Das Berliner Kammergericht vertritt in einer Entscheidung vom 16.04.2013, Aktenzeichen 5 U 63/12, die Rechtsauffassung, dass die Haftungsprivilegierung des § 10 TDG n.F. (§ 10 TMG) auch auf Unterlassungsansprüche Anwendung findet. Bislang war es nach der Rechtsprechung des BGH so, dass die Haftungsprivilegierungen des TMG für Provider nicht auf Unterlassungsansprüche Anwendung finden, sondern dass die allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung greifen. Dies hat zur Konsequenz, dass für fremde Inhalte erst ab Kenntnis gehaftet wird und eine Beseitigungspflicht besteht. Das Kammergericht geht nun jedoch von folgenden Grundsätzen aus:

Der I. Zivilsenat des BGH hat allerdings zumindest früher die Auffassung vertreten, dass dieses Haftungsprivileg auf Unterlassungsansprüche keine uneingeschränkte Anwendung findet (vgl. [BGH, Urt. v. 22.7.2010 – I ZR 139/08, CR 2011, 269 =] Kinderhochstühle im Internet, Rn 26, m.w.N.).

Dem steht die Rechtsprechung des EuGH gegenüber, der bei der Auslegung von Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG, deren Umsetzung § 10 Satz 1, § 7 Abs. 2 TMG dienen, gerade nicht zwischen der Haftung auf Schadensersatz und Unterlassung unterscheidet (vgl. [EuGH, Urt. v. 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08, CR 2010, 318] Google France und Google, Rn 114 ff; [EuGH, Urt. v. 12.7.2011 – C-324/09, CR 2011, 597 m.Anm. Volkmann] L’Oréal/eBay, Rn 107, 108, 139).

Nachdem der BGH (I. Zivilsenat) nunmehr ebenfalls die Haftungsprivilegierung gemäß Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG im Rahmen von Unterlassungsansprüchen erörtert hat (vgl. [BGH, Urt. v. 17.8.2011 – I ZR 57/09, CR 2011, 817 =] – Stiftparfum, Rn 22; BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 18/11, CR 2013, 190 m. Anm. Tinnefeld = Alone in the Dark, Rn 28), wird zum Teil davon ausgegangen, dass der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festhalten will […].

Praxishinweis:

Die Entscheidung des Kammergerichts ist noch nicht rechtskräftig, Revision zum BGH wurde ausdrücklich zugelassen. Es scheint auch so, als wenn das Kammergericht hier ganz bewusst eine Änderung der BGH-Rechtsprechung herbeiführen möchte. Denn der zugrundeliegende Sachverhalt hat eine derartige Auseinandersetzung nicht unbedingt erforderlich gemacht. Auch nach der bisherigen Rechtsprechung hätte das Gericht entscheiden können, dass eine Haftung des Beklagten für die fraglichen Inhalte nicht bestand, da keine eigenen Inhalte vorlagen (kein Zueigenmachen fremder Inhalte), sondern fremde Inhalte und diese nach Abmahnung sofort entfernt wurden.

Es bleibt daher abzuwarten, ob der BGH im Rahmen der Revision seine Rechtsprechung ändert oder ausdifferenziert.

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