Rechtsnormen: §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 UWG; Art. 1 Abs. 2 lit. e VO (EG) Nr. 258/97

Das LG Stuttgart hat mit rechtskräftigem Urteil vom 04.12.2009 (Az. 31 O 117/09 KfH) entschieden, dass der Vertrieb eines Guanabana-Fruchtsaftgetränkes ohne Zulassung nach der europäischen Novel-Food-Verordnung unlauter iSv §§ 3, 4 Nr. 11 UWG ist.

Zum Sachverhalt:

Verklagt wurde ein Lebensmittelhändler, der Fruchtsäfte mit dem Mark der Guanabanafrucht vertrieb. Die Frucht wird vorrangig in Mittel- und Südamerika angebaut, allerdings aus klimatischen Gründen nicht in Europa. Bislang war nach der Novel-Food-Verordnung für die EU keine Zulassung erteilt worden. Nun klagte ein gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugter Verband gegen den Händler mit dem Zweck der Untersagung des Saftvertriebs. Demnach seien aus dieser Frucht hergestellte Lebensmittel nicht verkehrsfähig. Gemäß einer wissenschaftlichen Studie sei der Verzehr nicht unbedenklich. Demgegenüber erklärte der Beklagte, die Frucht werde in Mittel- und Südamerika gezielt zum Verzehr angebaut. Darüberhinaus werde die Frucht schon seit Jahrzehnten von einem englischen Safthersteller in der EU verkauft. Zudem sei die Klage rechtsmissbräuchlich, weil auch ein Mitglied des Klägers ein Guanabanaprodukt vertreibe.

Nun gaben das Stuttgarter Landgericht der Klage statt: Der Handel mit diesem Fruchtsaft ohne eine Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung sei eine wettbewerbswidrige Handlung gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG. Die Regeln der Novel-Food-Verordnung seien Marktverhaltensregeln iSd § 4 Nr. 11 UWG. Erst nach einer Sicherheitsprüfung dürfen neue Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden.

Kommentar:

Wenn ein Unternehmen ein neues Lebensmittel gemäß der als Marktverhaltensregel anerkannten Novel-Food-Verordnung ohne dazugehörige Zulassung vertreibt, kann es den Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes dadurch entkräften, dass es gemäß Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 22.11.2007; Az. I ZR 77/ 05, „Fruchtextrakt“) einen nennenswerten Verzehr in der EU hinreichend substantiiert darlegt. Die Stuttgarter Richter sehen keine Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage, weil ein Mitglied der Klägerin möglicherweise den Wettbewerb in gleicher Weise verletzt. Dieser Einwand des Beklagten kann schon dadurch nicht greifen, da die verletzte Norm einen stark verbraucherschützenden Charakter aufweist (vgl. BGH GRUR 1967, 430, 431, Urt. v. 01.02. 1967, Grabsteinaufträge I“).