Brandaktuell hat der EuGH am 15.04.2010 in der Rechtssache C-511/08 entschieden, dass einem Verbraucher, der im Fernabsatz einen Vertragsabschluss widerruft, nicht die Kosten der Zusendung der Ware auferlegt werden darf.

Zum Sachverhalt:

Das bekannte in Düsseldorf ansässige Versandhandelsunternehmen Heinrich Heine sieht in seinen AGB für den Verbraucher einen pauschalen Versandkostenanteil iHv EUR 4,95 vor. Gemäß seiner Bestimmungen erstattet das Unternehmen diese Kosten auch dann nicht, wenn der Käufer seinen Kauf rechtmäßig widerruft. Hiergegen erhob nun die NRW-Verbraucherzentrale Unterlassungsklage. Sie vertritt die Auffassung, dem Verbraucher dürfen im Falle des Widerrufs keinerlei Kosten für die Hinsendung der Ware auferlegt werden. Letztinstanzlich beschäftigte sich nun der BGH mit dem Fall  und sah im deutschen Zivilrecht keinen ausdrücklichen Anspruch auf Erstattung der Hinsendekosten der bestellten Ware. Aufgrund einiger Zweifel, ob diese Meinung mit der Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Fernabsatzverträgen vereinbar ist, legte das Gericht diese Frage nun dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

Im gestrigen Urteil stellte nun der EuGH fest, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Waren auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt.

Nach Meinung des EuGH haben die Bestimmungen dieser Richtlinie das ausdrückliche Ziel, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten.  Dem widerspreche eine Richtlinienauslegung, nach der es den Mitgliedsstaaten (hier der Bundesrepublik Deutschland) erlaubt wäre, zuzulassen, dass im Widerrufsfall die Kosten der Zusendung zulasen des Verbrauchers gingen. Darüberhinaus stünde eine solche Auslegung einer ausgewogenen Risikoverteilung entgegen, wenn dem Verbraucher neben den Kosten für den Rückversand auch diese für den Hinversand auferlegt würden.

Die Randnummern 55 bis 59 der Entscheidungen stellen abschließend fest:

„… Wie bereits dargelegt, gestattet es Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 dieser Richtlinie dem Lieferer zu, dem Verbraucher im Falle des Widerrufs die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware aufzuerlegen. Sollten dem Verbraucher auch die Kosten für die Zusendung in Rechnung gestellt werden, liefe eine solche Belastung, die zwangsläufig geeignet ist, ihn von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten, der Zielsetzung von Art. 6 der Richtlinie zuwider, (…). Im Übrigen stünde eine solche Belastung einer ausgewogenen Risikoverteilung bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz entgegen, indem dem Verbraucher sämtliche im Zusammenhang mit der Beförderung der Waren stehenden Kosten auferlegt würden. (…) Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt.“ (Rnrn. 55-59)

Kommentar:

Es ist allen Unternehmern, die bisher die Hinsendekosten nicht erstattet haben und/oder in ihren AGB dem Verbraucher auferlegten, dringend anzuraten, zeitnah ihre AGB und Widerrufsbelehrung entsprechend vorliegender EuGH-Entscheidung anzupassen. Ansonsten drohen schon in Kürze Unannehmlichkeiten wie Abmahnungen. Für die Verbraucher ist dieses Urteil demgegenüber sehr erfreulich. Es bereitet nun die Möglichkeit, neben dem Kaufpreis auch geleistete Hinsendekosten zurückzufordern.