Am 6.5.2009 fand das Frühjahrstreffen des Arbeitskreises Wettbewerbs- und Markenrecht Westfalen-Lippe e. V. in Dortmund statt. Referent war Herr Dembowski, Richter am OLG Frankfurt a. D. mit dem Thema „Ausgewählte Aspekte des neuen UWG“. Einer der Kernpunkte des Vortrages und der anschließenden Diskussion unter den Teilnehmern war der neue § 5 II UWG zur irreführenden Produktvermarktung:

Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.

Dabei beschäftigten wir uns insbesondere mit der Frage, ob auch dann eine Irreführung vorliegt, wenn es zu einer vom Kennzeicheninhaber oder Hersteller des Originalprodukts erlaubten Verwendung ihres Kennzeichens oder Nachahmung ihres Produktes gekommen ist, z. B. durch Lizenzvergabe. Die Literatur sieht dies derzeit überwiegend als unzulässig an, was aber kein befriedigendes Ergebnis sein kann. Die Konsequenz wäre nämlich, dass Lizenznehmer von Mitbewerbern, Verbänden und Einrichtungen abgemahnt werden könnten, obwohl sie im (Innen-)Verhältnis zum Hersteller/Kennzeicheninhaber rechtmäßig/vertragsgemäß handeln – wovon natürlich die Mitbewerber und Verbände im Zweifel nichts wissen können. Herr Dembowski schlug eine elegante und praktikable Lösung des Problems vor: wenn eine tatsächliche Duldung durch den Kennzeicheninhaber oder Originalhersteller vorliege (z. B. über Lizenzen), könne man die Irreführung der Verbraucher verneinen, da diese zumindest von der allgemeinen Möglichkeit einer z. B. lizenzrechtlichen Duldung ausgingen, auch wenn sie von der konkreten Duldung nichts wüssten. Als Vorbild könne eine Parallele zur Rechtsprechung zum Tatbestand der Irreführung wegen mangelnder Bevorratung dienen (vgl. BGH GRUR 2002, 187 – Lieferstörung). Gestützt wird dieses Auslegungsergebnis auch durch die zugrundeliegende Richtlinie selbst, nämlich Art. 6 II a UGP-RL:

Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und Folgendes beinhaltet:

a) jegliche Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet;

Wenn der Verbraucher von der Lizenzvergabe oder Duldung Kenntnis gehabt hätte, wäre es ihm in Zweifel egal gewesen, ob er das Produkt vom Lizenzgeber oder vom Hersteller/Kennzeicheninhaber erwirbt. Es mangelt dann also an dem Tatbestandsmerkmal „die er ansonsten nicht getroffen hätte“.

Die praktische Bedeutung des neuen § 5 II UWG ist unabhängig davon nicht zu unterschätzen, da er keine wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts verlangt und auch keine besonderen Umstände vorliegen müssen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen. Hieran scheitern häufig Ansprüche aus § 4 Nr. 9 UWG. Wichtig für Lizenznehmer ist in Anbetracht der derzeitig unsicheren Auslegung des § 5 II UWG eine entsprechende Kennzeichnung ihrer Produkte. Aber auch die Lizenzgeber/Originalhersteller müssen sich im Rahmen ihrer Lizenzverträge mit den Lizenznehmern auf die geänderte Rechtslage einstellen.