Rechtsnormen: §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2; 3 Abs. 1; 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG

Mit Urteil vom 10.01.2013 (Az. 9 U 922/12) hat das OLG Koblenz entschieden, dass die Werbung eines Warenhauses, wonach Sandalen geeignet seien, Cellulite vorzubeugen, eine gute Haltung zu unterstützen und die Muskulatur zu kräftigen, dann unzulässig ist, wenn die Werbeaussagen nicht wissenschaftlich belegbar seien. An Werbeaussagen mit einer gesundheitsfördernden Wirkung sei ein strenger Maßstab an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit anzulegen.

Zum Sachverhalt:

Beklagte ist ein Warenhaus, das mit einem Prospekt für Fitnesssandalen warb. Es pries die Sandalen damit an, dass diese helfen können, „Cellulite vorzubeugen und die Muskulatur zu kräftigen“, auch „unterstützt (die Sandale) eine gute Haltung“, „runde Sohlenform unterstützt die natürliche Rollbewegung des Fußes die kann helfen, die Muskulatur zu kräftigen“. Weiter wurde durch die Werbung behauptet, die Sandalen sorgten für eine höhere Muskelaktivität in den Beinen und im restlichen Körper.

Die Werbung erachtete ein Wettbewerbsverein als sachlich falsch und damit unzulässig. Er beantragte beim LG Mainz die Unterlassung (Az. 10 HK O 86/11). Das Gericht folgte dem Antrag. Ein Sachverständigengutachten habe ergeben, dass die in der Werbung aufgeführten Effekte wissenschaftlich nicht belegt seien.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Mainzer Landgerichts legte das Warenhaus das Rechtsmittel der Berufung ein. Das OLG Koblenz bestätigte aber nun aber die vorherige Entscheidung.

Nach Ansicht des OLG verstößt die Werbung gegen geltendes Wettbewerbsrecht, da sie irreführend sei. So sei wissenschaftlich nicht erwiesen, dass die Sandalen tatsächlich die beworbenen Effekte zeigen. Hinsichtlich gesundheitsbezogener Werbung sei ein strenger Maßstab an die Richtigkeit der Werbeaussagen anzulegen. So müsse derjenige, der mit gesundheitsbezogenen Produkten werbe, besonders sorgsam hinsichtlich Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbung sein. Vorliegend seien die beworbenen Effekte wissenschaftlich nicht nachgewiesen, mithin werde der Verbraucher getäuscht.

Zur Begründung führt das Gericht aus (Auszug aus dem Urteilsvolltext):

„Die streitgegenständliche Werbung der Beklagten erweist sich als irreführend. Es ist nicht wissenschaftlich erwiesen, dass das Tragen der …

[A] Fitness-Sandalen die Wirkungen zeigt, die von der Beklagten mit der beanstandeten Werbung behauptet werden.

Wird in der Werbung – wie vorliegend – auf die Gesundheit Bezug genommen, sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussage zu stellen (BGH, GRUR 2002, 182).  (…) Gemessen an diesen Kriterien erweist sich die vorliegend beanstandete Werbung der Beklagten als irreführend.

  1. 1.      „kann helfen Cellulite vorzubeugen“

(…) Es wurde von der Beklagten aber nicht wissenschaftlich belegt, dass durch die …[A] Fitness-Sandalen die Muskeln insbesondere im Bereich des Gesäßes und der Oberschenkel, d.h. gerade in den Bereichen aktiviert werden, in denen Cellulite an der Haut vermehrt auftreten kann. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. …[B] belegt die Studie von Prof. Dr. …[C] keinen eindeutigen Effekt in Bezug auf eine erhöhte muskuläre Aktivierung. Eine Kräftigung der Muskulatur mit Hilfe der …[A] Schuhe sei nicht hinreichend belegbar. Die Muskulatur werde weniger durch das Tragen dieser speziellen Schuhe als vielmehr allgemein durch ein vielfältiges Beanspruchen der Muskulatur beim sich Bewegen im Alltag trainiert. (…) Die Formulierung der Werbung „kann helfen …“ erweckt für den angesprochenen Verkehr den Eindruck, dass eine Vorbeugung gegen Cellulite erwartet werden kann. (…) Nach den obigen Feststellungen kann es nicht als wissenschaftlich belegt angesehen werden, dass es durch das Tragen der …[A] Schuhe zu einer positiven Beeinflussung bzw. Verhinderung der Cellulite kommen kann.

