Rechtsnormen: § 1004 Abs. 1 iVm § 823 Abs. 1 BGB; Art. 5 Abs. 1 GG

Mit Urteil vom 06.11.2012 (Az. 15 U 97/12) hat das OLG Köln entschieden, dass der Wettermoderator Jörg Kachelmann durch mehrere Aussagen seiner ehemaligen Lebensgefährtin in einem Zeitungsinterview in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Das Gericht erkennt „Claudia D.“ kein Recht auf einen „Gegenschlag“ zu.

Zum Sachverhalt:

Nach einer belastenden Aussage der Beklagten wurde Anfang 2010 gegen den Kläger Jörg Kachelmann wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung ermittelt. Das anschließende Hauptverfahren endete Mitte 2011 mit einem Freispruch für Kachelmann, der im Oktober 2011 rechtskräftig wurde. Die Beklagte gab zwei Wochen nach Bekanntgabe des Freispruchs, aber noch vor Rechtskraft, einer Zeitschrift ein Interview, das folgende Passagen enthält: „Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe (…) Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß genau: Es war aber so!“ Zudem behauptet sie im Rahmen des Interviews, Kachelmann habe sie mit dem Tode bedroht, falls sie vor der Tat erzähle. Die Beklagte sieht die Aussagen vom ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, da der Kläger zwar freigesprochen wurde, seine Unschuld jedoch nicht als erwiesen gilt. Daher habe sie das Recht, weiterhin ihre Sicht der Dinge auch öffentlich zu äußern. Da sie vom Kläger, der sie u.a. als „rachsüchtig“ bezichtigte, öffentlich angegriffen worden sei, stehe ihr nun ein „Recht zum Gegenschlag“ zu. Der Wetter-Moderator fühlt sich durch diese Aussagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und erhob Klage auf Unterlassung der weiteren Verbreitung der Äußerungen beim LG Köln, das der Klage auch stattgab.

Das Berufungsgericht bestätigte nun die erstinstanzliche Entscheidung.

Nach Ansicht des OLG Köln verstoßen die Äußerungen der Beklagten gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.

Zur Begründung führt das Gericht in seiner Presseerklärung vom 08.11.2012 aus:

„Die Äußerungen der Beklagten seien teils als Tatsachenbehauptungen, teils als Meinungsäußerungen mit Tatsachenkern einzustufen. Da weder die Wahrheit noch die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen feststehe, sei bei der Prüfung der Frage, ob die Äußerungen unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig seien, zwar die Wahrheit der behaupteten Tatsachen zu unterstellen. Auch danach griffen die Äußerungen bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen aber in unzulässiger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Zwar sei die Beklagte, die nach dem Freispruch ihrerseits unter dem Verdacht stehe, den Kläger falsch verdächtigt zu haben, berechtigt, ihre Sicht der Dinge darzustellen, zumal die Öffentlichkeit großen Anteil an dem Strafverfahren gegen den Kläger genommen habe. Die angegriffenen Äußerungen gingen jedoch in ihrer konkreten Form über eine solche Selbstverteidigung hinaus. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger freigesprochen worden sei und daher als unschuldig zu gelten habe. Die Beklagte habe ihre Äußerungen detaillierter und emotionaler gefasst, als es unter dem Gesichtspunkt der Darstellung des eigenen Standpunktes erforderlich gewesen sei. Auch stehe der Beklagten kein so weitgehendes Recht auf einen „Gegenschlag“ gegen die Angriffe des Klägers auf ihre Person zu. Sofern sie die Äußerungen des Klägers zu ihrer Person als unangemessen empfunden habe, stehe ihr ebenso wie diesem der Rechtsweg offen. Das „Recht zum Gegenschlag“ sei vor allem für den politischen Meinungskampf entwickelt worden und könne im vorliegenden Fall die angegriffenen konkreten Aussagen nicht rechtfertigen. Dabei sei vor allem der Gefahr einer Selbstjustiz Rechnung zu tragen, die in einem Rechtsstaat grundsätzlich unzulässig sei und auch wegen der damit verbundene Gefahr der Eskalation durch wechselseitige Verletzungen zu unterbinden sei.“

Eine Revision wurde vom OLG Köln nicht zugelassen.

Kommentar:

Vor einigen Monaten untersagte das LG Köln Alice Schwarzer und ihrer Zeitung „Emma“ die Verbreitung eines Artikels, mit dem die Worte „Unschuldsvermutung“ und „einvernehmlicher Sex“ als Unworte des Jahres vorgeschlagen wurden. Nach Ansicht des Gerichts erwecke Schwarzer den Eindruck, Kachelmann habe die Beklagte Claudia D. vergewaltigt, obwohl dieser rechtskräftig freigesprochen worden sei. Mein Blog-Beitrag zu dieser Entscheidung ist hier abrufbar.