Rechtsnormen:          §§ 307 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 309 Nr. 5a, Nr. 5b, Nr. 6 BGB

Mit Urteil vom 03.07.2012 (Az. 2 U 12/11) hat das OLG Hamburg entschieden, dass eine AGB-Klausel, wonach Kunden im Falle der Nichtnutzung eines Mobilfunkanschlusses Zusatzgebühren zu zahlen haben, unwirksam ist. Auch eine Klausel, wonach im Falle der nicht fristgerechten Rücksendung der SIM-Karte nach Vertragsende eine „Pfandgebühr“ zu leisten ist, ist unwirksam.

Zum Sachverhalt:

Die eklagte Telekommunikationsgesellschaft (Telekom) bot u.a. den Tarif „Vario50/Vario 50 SMS T-Mobile“ an, der einen monatlichen „Paketpreis“ von EUR 14,95 bei einer 24-monatigen Laufzeit vorsah. Die Kunden konnten zwischen 50 Freiminuten oder 50 Frei-sms bei Vertragsabschluss wählen, wobei ein Wechsel zwischen den angebotenen Optionen je zum Monatsende möglich war. Außerhalb der Inklusivleistungen wurden EUR 0,39/Minute und EUR 0,19/sms berechnet. Durch Verbraucherbeschwerden wurde der Kläger, der Dachverband der Verbraucherzentralen, darauf aufmerksam, dass die Telekom in ihren AGB unter Punkt 7 eine „Nichtnutzungsgebühr“ verlangt, wonach falls in drei aufeinanderfolgenden Monaten kein Anruf getätigt bzw. keine sms gesendet werde, eine Gebühr iHv EUR 4,95/Monat in Rechnung gestellt werde. Unter Punkt 7.1 der AGB ist vermerkt, dass die im Rahmen des Mobilfunkvertrages zur Verfügung gestellte SIM-Karte Eigentum der Telekom bleibt und hierfür eine Pfandgebühr zu leisten sei. Die Höhe der Pfandgebühr richte sich nach der jeweils gültigen Service- und Preisliste. Die Gebühr werde dem Kunden nur dann in Rechnung gestellt, wenn er die SIM-Karte nicht innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsende an die Telekom zurücksende. Der vorgelegte Vertrag sah eine Pfandgebühr iHv EUR 9,97/SIM-Karte vor.

Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich außergerichtlich zur Änderung der AGB auf, woraufhin sie Klage beim LG Kiel erhob. Das Gericht gab der Klage statt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung beim OLG Hamburg ein.

Das OLG bestätigte die Ansicht der Vorinstanz, wonach die beanstandeten AGB-Klauseln unwirksam seien, da sie die Kunden entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. So liege der „Nichtnutzungsgebühr“ überhaupt keine Gegenleistung des Mobilfunkanbieters zugrunde. Er setzte lediglich eine Art „Strafzahlung“ für den Fall der Nichtnutzung fest. Derartige Vertragsstrafen seien unwirksam, da sich der Kunde vertragstreu verhalten habe und dem Mobilfunkanbieter auch kein Schaden entstanden sei. Ebenso sei die geforderte „Pfandgebühr“ unzulässig, da ihr kein erstattungsfähiges Pfand zugrunde liege.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Nach diesem Maßstab unterliegen die streitgegenständlichen Klauseln über die Nichtnutzungsgebühr und die Erhebung der „Pfandgebühr“ für die SIM-Karte der Inhaltskontrolle und sind unwirksam. (…)

Dem als „Nichtnutzergebühr“ bezeichneten Entgelt liegt keine Gegenleistung der Beklagten zugrunde. Dass sie überhaupt keine Leistung für den Kunden erbringt, wenn dieser ihre mit dem Paketpreis bereits abgegoltenen Inklusivleistungen nicht in Anspruch nimmt, ist evident. Die Frage, ob es sich um eine „echte“ Gegenleistung handelt (oder ob etwa nur eigene gesetzliche Verpflichtungen erfüllt bzw. Gemeinkosten auf einzelne Kunden umgelegt werden), stellt sich daher gar nicht. (…) Der Preis für den Tarif „Vario 50/ Vario 50 SMS“ ist zwar insoweit in Einzelkomponenten aufgespalten, als es einen Paketpreis, Gesprächsgebühren außerhalb der Inklusivleistungen und den einmaligen Anschlusspreis von 25,95 € gibt. Das ändert aber nichts daran, dass gerade der angeblichen Komponente „Nichtnutzergebühr“ keine Leistung der Beklagten zugrunde liegt. Die Nichtnutzung durch den Kunden wird nicht deshalb zu einer Leistung der Beklagten, nur weil diese es so bezeichnet. Auch die Beklagte trägt nicht vor, worin ihre Leistung für den Kunden liegen soll, wenn dieser lediglich die bereits mit dem Paketpreis abgegoltenen Leistungen nicht abruft. Vielmehr will sie das Nutzungsverhalten des Kunden steuern. Diese Zielrichtung ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die zur Umsetzung gewählte Regelung unterliegt jedoch der Inhaltskontrolle, wenn sie darin besteht, dass der nicht aktive Kunde mit einem Zusatzentgelt belegt wird.

