Rechtsnormen: § 5 Abs. 4 Kommunalabgabengesetz RLP; kommunale Vergnügungssteuer

Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat das VG Neustadt (Weinstraße) mit Beschluss vom 17.01.2013 (Az. 1 L 1067/12.NW) entschieden, dass eine rheinland-pfälzische Stadt vorläufig keine Vergnügungssteuer für in einem Internetcafé bereitgestellte Computer verlangen kann.

Zum Sachverhalt:

Eine rheinland-pfälzische Stadt veranschlagt gemäß ihrer Vergnügungssteuersatzung für das Halten von Spiel- und Unterhaltungsgeräten in Spielhallen und Internetcafés eine monatliche Steuer von 60 Euro pro Gerät. Diese Klausel entspricht der Mustersatzung des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz. Als Spielgeräte gelten nach der Satzung insbesondere auch Computer, die überwiegend zum individuellen Spielen oder zum gemeinsamen Spielen in Netzwerken oder über das Internet verwendet werden. Auf Basis der Vergnügungssteuersatzung verlangt die Stadt von der Betreiberin eines Internetcafés für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 eine Steuer iHv EUR 2880. Hiergegen reichte die Gewerbetreibende beim VG nun einen Eilantrag ein, um den Vollzug des Bescheids zu verhindern. Zur Begründung führt sie aus, die Computer würden von ihren Kunden überwiegend nicht zum Spielen, sondern zur Kommunikation und zur Informationsbeschaffung im Internet genutzt. Demgegenüber vertritt die Stadt die Auffassung, dass ihre Satzung lediglich klarstellt, dass Computer in Spielhallen und Internetcafés ebenfalls vergnügungssteuerpflichtige Spiel- und Unterhaltungsgeräte sind. Somit komme es auf die tatsächliche Nutzung nicht an.

Im Eilverfahren bestätigte das VG Neustadt nun die Ansicht der Betreiberin des Internetcafés und stoppte den Vollzug des Steuerbescheids vorläufig. Es äußert grundsätzliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

Der Bescheid vom 11. September 2012 begegnet bereits bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ernstlichen rechtlichen Bedenken.

(…) Das Gericht teilt im Eilverfahren die Rechtsauffassung der Antragstellerin, dass es sich bei § 1 Nr. 8 Satz 2 der Vergnügungssteuersatzung um eine spezielle Bestimmung zur Steuerpflicht für Personalcomputer handelt, und der Steuertatbestand hier – im Unterschied zur allgemeinen Besteuerungsregelung für Spielgeräte u.Ä. in § 1 Nr. 8 Satz 1 Vergnügungssteuersatzung – konstitutiv an die tatsächliche Nutzung der Personalcomputer anknüpft. Für diese Auslegung des Satzes 2 als lex spezialis gegenüber Satz 1 sprechen Wortlaut und Systematik, sowie Sinn und Zweck der Regelung: Die Vorschrift bestimmt, dass Personalcomputer (unter den genannten Voraussetzungen) als Spielgeräte „gelten“, diese Fiktion wäre nicht erforderlich, wenn die Satzung davon ausginge, dass Personalcomputer z.B. in Internetcafés schon gemäß § 1 Nr. 8 Satz 1 zu den Spielgeräten gehören. Ein Personalcomputer dient in seinen möglichen Verwendungen nicht automatisch und ausschließlich den Vergnügungszwecken, welche die Vergnügungssteuersatzung in § 1 Nr. 8 Satz 1 der Besteuerung unterwirft, nämlich dem Spielen, dem Musikhören oder der Unterhaltung. Vielmehr kann er gleichermaßen zur Kommunikation, zu Geschäfts- oder Informationszwecken eingesetzt werden. Diese ganz unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten beim Personalcomputer begründen, anders als bei Spielgeräten allgemein, im Regelungszusammenhang der Vergnügungssteuer gerade nicht die von der Antragsgegnerin angeführte Vermutung, dass sie (überwiegend) zu Spielzwecken genutzt werden, sondern vielmehr das Bedürfnis nach einer inhaltlich nachvollziehbaren Abgrenzung zwischen der steuerlich relevanten Verwendung zu Vergnügungszwecken und den nicht vergnügungssteuerpflichtigen Funktionen des Geräts (vgl. zum Ganzen ausführlich VG Braunschweig, Beschluss vom 10. Juli 2003 – 5 B 286/03 –, juris). § 1 Nr. 8 Satz 2 Vergnügungssteuersatzung verfolgt erkennbar diesen Abgrenzungszweck: Personalcomputer u.a. in Internetcafés sollen danach nur dann der Vergnügungssteuer unterliegen, wenn sie „überwiegend“ zu Spielzwecken verwendet werden, d.h. es kommt hier auf die tatsächliche Nutzung im Einzelfall an.

