Rechtsnormen: §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB; 185, 186 StGB; Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG

Mit Urteil vom 13.08.2012 (Az. 33 O 434/11) hat das LG Berlin entschieden, dass der Rapper Bushido einer ehemaligen Big Brother-Teilnehmerin wegen mehrerer beleidigender Äußerungen via Social Media eine Geldentschädigung iHv 8000 Euro zu zahlen hat. Darüber hinausgehende Forderungen der Klägerin wurden vom Gericht als überzogen abgewiesen.

Zum Sachverhalt:

Streitgegenstand sind mehrere abfällige Äußerungen des Rappers Bushido gegenüber einer Bewohnerin des „Big Brother“-Containers. Via Social Media (Facebook, Twitter und MySpace) schieb der Rapper über die Frau u.a. „… du Nutte!!!!!!!!““, „… du Kacke!!!“ und „sieht aus wie ne Mischung aus Der Joker, nem Schimpansen, Michel Jackson und Tatjana Gsell“. Umgehend nach ihrem Ausscheiden aus dem Big Brother-Container erlang die Frau Kenntnis von den Beleidigungen und forderte den Rapper anwaltlich zur Unterlassung auf. Die Frau erwirkte eine einstweilige Verfügung vor dem LG München I.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung einer Vertragsstrafe iHv 20000 Euro sowie die Zahlung einer Geldentschädigung iHv 100000 Euro.

Das LG Berlin sprach der Frau nun eine Entschädigung iHv 8000 Euro zu, im Übrigen wies es die Klage ab.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Alle vier Äußerungen sind als Schmähkritik einzustufen. Es steht nicht die sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund, sondern die Herabsetzung der Klägerin durch Beleidigungen und bewusst bösartig überspitze Kritik. (…) Die Äußerungen erfolgten vorsätzlich und auf verschiedenen Sozialplattformen. Soweit der Beklagte behauptet, die Äußerungen stammten nicht von ihm, ist dieses Vorbringen mangels jeglicher weiterer Darlegung substanzlos. Der Beklagte behauptet selbst nicht, ein anderer als er selbst habe seine Seiten bei Facebook, Twitter und MySpace angelegt. Die Höhe der Geldentschädigung ist mit 8.000 € zu bemessen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung stellen der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers, der Präventionsgedanke und die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung Bemessungsfaktoren dar, die sich je nach Lage des Falles unterschiedlich auswirken können. (…) Ein höherer Betrag erscheint dem Gericht unter Berücksichtigung folgender Gesichtspunkte unangebracht: Bei der Intensität der Persönlichkeitsrechtverletzung war zu berücksichtigen, dass Äußerungen von Rappern wie B… mit ihrer teilweise unsachlichen und überzogenen Tendenz vom verständigen Durchschnittsbürger nicht für bare Münze genommen werden. Weiter war zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin freiwillig in eine Situation begeben hat, die zwangsläufig die teilweise Preisgabe mindestens ihrer Privatsphäre bewirkte. Die Klägerin wusste, dass sie während ihres Containeraufenthalts 24 Stunden täglich über P…/S… für jedermann in allen Lebenslagen zu beobachten sein würde (im Ergebnis über 3 Monate), dass sie sich als Person mit äußeren und inneren Charakteristika einem Wettkampf mit etwa einem Dutzend anderen Containerbewohner stellte, dass sie zweiwöchentlich eine potentielle Ausscheidungsnominierung zu gewärtigen hatte, dass diese Nominierung nicht nur von den Containerbewohnern, sondern von diesbezüglich Interessierten online, offline und real kommentiert werden würde und dass sie während ihres Containerlebens einer Kontaktsperre nach außen unterlag. Die Klägerin hat sich gezielt der Öffentlichkeit ausgeliefert und sich in eine deprivatisierte Situation begeben, möglicherweise im Hinblick auf einen 6-stelligen Gewinn und eine hohe Medienpräsens. Weiter war zu berücksichtigen, dass nach Ansicht des Gerichts erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es der Klägerin letztlich nur um den Erhalt einer möglichst hohen Zahlung geht: Dafür spricht die deutlich überzogene Forderung von 100.000,00 € bei gleichzeitiger Wiederholung der angegriffenen Äußerungen gegenüber der Presse. Die Klägerin hat gegenüber einem völlig neuen und großen Adressatenkreis (Leser des Berliner Kuriers und RTL-Konsumenten) die – ihrer Darstellung nach – unerträglich belastenden Äußerungen freiwillig überhaupt erst in Umlauf gebracht. Die festgesetzte Geldentschädigung erscheint auch im Vergleich zu anderen Gerichtsentscheidungen angemessen. Im Urteil zum Aktenzeichen 27 O 393/11 des LG Berlin wurde eine Geldentschädigung von 10.000,00 € zugesprochen für Äußerungen, die das Gericht in ihrer Gesamtheit als mindestens ebenso Schwerwiegend einschätzt (u.a.: „Arschloch“, “ verfickter Wetterfrosch“, „Bastard“, „Idiot, „Ich ficke Ihn“, „das blöde Arschloch“, „scheiß Wettervogel“) und die nicht nur über das Internet (YouTube) möglicherweise, sondern darüber hinaus tatsächlich auch gegenüber etwa 10.000 Konzertbesuchern getätigt wurden. Die Entscheidung des OLG Hamm, Az. 3 U 169/03 („Lisa Loch“), mit der eine Geldentschädigung von 70.000,00 € zugesprochen wurde, ist nicht vergleichbar mit der hier gegebenen Situation. Anders als vorliegend hatte das OLG Hamm über eine mit enormer Medienwirkung einhergehende Diffamierung einer Minderjährigen zu entscheiden, die „auch nicht ansatzweise einen auch nur halbwegs nachvollziehbaren Anlass für seine aggressiven Schmähungen gegeben hatte“ (OLG Hamm, 3 U 168/03, juris Rnr. 34). (…) Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 20.000,00 € aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Unterlassungsvertrag § 339 S. 2 BGB (undatierte strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung des Beklagten, Anlage K7), weshalb die Klage insoweit abzuweisen ist.“

Kommentar:

Zwar bestätigte das Gericht die Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch den Rapper, dennoch sprach es der Klägerin lediglich 8 Prozent des geforderten Schmerzensgeldes zu. Zur Begründung dieser auf den ersten Blick niedrigen Entschädigungssumme führt das Gericht einerseits aus, dass Äußerungen von Rappern von verständigen Durchschnittsbürgern „nicht für bare Münze genommen“ würden, andererseits betont das Gericht, die Klägerin habe sich durch den Einzug in den TV-Container freiwillig einer solch deprivatisierten Situation ausgesetzt. Insgesamt erachtet das Gericht die Forderung der Klägerin als viel zu hoch. Der Klägerin steht wie auch dem Beklagten das Rechtsmittel der Berufung beim KG Berlin zu.