Rechtsnormen: §§ 611, 627, 656 BGB

Mit Urteil vom 05.05.2011 (Az. 172 C 28687/10) hat das AG München entschieden, dass bei einem Internet-Vertrag über Partnerschaftsvermittlung die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen gelten.

Zum Sachverhalt:

Anfang 2010 meldete sich der Beklagte bei der Klägerin, einer Partnerschaftsvermittlungsagentur,  die ihre Dienste auf das Internet beschränkt, an. Die Parteien schlossen einen zunächst auf drei Monate befristeten Dienstvertrag. Die Agentur verpflichtete sich mit dem Vertrag u.a. zur Erstellung eines Persönlichkeitsprofils des Beklagten. Zudem sollte dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werden, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten. In Ermangelung einer Kündigung verlängerte sich der Vertrag nach Ablauf der drei Monate automatisch um weitere sechs Monate zum Preis vom EUR 49,90/Monat. Der Vertrag hätte entsprechend der vereinbarten AGB vier Wochen vor Ablauf gekündigt werden müssen, worauf der Beklagte bei Vertragsschluss hingewiesen worden war. Nach Erhalt der Rechnung für die weiteren Monate kündigte der Beklagte den Vertrag und weigerte sich den Preis für den erweiterten Vertragszeitraum zu zahlen. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf eine „außerordentliche Kündigung“ gem. § 627 BGB, da es sich vorliegend um einen Partnerschaftsvermittlungsvertrag und damit um ein „Dienstverhältnis mit besonderer Vertrauensstellung“ handele, was stets außerordentlich kündbar sei. Die Klägerin fordert den vollen Verlängerungspreis iHv EUR 299,40.

Das AG München entschied nun zugunsten der Agentur und erkennt kein außerordentliches Kündigungsrecht des Beklagten, da es sich beim Angebot der Klägerin um keinen „Dienst höherer Art“ handele.

Das Gericht führt aus:

„Es ist zutreffend, dass klassische Partnervermittlungen, also solche bei denen ein Partnerschaftsvermittler auf Grundlage eines persönlichen Kundenkontakts ein persönliches Profil erstellt und im Anschluss Partnerschaftsvorschläge unterbreitet, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als sogenannte Dienste höherer Art eingestuft werden. Dies wird damit begründet, dass die Partnersuche im Wege eines persönlichen Kontakts zwischen dem Vermittler als Person und seinem Kunden zustande kommt, in dessen Rahmen „äußerste Diskretion und ein hohes Maß an Taktgefühl“ (BGH NJW 87, 2808 f.) verlangt wird.

Diese höchstrichterliche Rechtsprechung ist aber gerade nur auf den klassischen Fall der Partnerschaftsvermittlung anzuwenden und nicht auf den Fall einer Onlineplattform. Bei dieser Form der Partnerschaftsvermittlung fehlt es gerade an einem im besonderen Maß an persönlichem Vertrauen zwischen den Vertragspartnern.

Zudem hält bei einer Onlineplattform der Kunde überhaupt keinen persönlichen Kontakt zu den Beratern und kennt die Mitarbeiter seines Vertragspartners nicht persönlich. Die Leistungen von Onlineplattformen basieren auf mathematischen Algorithmen und geschehen vollautomatisiert.

Dabei kann es unbeachtlich bleiben, dass die Klägerin damit wirbt, dass sie eine Partnerschaftsvermittlung ist. Die Klägerin wirbt zu keinem Zeitpunkt und in keinster Weise damit, dass die Partnervorschläge durch einem persönlichen Berater oder Vermittler gemacht werden.

Außerdem ist gerade nicht der Partnervorschlag kostenpflichtig, sondern die Kontaktaufnahme. Es ist aufgrund des Aufbaus der Plattform für den Laien nachvollziehbar, dass am „anderen Ende“ eben nicht eine natürliche Person als Berater und Vermittler sitzt, sondern die Vorschläge vollautomatisiert erstellt werden. Eine freie Beendigungsmöglichkeit ist deswegen auch nicht interessengerecht, da die vorliegende Situation keineswegs vergleichbar ist mit den klassischen Anwendungsfällen des § 627 BGB, etwa der Beziehung zwischen Arzt und Patient bzw. Anwalt und Mandant.

Des Weiteren ist der Anspruch auch einklagbar. § 656 analog BGB kommt nicht zur Anwendung.

Die von der Klägerin angebotene Leistung ist kein „Dienst höherer Art“ im Sinne dieser Vorschrift, da es sich auf der Onlineplattform um automatisierte Vorgänge handelt und wie bereits erläutert das erforderliche persönliche Vertrauensverhältnis fehlt.“

Kommentar:

Anders hätte das Gericht im Falle eines Vertrages über Partnerschaftsvermittlung außerhalb des Internets entschieden, wenn sich die Vertragspartner zuvor persönlich getroffen hätten. In diesem Fall der „klassischen Partnerschaftsvermittlung“ wäre der persönliche Kontakt zwischen Berater und Kunden sowie das Vorschlagen von möglichen Partnern Kernpunkt der Dienstleistung. Hier aber besteht die Dienstleistung in der computergestützten Erstellung eines Persönlichkeitsprofils und dem Zugang zu einer Nutzerdatenbank. Nach Ansicht des Münchener Gerichts stellt dies im Gegensatz zu einer klassischen Partnerschaftsvermittlung gerade keinen „Dienst höherer Art“ dar. Gemäß § 627 BGB sind Dienste höherer Art stets außerordentlich kündbar, so bspw. Verträge zwischen Arzt und Patient oder Anwalt und Mandant, da hier ein besonderes Vertrauensverhältnis verliege. Bei einem computergestützten Datenbankzugang könne hiervon aber keine Rede sein, wodurch dem Beklagten auch keine Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung zustehe.