Dass die Beklagte ein gesondertes Entgelt für die Nichtnutzung verlangt, ohne eine Gegenleistung zu erbringen, hat zugleich zur Folge, dass die streitgegenständliche Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhält. Dies ist mit wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts nicht vereinbar. (…) Der Sache nach versucht die Beklagte, ihre Kunden mit einer Art „Strafzahlung“ zu belegen, wenn sie die bezahlten Inklusivleistungen nicht einmal teilweise abrufen. Dabei ist ihr nach ihrem ausdrücklichen Vortrag bewusst, dass sie für ein solches Verhalten keine Schadensersatzpauschale und auch keine Vertragsstrafe in ihren AGB festsetzen dürfte. Die Beklagte betont selbst, dass der Kunde sich auch bei Nichtnutzung der bereitgestellten Leistungen vertragsgerecht verhält und ihr dadurch ferner kein Schaden entsteht (Seite 7 des Schriftsatzes vom 12. August 2011, Bl. 69 d. A.). Dass die Bestimmung einer Schadensersatzpauschale oder einer Vertragsstrafe in dieser Konstellation schon nach § 309 Nr. 5 und 6 BGB unwirksam wären, bedarf auch keiner weiteren Ausführungen. Dennoch versucht die Beklagte, zur Steuerung des Nutzungsverhaltens ihrer Kunden ein Modell mit günstigerem Grundpreis und einer „Bestrafung“ des nicht aktiven Nutzers umzusetzen. Dies wird auch nicht dadurch zulässig, dass sie die Nichtnutzungsgebühr als Teil des Preises für die Hauptleistung deklariert. Wenn die Beklagte das Nutzungsverhalten ihrer Kunden steuern will, mag sie ihre Tarife so kalkulieren und im Wettbewerb anbieten, dass diese für Vielnutzer attraktiv sind.

Auch die Erhebung einer „Pfandgebühr“ für die nicht fristgerechte Rücksendung der SIM-Karte unterliegt der Inhaltskontrolle (1) und ist nach Grund und konkreter Höhe unwirksam.

Die Festsetzung der „Pfandgebühr“ ist keine nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB kontrollfreie Preisvereinbarung.

Die Beklagte führt dazu aus, mit den beanstandeten Klauseln werde zwar kein Entgelt vereinbart, sondern nur ein Pfand erhoben. Wenn aber selbst die Vereinbarung eines Entgeltes nicht der Inhaltskontrolle unterliege, müsse dies erst recht für die deutlich weniger belastende Erhebung eines erstattungsfähigen Pfandes gelten (Seite 10 des Schriftsatzes vom 12. August 2011, Bl. 72 d. A.). Die Beklagte zieht diesen Schluss jedoch zu Unrecht. (…) Die Beklagte will in diesem Fall auch nach ihrem eigenen Vortrag keine Leistung an den Kunden erbringen, sondern dessen Verpflichtung zur Rückgabe der Karte durchsetzen. Wenn die „Pfandgebühr“ gerade kein erstattungsfähiges Pfand ist, unterliegen die beanstandeten Klauseln nicht nur der Inhaltskontrolle, sondern halten ihr sogar evident nicht stand. Jedenfalls aber kann die Beklagte nicht – a maiore ad minus – argumentieren, dass selbst ein von ihr als „tatsächliche Gebühr“ bezeichnetes Entgelt nicht der Inhaltskontrolle unterläge. Im Übrigen ist in § 307 Abs. 3 S. 2 BGB ausdrücklich geregelt, dass selbst solche Klauseln, die nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB eigentlich kontrollfrei wären, darauf zu überprüfen sind, ob sie nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB klar und verständlich sind. Die beanstandete Klausel ist also in jedem Fall darauf zu überprüfen, ob für den Verbraucher hinreichend transparent ist, welchen Charakter die erhobene „Pfandgebühr“ hat und dass er ggf. die Rückerstattung verlangen kann.

Die in den Klageanträgen zu 2. und 3. näher bezeichneten Klauseln in Ziffer 7.1 der AGB der Beklagten und im Preisverzeichnis halten der Inhaltkontrolle nicht stand.“