Rechtsnormen: § 13 PBefG; Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG

Mit Beschluss vom 11.10.2010 (Az. 1 BvR 1425/10) hat das BVerfG entschieden, dass eine Nichtverlängerung einer Buslinien-Genehmigung an einen Unternehmer diesen nicht in seinen Grundrechten, insbesondere seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, verletzt.

Zum Sachverhalt:

Ein niedersächsischer Busunternehmer beantragte die Verlängerung einer ihm bis zum 31.12.2006 befristet erteilten Linienverkehrsgenehmigung nach dem PBefG. In Anwendung der Vorgaben aus § 13 PBefG erteilte die zuständige Genehmigungsbehörde schließlich einem Wettbewerber die Genehmigung für die betroffenen Linien und lehnte den Antrag des bisherigen Genehmigungsinhabers ab. Die hiergegen gerichtete Klage wies das zuständige Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. März 2008 ab. Anschließend bestätigte auch das Niedersächsische OVG das erstinstanzliche Urteil.

Nun beschloss abschließend das BVerfG, die vom Kläger eingereichte Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht zuzulassen. Die Verfassungsrichter nennen neben einem Mangel grundsätzlicher  verfassungsrechtlicher Bedeutung des Falles auch Gründe, die zu einer Unbegründetheit der Verfassungsbeschwerde führen:

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten. Wenn sich mehrere Unternehmer um eine Linienverkehrsgenehmigung bewerben, aber nur einer von ihnen die begehrte Genehmigung erhalten kann, dann gewährleistet Art. 12 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 1 GG, dass jeder Bewerber eine faire Chance erhält, entsprechend den in § 13 PBefG geregelten Genehmigungsvoraussetzungen zum Zuge zu kommen. Im Hinblick auf die Berufsfreiheit ist insoweit die Komplementärfunktion des Verfahrens für die Durchsetzung der materiellen Rechte zu beachten. Art. 12 Abs. 1 GG gebietet – unabhängig davon, ob durch die Versagung einer Linienverkehrsgenehmigung lediglich die Berufsausübungsfreiheit berührt wird oder ob im Einzelfall die Berufswahl tangiert ist – eine der Bedeutung der Berufsfreiheit angemessene Verfahrensgestaltung im Vorfeld der Auswahlentscheidung. Zudem erfordert Art. 3 Abs. 1 GG eine der Sicherung des chancengleichen Zugangs zur beruflichen Tätigkeit angemessene Verfahrensgestaltung. Daran gemessen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Genehmigungsbehörde die bei ihr eingehenden Anträge anderen Unternehmen zur Kenntnis gab und diesen die Möglichkeit einräumte, anschließend mit dieser Kenntnis eigene, konkurrierende Anträge zu stellen. Entscheidet sich die Genehmigungsbehörde für eine solche Verfahrensgestaltung, setzt ein chancengleicher Wettbewerb allerdings voraus, dass auch der erste Antragsteller auf die konkurrierenden Anträge reagieren kann, weil er sonst gegenüber den Mitbewerbern ohne sachlichen Grund benachteiligt würde. Eine Möglichkeit zum „Nachbessern“ von Anträgen ist bei dieser Verfahrensgestaltung nicht schlechthin unvereinbar mit einem fairen Wettbewerb. Solange sie allen Prätendenten in gleicher Weise und auf Grundlage eines vergleichbaren Kenntnisstandes eingeräumt wird, ist sie unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit nicht zu beanstanden. Notwendig ist allerdings, dass auch bei Abgabe der jeweils letzten Antragsfassung die gleichen Voraussetzungen gelten. Die Genehmigungsbehörde darf deshalb grundsätzlich nicht zu einem für die Antragsteller nicht vorhersehbaren, beliebigen Zeitpunkt das Auswahlverfahren für beendet erklären, sondern muss in der Regel im Voraus einen Termin zur Abgabe der letzten Antragsfassung festlegen.

Kommentar:

Die Verfassungsrichter machen in ihrer Entscheidung keine Aussagen zu der Frage, inwieweit die Weitergabe von Antragsunterlagen an den Konkurrenten im Einzelfall die durch Art. 12 Abs. 1 GG mitgeschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzen können. Hier sah das Gericht keine hinreichende Substantiierung der Begründung seiner Betroffenheit.