjäger“ davon aus, hier werde ihm vor Augen geführt, welchen enormen Preisvorteil er gerade bei den solchermaßen ausgewiesenen Artikeln gegenüber dem üblichen oder vorherigen Preis des Einzelhandels hat. Zudem rechnet der Verbraucher nicht damit, dass es der Postenbörse bei dem erwartungsgemäß ohnehin sehr niedrigen Preisniveau überhaupt noch möglich ist, einen zunächst verlangten Niedrigpreis nochmals derart eklatant zu senken. Damit kann dahinstehen, ob der Verbraucher den Zusatz „Statt“ als Hinweis für einen vom Hersteller empfohlenen Preis versteht. Allerdings spricht der Umstand, dass es sich vorliegend zum absolut überwiegenden Teil gerade nicht um sog. Markenware handelt, gegen ein solches Verbraucherverständnis (vgl. BGH NJW 1980, 2085 – Preisgegenüberstellung III; Senat NJW-RR 1986, 923). Im Fall einer solchen Mehrdeutigkeit muss der Werbende die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen. Das heißt, jede einzelne Angabe muss wahr sein, und zwar unabhängig davon, ob der Werbende es auf die Mehrdeutigkeit angelegt hat oder nicht (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rdnr. 2.111f. m.w.N.) (…) Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant i.S.d. § 5 UWG. Denn die Preiswürdigkeit eines Angebots stellt einen für die Verbraucherentscheidung zentralen Aspekt dar, dessen rechtliche Erheblichkeit gleichsam „auf der Hand liegt“ (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 UWG Rdnr. 2.175).