Mit Urteil vom 10.08.2012 (Az. S 81 KR 1280/11) hat das Sozialgericht Berlin entschieden, dass Rabattgutscheine für Möbelhäuser kein zulässiges Werbemittel zur Mitgliedergewinnung sind.

Zum Sachverhalt:

Die AOK Bayern warb auf ihrer Internetseite mit folgender Aussage: „Es gibt Dinge, die gehören zusammen. Übrigens: Als Kunde können Sie viel Geld sparen! So finden Sie hier Vorteilspartner …, bei denen exklusive Angebote zu vergünstigten Konditionen auf Sie warten. Die Partner kommen aus den Bereichen Gesundheit, Wellness, Sport und Bewegung. Die ideale Chance für Sie, fit zu bleiben und gleichzeitig zu sparen!“ Unter Eingabe der PLZ oder der gewünschten Region wurden Interessenten entsprechende Partnerunternehmen sowie der dazugehörige Vorteil angezeigt. Bspw. wurden den Versicherten 10 % Rabatt beim Einkauf in einem bestimmten Möbelhaus gewährt.

Zweck dieses Angebots ist die Gewinnung neuer Versicherter bzw. die Bindung bisheriger Versicherter.

Dieses Geschäftsmodell erachteten sechs Ersatzkassen als rechtswidrig und reichten Klage beim zuständigen Sozialgericht Berlin ein. Demnach verstießen entsprechende Rabatte oder Sonderkonditionen gegen die Regeln des Wettbewerbs der Krankenkassen. Demgegenüber behauptete die AOK Bayern, die gesetzlichen Krankenkassen stünden seit der Angleichung der Beitragssätze und seit der Begründung ihrer Insolvenzfähigkeit in einem verschärften Wettbewerb zueinander, was zu einer Rechtfertigung einer intensiven Werbung um Beitragszahler führe.

Das Gericht folgte nun der klägerischen Ansicht. Zur Begründung führt es aus:

„Die Beklagte verstößt mit der fortdauernden Werbung mit Rabatten und Sonderkonditionen ohne Gesundheitsbezug nach Überzeugung der Kammer gegen die Pflicht auf Beachtung der Grenzen des Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenkassen und handelt damit wettbewerbswidrig. Die Mitgliederwerbung stellt eine Wettbewerbshandlung dar, da sie auf das Halten von vorhandenen und das Gewinnen von zukünftigen Mitgliedern gerichtet ist und den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen um Mitglieder betrifft. (…) Entgegen der Ansicht der Beklagten finden diese Grundsätze trotz der veränderten Marktbedingungen im Kassenwettbewerb weiter Anwendung, denn jeweils folgen die Veränderungen in den wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenkassen aus den Änderungen in den gesetzlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen. Bei Auswertung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist daher nun auch die Insolvenzfähigkeit der Kassen zu beachten.   Die Wettbewerbswidrigkeit ergibt sich nicht aus einem Verstoß gegen die „Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenkassen“ oder aus einer entsprechenden Anwendung der Wertmaßstäbe des §§ 1, 3 UWG, vgl. zur Beachtung der Wertmaßstäbe des UWG: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. November 2005, L 5 ER 99/05. Denn das Verhalten der Beklagten stellt keine unlautere geschäftliche Handlung dar, da mit den Werbeangeboten weder die Entscheidungsfreiheit der (potentiellen) Mitglieder beeinflusst wird, noch unrichtige oder irreführende oder die Kläger diskriminierende Äußerungen getätigt werden und nicht in unzulässiger Weise auf einen Kassenwechsel hingewirkt wird. Die Wettbewerbswidrigkeit ergibt sich nach Überzeugung der Kammer vielmehr daraus, dass sich die Beklagte mit der beanstandeten Werbung eines Mittels bedient, welches außerhalb der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabe liegt. Denn nach § 30 Abs. 1 SGB IV dürfen die Versicherungsträger nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden. Dabei bezieht sich der Begriff der Geschäfte nicht nur auf Rechtsgeschäfte, sondern auf Aktivitäten aller Art, vgl. Hauk/Noftz, SGB IV, § 30 Rdnr. 5. Nach § 1 SGB V hat die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. (…) Zulässige Werbemaßnahmen müssen daher wegen der Aufgaben- und Mittelbeschränkung in § 30 SGB IV, § 1 SGB V einen unmittelbaren Vorteil für das körperliche und seelische Wohlbefinden der Versicherten bieten. Die Mitgliederwerbung mit Rabatten und Sonderkonditionen ohne Gesundheitsbezug steht außerhalb dieses Aufgabengebietes. Die Gewährung von geldwerten Vorteilen für Möbelhäuser, Freizeitaktivitäten, Bekleidungsgeschäfte, Handwerker, Autowerkstätten etc. bietet zwar einen interessanten Vorteil für die Mitglieder der Beklagten, weist jedoch keinen Gesundheitsbezug auf. Die Gewährung eines allein mittelbaren Vorteils für das Wohlbefinden der Versicherten z.B. nach einen Einkaufserlebnis, einer Freizeitaktivität oder einem Frisörbesuch erfüllt nicht die Aufgaben einer gesetzlichen Krankenkasse. (…) Mit den Werbemaßnahmen bedient sich die Beklagte eines Mittels, den konkurrierende gesetzliche Kassen nicht nutzen können, die die von § 30 Abs. 1 SGB IV gesetzten Grenzen beachten. Die Beklagte verschafft sich damit einen im Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen nicht zulässigen Vorteil gegenüber anderen Krankenkassen. (…) Die Beschränkung zulässiger Mitgliederwerbung auf Maßnahmen mit Gesundheitsbezug ist nicht durch die Fortentwicklung des Wettbewerbsrechts der gesetzlichen Krankenkassen überholt. Solange § 30 SGB IV eine Aufgaben- und Mittelbeschränkung vorsieht, ist die Beklagte an die dadurch vorgegebenen Grenzen der Mitgliederwerbung gebunden und muss für ihre Werbemaßnahmen andere, zulässige Wege finden, sich gegenüber den Konkurrenten abzuheben und ihre Mitglieder zu halten. Möglichkeiten der Gestaltung bieten sich auf dem Gebiet der Aufklärung (§ 13 SGB I), auf dem Gebiet der Verträge (§§73a-c SGBV), den Modellvorhaben (§§63-65 SGBV), der Bonusregelung (§ 65s SGBV), den strukturierten Behandlungsprogrammen (§137f SGBV), der integrierten Versorgung (§§140a-h SGBV) etc.“

Kommentar:

Das Gericht betont, dass sich der Anspruch der Kläger gerade nicht aus dem Wettbewerbsrecht ergibt. Jedoch sieht das Sozialrecht vor, dass Krankenkassen nur gesundheitsbezogen werben dürfen. Eine Werbung mit Gutscheinen für Einrichtungshäuser wurde daher für unzulässig erklärt und die Kläger in ihrer Ansicht bestätigt. Das Gericht ließ die Berufung ausdrücklich zu.