Rechtsnormen: Art. 6, 7, 8, 19, 74, 89 GGV

Der BGH hat mit Urteil vom 22.04.2010 (Az. I ZR 89/08) entschieden:

Für die Ermittlung der Eigenart iSv Art. 6 GGV ist maßgebliches Kriterium die Unterschiedlichkeit der Muster, die in einem Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln ist. Eigentümlichkeit und Gestaltungshöhe sind nicht Voraussetzungen des Schutzes des Gemeinschaftsgeschmacksmusters.

(Leitsatz 1 des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Die Inhaberin verschiedener Gemeinschaftsgeschmacksmuster bzgl. verlängerter Formen von S-Klasse-Wagen klagte gegen eine bekannte Verkäuferin verlängerter und gepanzerter PKW, die auf der Grundlage der Geschmacksmuster der Klägerin hergestellt wurden.  Sie begehrte mit Ihrer Klage Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Demgegenüber sprach die Beklagte den klägerischen Geschmacksmustern ihre Eigenart ab: Zuvor sei ein Geschmacksmuster angemeldet worden, das die Standardversion der S-Klasse betreffe. Darüber hinaus seien die Verlängerungsstücke hinsichtlich der streitigen S-Klasse-Version technisch bedingt. Insgesamt seien die Rechte aus den Klagemustern erschöpft. ´

Nachdem zuvor beide Stuttgarter Vorinstanzen die eingeklagten Ansprüche bejahten, bestätigt nun auch der Bundesgerichtshof diese Urteile:

Demnach verfügen die Klagemuster über die erforderliche Eigenart. Hierfür sei die Unterschiedlichkeit der Muster, die mittels eines konkreten Einzelvergleichs mit bereits vorhandenen Mustern ermittelt werden müssen, maßgebend. Obwohl das Geschmacksmuster der Standardversion zwar bereits vor den Geschmacksmustern der Klägerin (Klagemuster) angemeldet wurde, stehe nach Ansicht der Bundesrichter dies der Eigenart der Klagemuster nicht entgegen. So sei das Geschmacksmuster der Standardversion erst nach dem Prioritätsdatum der Klagemuster bekannt gemacht worden und weise insgesamt einen deutlich erkennbaren anderen Eindruck als die Klagemuster auf. Zusammenfassend trete durch die Veröffentlichung eines Erzeugnisses der Standardversion keine Erschöpfung der Rechte aus den Klagemustern ein.

Kommentar:

Maßgeblich für eine Eigenart eines Geschmacksmusters ist die Unterscheidbarkeit des Musters vom zuvor bekannten Musterschatz. Dies ist anhand eines konkreten Einzelfallvergleichs zu prüfen.

Für die Praxis hat das entscheidende Konsequenzen: Es muss lediglich nachgewiesen werden, dass sich das fragliche Geschmacksmuster im Rahmen des Einzelvergleichs von jedem bisher bekannten Muster unterscheidet. Wenn es also eine Kombination mehrerer bisher bekannter Merkmale enthält, die in der konkreten Kombination bisher nicht vorlagen, ist von einem neuen Muster, mithin einer Eigenart, auszugehen.