  1. 2.      „kann helfen die Muskulatur zu kräftigen“

(…) Die Kernaussage, dass eine Kräftigung der Muskulatur mit Hilfe der …[A] Schuhe erreicht werden kann, ist danach wissenschaftlich nicht ausreichend belegt.

  1. 3.      „runde Sohlenform, unterstützt die natürliche Rollbewegung des Fußes“

Auch diese Werbeaussage ist nicht wissenschaftlich belegt. Nach den Ausführungen des von der Beklagten beauftragten Privatdozenten Dr. …[E], der sich mit den Gutachten von Prof. Dr. …[C] und von Prof. Dr. …[B] auseinander gesetzt hat, gibt es keine wissenschaftliche Definition über das „richtige“ Abrollen des menschlichen Fußes beim Gang. Es existierten verschiedene „Philosophien“, inwiefern der Gang positiv beeinflusst werden könne. Bei Schuhen, welche der „MBT Philosophie“ folgen, solle das Gangbild des Barfußlaufens imitiert werden. Auf sportwissenschaftlich-biomechanischem Fachgebiet lasse sich diese Aussage aber nicht überprüfen.

  1. 4.      Abbildung betreffend eine erhöhte Muskelaktivität der unteren und oberen Beine um bis zu 20 % im unteren Bereich, bis zu 13 % im mittleren Bereich und bis zu 30 % im oberen Bereich.

(…) Diese Angabe kann nach den Ausführungen des Prof. Dr. …[B] nicht nachvollzogen werden.  (…) Der Senat folgt den überzeugenden Feststellungen des Prof. Dr. …[B], dass keine ausreichend fundierte Datenlage besteht, um eindeutig positive Effekte im Sinne einer erhöhten Muskelaktivierung im Umfang der beanstandeten Grafik durch das Tragen der …[A] Schuhe abzuleiten, zumal teilweise signifikant niedrigere Muskelaktivitäten ermittelt wurden. (…)

  1. 5.      „unterstützt eine gute Haltung“

(…) Privatdozent Dr. …[E] führt in seiner Stellungnahme aus, es könne festgestellt werden, dass es deutliche Hinweise dafür gebe, dass das MBT Schuhwerk Haltung im Gang und Stand positiv beeinflusse. Der Begriff „gute Haltung“ sei indes nicht exakt definiert. Prof. Dr. …[B] kritisiere in seinem Gutachten zu Recht, dass sich solch eine Aussage nicht über die vorliegende Studie als „sportwissenschaftlich belegt“ beweisen lasse. Die Haltung beim Tragen des …[A] Schuhes sei nicht Gegenstand des Forschungsauftrages von Prof. Dr. …[C] gewesen. Andere von Privatdozent Dr. …[E] angeführte Studien, die verschiedene Aspekte von Haltung untersucht haben, erscheinen hier nur bedingt verwertbar, da es, wie bereits dargelegt, an einer exakten Definition einer „guten Haltung“ bislang fehlt.

Nach den obigen Feststellungen sind die von der Beklagten behaupteten Werbeaussagen betreffend die …[A] Fitness-Sandalen nicht ausreichend wissenschaftlich belegt.

Die irreführenden Werbeaussagen der Beklagten sind auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

Danach ist die Beklagte verpflichtet, es in Zukunft zu unterlassen, mit den beanstandeten Aussagen weiterhin zu werben.“