Nach Auffassung der Kammer bestehen indessen gewichtige rechtliche Bedenken, ob die Satzung insoweit hinreichend bestimmt ist. Die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte innerhalb desselben Steuertatbestands – das Halten von Spielgeräten in § 1 Nr. 8 Satz 1 und bei Festsetzung der Steuerhöhe gemäß § 8 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung einerseits und die tatsächliche Verwendung bestimmter Spielgeräte in § 1 Nr. 8 Satz 2 andererseits – stehen zueinander in Widerspruch, der zumindest im vorliegenden Eilverfahren nicht nachvollziehbar aufzulösen ist. Die Bedeutung der Formulierung „gelten insbesondere auch“ ist zudem missverständlich; die Reichweite der Fiktion in § 1 Nr. 8 Satz 2 der Vergnügungssteuersatzung erscheint bei summarischer Prüfung nicht klar – was nicht zuletzt die unterschiedliche Auslegung der Bestimmung durch die Beteiligten zeigt. Schon diese rechtlichen Bedenken gegen die Satzungsregelung begründen hier eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Vergnügungssteuerbescheid im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben kann.

Selbst wenn aber – trotz dieser Bedenken – auf der Grundlage des § 1 Nr. 8 Satz 2 Vergnügungssteuersatzung für die Steuerpflicht der Antragstellerin an die tatsächliche Nutzung der Personalcomputer in ihrem Internetcafé angeknüpft werden könnte, fehlt es derzeit vollständig an Feststellungen dazu, ob und wie viele der dort vorhandenen Personalcomputer im Steuerzeitraum tatsächlich „überwiegend“ zu den in der Satzung beschriebenen Spielzwecken verwendet wurden. Der Nachweis der Steuerpflicht obliegt der Antragsgegnerin, und es ist nicht erkennbar, wie dieser nachträglich für die Monate Januar bis Juni 2012 noch geführt werden kann. Die Antragsgegnerin hat, von ihrem Rechtsstandpunkt aus konsequent, dahingehende Ermittlungen in der Vergangenheit unterlassen, weil nach ihrer Ansicht allein das Halten der Personalcomputer in den Geschäftsräumen der Antragstellerin für die Besteuerung ausreicht. Für die überwiegende tatsächliche Nutzung aller aufgestellten Geräte zu Spielzwecken gibt es derzeit keine ausreichenden objektiven Anhaltspunkte. Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass ihre Kundschaft die Personalcomputer im Schwerpunkt zur Kommunikation, insbesondere zur Telefonie über Skype und zum Surfen im Internet benutzt. Dies erscheint in einem Internetcafé auch nicht abwegig. Dass die Personalcomputer hier – möglicherweise im Unterschied zu einer Spielhalle – typischerweise nur zu Spielzwecken aufgestellt werden, lässt sich jedenfalls nicht sagen.

Fehlt es mithin derzeit an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für die Besteuerung der Antragstellerin, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids und ist ein Erfolg im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich. In dieser Situation überwiegt das Interesse der Antragstellerin, vorläufig von der nicht geringfügigen Steuerbelastung verschont zu bleiben, weshalb die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen war.“

Der Stadt steht das Rechtsmittel der Beschwerde beim OVG Koblenz zu.