Lebensversicherungsverträge können auf verschiedene Arten zustandekommen. Es gibt das so genannte Policenmodell sowie das Antragsmodell. Beim Policenmodell kommt der Versicherungsvertrag dadurch zu Stande, dass dem Kunden die Versicherungspolice zugeschickt wird und er danach die 1. Prämie zahlt. Beim Antragsmodell ist es so, dass dem Versicherungsnehmer der Versicherungsvertrag vorliegt und er diesen unterschreibt.

Gleiche Rechtsfolgen

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass in beiden Fällen unter bestimmten Voraussetzungen ein ewiges Recht besteht, sich vom Vertrag zu lösen. Der BGH hat dies für das Antragsmodell z.B. im Jahre 2017 entschieden. Die entscheidende Vorschrift ist dabei § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F.

In dem dortigen Verfahren war es auch unproblematisch, dass der Versicherungsnehmer seine entsprechende Erklärung nicht als Rücktrittserklärung sondern als Widerspruch bezeichnet hat. Entscheidend nach der Auffassung des BGH ist der unbedingte Wille, sich vom Vertrag endgültig lösen zu wollen. Dieser kam durch die entsprechende Erklärung ausreichend zum Ausdruck.

Nicht deutlich genug hingegen war die drucktechnische Darstellung des Rücktrittsrechts des Versicherungsnehmers. Dies hatte zur Folge, dass der BGH angenommen hat, eine wirksame Belehrung des Versicherungsnehmers im Bezug auf sein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. liege nicht vor. Hinzu kam, dass die Belehrung in verschiedenen Dokumenten und Abschnitten angegeben worden war.

Kein Rücktrittsrecht bei Einschaltung eines Versicherungsmaklers?

Der Lebensversicherer hatte dann vor Gericht noch argumentiert, dass sich der Versicherungsnehmer auf das Rücktrittsrecht deshalb nicht berufen könne, weil der von ihm eingeschaltete Versicherungsmakler die notwendigen Kenntnisse vom Rücktrittsrecht von Anfang an besessen habe und deshalb die Widerrufsfrist ganz normal zu laufen begonnen habe. Dieses Argument ließ der BGH jedoch nicht gelten. Er führt dazu wie folgt aus:

Eine ordnungsgemäße Rücktrittsbelehrung war nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob d. VN im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Rücktrittsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungs-gemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 15 m.w.N.).

Kein Erlöschen des Rücktrittsrechts durch Zahlung der 1. Prämie

Nach der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. war es ferner so, dass die Widerrufsfrist bzw. das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung der 1. Prämie erlischt. Nach dem Wortlaut wäre in dem vom BGH zu entscheidenden Fall daher das Rücktrittsrecht bereits erloschen. Diese – inzwischen aufgehobene – Vorschrift wird vom BGH jedoch Europa konform teleologisch reduziert. Auf Deutsch: Diese Vorschrift findet insoweit keine Anwendung, das Rücktrittsrecht ist durch Zahlung der Prämien nicht erloschen. Der BGH führt dazu wie folgt aus:

Der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung stand nicht der Ablauf der Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach der das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zah-lung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam, wie der Senat aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 8 VVG a.F. entschieden und im Einzelnen begründet hat (Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 – IV ZR 260/11, VersR 2015, 224 Rn. 20 ff.; vgl. BVerfG WM 2016, 1780).

Keine treuwidrige Ausübung des Rücktrittsrechts

Der Lebensversicherer hat dann noch damit argumentiert, dass die Ausübung des Widerrufsrechts treuwidrig sei, weil die Lebensversicherung jahrelang ordnungsgemäß bedient worden wäre und ein Versicherungsmakler eingeschaltet worden war. Auch diesem Argument erteilte der BGH eine Absage. Verstoß gegen Treu und Glauben (Treuwidrigkeit) kommt nach Auffassung des BGH nur in engen Ausnahmefällen in Betracht. Ein derartiger Fall liege hier nicht vor:

Dies sind keine besonders gravierenden Umstände (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. November 2015 IV ZR 117/15, juris Rn. 17 und vom 27. Januar 2016 aaO Rn. 16), die im Ausnahmefall auch dem nicht ordnungsgemäß belehrten VN die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren können (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2016 – IV ZR 425/14, juris Rn. 14).

Keine analoge Anwendung des Fernabsatzrechts

Schließlich erteilt der BGH auch einer analogen Anwendung des Verlagsrechts eine Absage. Es geht dabei um eine Spezialvorschrift, die nach Auffassung des BGH jedoch für Lebensversicherungsverträge keine Anwendung findet, da der besondere europarechtliche Schutz von Lebensversicherungsverträgen Vorrang hat:

Damit verbleibt kein Raum für die von der Beklagten angestrebte Lückenfüllung mittels analoger Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. Durch einen da-mit verbundenen vollständigen Ausschluss des Rücktrittsrechts würde die richtlinienkonforme teleologische Reduktion des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. unterlaufen, was mit dem europarechtlichen Effektivitätsgebot unvereinbar wäre.

Berechnung der Nutzungen (Zinsen)

Nach einem Rücktritt des Versicherungsnehmers Steht diesem im Grundsatz ein Anspruch auf Erstattung der Prämien sowie Zahlung von Nutzungsersatz, also Zinsen, auf diese zu. Von den gezahlten Prämien sind bestimmte Abzüge zu machen. Die Zinsen sind auch nicht auf alle Positionen zu zahlen. Dies erläutert der BGH in seinem Urteil im einzelnen

Auch nach § 346 Abs. 1 BGB sind – ebenso wie nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB – nur die Nutzungen herauszugeben, die vom Schuldner tat-sächlich gezogen wurden (vgl. Senatsurteile vom 11. November 2015 IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 41; vom 29. Juli 2015 IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 46; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 51; jeweils m.w.N.). Zudem können bei der Bestimmung der gezoge-nen Nutzungen die gezahlten Prämien nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden (Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 41 ff.). Nutzungen aus dem Risikoanteil, der dem Versicherer als Wertersatz für den von d. VN faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt, stehen d. VN nicht zu (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 42). Der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil bleibt für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 44 f.). