Rechtsnorm: § 78 AMG

Mit Beschluss vom 22.08.2012 (Az. GmS-OGB 1/10) hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden, dass die deutschen Arzneimittel-Preisvorschriften grundsätzlich auch dann zu gelten haben, wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel von einer Versandapotheke mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat an deutsche Endverbraucher abgegeben werden.

Zum Sachverhalt:

Eine in den Niederlanden ansässige Apotheke (Beklagte) bot im Wege des Internet-Versandhandels Medikamente auf dem deutschen Markt an und bewarb diese mit einem Bonussystem, wonach Kunden beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente auf Kassenrezept einen Bonus von 3% des Warenwertes angerechnet werden sollte. Den Kunden wurde unabhängig vom Warenwert ein Bonus von mindestens EUR 2,50 pro Packung eingeräumt. Als Höchstbetrag wurde EUR 15,- pro Packung festgelegt. Dieser Bonus sollte im Rahmen einer nächsten Bestellung verrechnet werden.

Hierin sieht die Klägerin, eine deutsche Wettbewerberin, einen Verstoß gegen die im Arzneimittelrecht festgelegten Preisbindungsvorschriften für verschreibungspflichtige Medikamente und nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Der I. Zivilsenat des BGH, der den Fall zu entscheiden hatte, beabsichtigte, das deutsche Arzneimittelpreisrecht mitsamt der Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente auch für solche Präparate gelten zu lassen, die von deutschen Endverbrauchern via Fernabsatz von ausländischen Apotheken erworben werden.

Allerdings sah sich der BGH in seiner Entscheidung durch eine abweichende Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28.07.2008 (Az. B 1 KR 4/08 – BSGE 101, 161) gehindert, nach der das deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht für Versandapotheken gilt, die aus dem europäischen Ausland Arzneimittel an deutsche Verbraucher schicken.

Daher legte der BGH die Frage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vor.

Der Presseerklärung vom 22.08.2012 ist zu entnehmen, dass der Gemeinsame Senat nun entschied, dass die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen. Dies ergibt sich nach Auffassung des BGH insbesondere aus § 78 Abs. 1 und 2 AMG. Diesem Ergebnis stehe weder primäres noch sekundäres Unionsrecht entgegen. Die deutsche Regelung verstoße nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit. Es handele sich nicht um eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.v. Art. 34 AEUV.