Rechtsnormen: §§ 19a, 97, 97a Abs. 1 UrhG

Mit Urteil vom 15.02.2012 (Az. 142 C 10921/11) entschied das Amtsgericht München, dass ein Vermieter nicht für Urheberrechtsverstöße seines Mieters haftbar ist, wenn der Mieter zur Tatbegehung den WLAN-Anschluss des Vermieters benutzte und dieser seinen Überwachungspflichten als Anschlussinhaber nachgekommen ist.

Zum Sachverhalt:

Der Beklagte und seine Ehefrau sind Miteigentümer eines Mehrparteienhauses. Eine der Wohnungen bewohnen sie selbst; eine andere Wohnung vermieteten sie. Der Beklagte ist zudem Inhaber eines WLAN-Anschlusses. Dieser Anschluss wurde mietvertraglich auch dem Mieter zur Verfügung gestellt. Mit einer Zusatzvereinbarung wurde ein Haftungsausschluss des Vermieters für evtl. Verstöße gegen Urheberrechte Dritter infolge der Internetnutzung durch den Mieter vereinbart. Mitte 2007 wurden insgesamt sechsmal von diesem Internetanschluss die Musikstücke „Chaostheorie“ der Gruppe „Revolverheld“ sowie „Das große Leben“ von „Rosenstolz“ via Tauschbörse „edonkey“ zum Download angeboten. Der Mieter ist Mitte 2007 über Nacht ausgezogen und seitdem nicht auffindbar. Die Inhaber der ausschließlichen Vervielfältigungsrechte stimmten der Download-Bereitstellung nicht zu und ließen den Anschlussinhaber anwaltlich abmahnen. Dieser lehnt eine Haftung mit der Begründung ab, er sei zur fraglichen Zeit nicht anwesend gewesen. Daher reichten die Rechteinhaber Klage beim Amtsgericht München ein.

Das Amtsgericht wies die Klage ab.

Nach Ansicht des Gerichts hafte der Beklagte nicht gem. § 97 Abs. 2 auf Schadensersatz, da er weder Täter noch Teilnehmer der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen sei.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Sommer unseres Lebens) spricht für den Fall, in dem feststeht, dass die Urheberrechtsverletzung vom Anschluss des Beschuldigten aus erfolgte (…) eine tatsächliche Vermutung für dessen persönliche Verantwortlichkeit.

Diese tatsächliche Vermutung konnte der Beklagte im vorliegenden Fall jedoch widerlegen. Sämtliche einvernommen Zeugen waren glaubwürdig und sagten glaubhaft aus. (…) Für das Gericht gab es keinen hinreichenden Anhaltspunkt, dass der Beklagte selbst in diesem Zeitraum seinen Computer eingeschaltet hatte und selbst an der Tauschbörse teilnahm. (…) Aufgrund der Gesamtschau des Ergebnisses der Beweisaufnahme, d.h. der Zeugenaussagen, der informatorischen Anhörung des Beklagten selbst sowie der beigebrachten Unterlagen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte in keinem der klägerseits vorgetragenen Fälle selbst Teilnehmer in der Internettauschbörse edonkey war. Die tatsächliche Vermutung, die gegen ihn als Inhaber des Anschlusses, von welchem aus die Rechtsverletzungen erfolgten, streitet, ist damit widerlegt.

Soweit klägerseits vorgebracht wird, der Beklagte hafte wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Schadensersatz, folgt dem das anerkennende Gericht nicht. Voraussetzung hierzu wäre jedenfalls, dass Prüfpflichten nachhaltig verletzt würden. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Beklagte haftet auch nicht als Störer auf Erstattung der anwaltlichen Abmahnungskosten (§ 97a Abs. 1 UrhG). (…) Die Verletzung von Prüfpflichten ist Voraussetzung. Daran scheitert es vorliegend, der Beklagte verletzte keine Prüfpflichten. Zur Überzeugung des Gerichts unterhielt der Beklagte, der als gelernter Radio- und Fernsehtechniker (…) technisch versiert ist, kein offenes WLAN, sondern ein ausreichend gesichertes, was sich aus der Gesamtwürdigung der Beweisaufnahme (…) und dem Mietvertrag mit Zusatzvereinbarung, der auch eine Vereinbarung zu den Zugangsdaten des Internetanschlusses enthält, ergibt. Zur Überzeugung des Gerichts haben weder der Beklagte selbst noch dessen Ehefrau die illegalen Uploads iSv § 19a UrhG getätigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme drängt sich auf, dass der ehemalige Mieter für die illegalen Uploads persönlich verantwortlich ist. Eine Verletzung von Prüfpflichten ist dem Beklagten diesbezüglich jedoch nicht vorzuwerfen. Mit Aufnahme der Klausel im Mietvertrag und der Zusatzvereinbarung, mit der sich der Beklagte vertraglich seitens seines Mieters zusichern ließ, dass dieser das Internet nicht zu illegalen Zwecken nutzen werde, ist der Beklagte seinen Prüfpflichten hinreichend nachgekommen. Die Aufnahme der vertraglichen Klausel genügt im vorliegenden Fall; dass die Rechtsverletzung im Ergebnis tatsächlich stattgefunden hat, ändert hieran nichts. Die Besonderheit des vorliegenden Einzelfalls liegt darin, dass der Beklagte selbst nur einem einzigen Mieter seines Hauses neben seiner Ehefrau den Zugang zum Internet über seinen Anschluss gestattet hatte, weiteren Mietern oder anderen Personen jedoch nicht. (…) Der Beklagte durfte darauf vertrauen, dass sich sein Mieter rechtstreu verhalte, denn hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Mieter illegale Handlungen im Internet vornehmen werde, gab es zur Überzeugung des Gerichts bei Vertragsschluss nicht. (…) Soweit in der Argumentation der Klägerinnen anklingt, der Beklagte habe sich nicht hinreichend Mühe gegeben den „über Nacht“ ausgezogenen Mieter ausfindig zu machen, so kann auch daraus keine für die Klägerinnen günstige Rechtsfolge abgeleitet werden. Eine Verletzung von Prüfpflichten, die im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung selbst bestanden habe müssen, liegt darin jedenfalls nicht.“

Kommentar:

Mitte dieses Jahres hatte das AG Frankfurt a.M. zu entscheiden, ob ein Ehepartner für Urheberrechtsverstöße seines Ehepartners zur Verantwortung gezogen werden kann bzw. ob er als Anschlussinhaber eine Pflicht zur Überwachung seines Partners hat. Das Gericht verneinte eine solche Überwachungspflicht. Weiter kam das Gericht zum Ergebnis, dass eine Störerhaftung wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflichten dann nicht Betracht kommt, wenn der Anschlussinhaber glaubhaft versichert, nur er und sein Ehepartner hätten Zugriff auf den Anschluss. Hierzu habe ich einen Blog-Beitrag veröffentlicht, der hier abrufbar ist.