Rechtsnormen: §§ 22, 23 KUG; §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB; Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 GG

Das Oberlandesgericht Dresden hat mit rechtskräftigem Urteil vom 16.04.2010 (Az. 4 U 127/10) entschieden:

1. Ob die Nacktdarstellung einer Person der Zeitgeschichte auf einem Gemälde die Intimsphäre der abgebildeten Person verletzt, ist durch eine umfassende Abwägung zwischen den berührten Persönlichkeitsrechten der dargestellten Person und den entgegenstehenden Grundrechten des Künstlers jeweils im Einzelfall zu ermitteln.

2. Eine solche Nacktdarstellung kann sodann im Ergebnis zulässig sein, wenn das Bildnis einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstellt. Dabei darf die abgebildete Person jedoch nicht zum bloßen Objekt herabwürdigt werden und es dürfen keine unwahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden.

(Leitsätze des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Es klagte die Dresdner Oberbürgermeisterin Orosz, die mit einem Eilantrag die Veröffentlichung und Verbreitung eines Ölgemäldes einer Dresdner Künstlerin mit dem Titel „Frau Orosz wirbt für das Welterbe“ verbieten lassen wollte. Dieses Bild zeigt Frau Orosz nackt, lediglich mit Strapsen, Strapshaltern und einer Amtskette bekleidet, werbend vor der Waldschlösschenbrücke. Hintergrund dieses Bildes ist das Verhalten der Oberbürgermeisterin als klare Befürworterin des Baus der Waldschlösschenbrücke, deren Bau die Streichung des Dresdner Elbtals als UNESCO-Welterbe zur Folge hatte. Zunächst gab das LG Dresden dem Antrag der Politikerin statt. Nach Ansicht des Gerichts werde durch das Gemälde das Recht am eigenen Bild sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Oberbürgermeisterin verletzt. Die Kunstfreiheit müsse hier zurücktreten, schließlich sei hinsichtlich einer Abbildung des nackten Körpers auch die Intimsphäre von Personen des öffentlichen Lebens und der Zeitgeschichte zu schützen.

Das OLG Dresden entschied nun anders als die Vorinstanz. Es hob das Urteil des LG auf und begründete seine Entscheidung damit, dass das Persönlichkeitsrecht der Oberbürgermeisterin hinter die Kunst- und Pressefreiheit zurückzutreten habe. In diesem Zusammenhang sei das Gemälde nicht nur Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne, sondern zudem auch eine satirische Darstellung eines momentanen politischen Geschehens. Dieses unterliege dem Schutz der freien Meinungsäußerung. Die Richter bemessen der Darstellung der Nacktheit in diesem Zusammenhang einen eigenen satirischen Charakter zu: Es sieht in der Nacktheit eine Allegorie der Unmöglichkeit und Unfähigkeit, den Verlust des UNESCO-Welterbetitels abzuwenden. Durch die verbale Einkleidung sei zudem zu erkennen, dass die Politikerin in Ausübung ihres politischen Amtes und gerade nicht als Privatperson dargestellt wurde. Das OLG stellt abschließend fest, dass das Urteil der Vorinstanz die Satire zu sehr auf den Begriff der Karikatur einenge und dabei die Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes der freien Meinungsäußerung verkenne.

Kommentar:

Vorliegendes Urteil betont, dass die Verbreitung von Nacktbildern als satirische Darstellung auch bei Personen der Zeitgeschichte ohne deren Einwilligung regelmäßig iSv § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zulässig ist. Ähnlich entschied zuletzt auch das OLG München („Klinsmann am Kreuz“). In diesem Zusammenhang ist die Symbolik des Bildes ausschlaggebend. Gemäß BVerfG (NJW 1983, 1415, 1416) muss der Schutz des Betroffenen im Rahmen einer grundrechtlichen Güterabwägung im Einzelfall verstärkt zurücktreten, wenn es sich bei der Darstellung um einen „Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ handelt.