Rechtsnormen: §§ 31, 33, 35 UrhG

Mit Urteilen vom 19.07.2012 (Az. I ZR 70/10 und I ZR 24/11) hat der BGH entschieden, dass das Erlöschen einer Hauptlizenz in aller Regel nicht zum Erlöschen daraus abgeleiteter Unterlizenzen führt.

Zum Sachverhalt:

In zwei Verfahren hatte sich der BGH mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Erlöschen einer Hauptlizenz auch zum Erlöschen daraus abgeleiteter Unterlizenzen führt, was insbesondere im Falle einer Insolvenz des Hauptlizenznehmers umstritten und wirtschaftlich von großer Bedeutung ist.

Das erste Verfahren (M2Trade) thematisierte die Nutzungsrechte an einem Computerprogramm. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Programm und räumte einem anderen Unternehmen als Hauptlizenznehmer Nutzungsrechte ein. Der Hauptlizenznehmer räumte einen dritten Unternehmen eine Unterlizenz ein. Wegen ausstehender Lizenzzahlungen kündigte die Klägerin der Hauptlizenznehmerin den Vertrag zum 30.06.2002. Die Unterlizenznehmerin ist in wirtschaftliche Schieflage geraten und musste Insolvenz anmelden. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter.

Wegen der Kündigung des Hauptvertrages ist die Klägerin der Ansicht, dass nicht nur das ausschließliche Nutzungsrecht der Hauptlizenznehmerin an dem Computerprogramm an sie zurückgefallen sei, sondern auch davon abgeleitete Nutzungsrechte einschließlich das der Unterlizenznehmerin eingeräumte einfache Nutzungsrecht. Die weitere Benutzung durch die Beklagte seit dem 01.07.2002 verletzte die Klägerin in ihren Urheberrechten. Daher nahm sie den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Streitgegenstand des zweiten Verfahrens (Take Five) ist das Verlagsrecht an einer Komposition. Klägerin die ist Inhaberin der weltweiten Nutzungsrechte an der Komposition „Take Five“ des Interpreten Paul Desmond. Sie schloss einen Lizenzvertrag über die ausschließlichen Nutzungsrechte auf dem europäischen Markt mit einer Lizenznehmerin ab. Diese räumte schließlich der Rechtsvorgängerin des Beklagten die ausschließlichen Subverlagsrechte für Deutschland und Österreich ein. Bereits 1986 vereinbarten die Klägerin und die Hauptlizenznehmerin die Beendigung ihrer vertraglichen Beziehung betreffend das Stück „Take Five“.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass mit Beendigung des Hauptlizenzvertrages auch die Berechtigung zur Verwendung einer Unterlizenz erloschen sei. Das erstinstanzliche Landgericht München I gab der Klage statt, das Berufungsgericht (OLG München) wies die Klage ab.

Der BGH entschied nun in beiden Verfahren zugunsten der Beklagten und wies die Klagen ab.

Zur Begründung führt das Gericht mit Presseerklärung vom 19.07.2012 aus:

„Der BGH hat bereits mit dem Urteil “Reifen Progressiv” vom 26.03.2009 (I ZR 153/06 – BGHZ 180, 344) in einem Fall, in dem der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen Zahlung einer einmaligen Lizenzgebühr eingeräumt hatte und die Hauptlizenz aufgrund eines wirksamen Rückrufs des Nutzungsrechts durch den Urheber wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erloschen war, entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt. Er hat nunmehr entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz auch in den Fällen nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt, in denen der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren (“M2Tade”) oder ein ausschließliches Nutzungsrecht gegen Beteiligung an den Lizenzerlösen (“Take Five”) eingeräumt hat und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen erlischt – wie hier aufgrund einer wirksamen Kündigung des Hauptlizenzvertrages wegen Zahlungsverzugs (“M2Trade”) oder aufgrund einer Vereinbarung über die Aufhebung des Hauptlizenzvertrages (“Take Five”).

Im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht gelte der Grundsatz des Sukzessionsschutzes (§ 33 UrhG, § 30 Abs. 5 MarkenG, § 31 Abs. 5 GeschmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs. 3 GebrMG). Er besage unter anderem, dass ausschließliche und einfache Nutzungsrechte wirksam bleiben, wenn der Inhaber des Rechts wechselt, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat. Zweck des Sukzessionsschutzes sei es, das Vertrauen des Rechtsinhabers auf den Fortbestand seines Rechts zu schützen und ihm die Amortisation seiner Investitionen zu ermöglichen. Eine Abwägung der typischerweise betroffenen Interessen ergibt, so der BGH, dass das vom Gesetz als schutzwürdig erachtete Interesse des Unterlizenznehmers an einem Fortbestand der Unterlizenz das Interesse des Hauptlizenzgebers an einem Rückfall der Unterlizenz im Falle des Erlöschens der Hauptlizenz in aller Regel überwiegt. Das Interesse des Hauptlizenzgebers sei weitgehend gewahrt, da er den Hauptlizenznehmer nach dem Erlöschen der Hauptlizenz auf Abtretung seines Anspruchs gegen den Unterlizenznehmer auf Zahlung von Lizenzgebühren in Anspruch nehmen kann. Der Fortbestand der Unterlizenz beim Wegfall der Hauptlizenz führe damit nicht zu der unbilligen Konsequenz, dass der nicht mehr berechtigte Hauptlizenznehmer von Lizenzzahlungen des Unterlizenznehmers profitiert und der wieder berechtigte Hauptlizenzgeber leer ausgeht. Der Unterlizenznehmer könne die Ursache für die außerordentliche Auflösung des zwischen dem Hauptlizenzgeber und dem Hauptlizenznehmer geschlossenen Vertrags und die vorzeitige Beendigung des früheren Nutzungsrechts regelmäßig weder beeinflussen noch vorhersehen. Er würde durch den vorzeitigen und unerwarteten Fortfall seines Rechts oft erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden, die sogar zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz führen können, wenn er auf den Bestand der Lizenz angewiesen ist.“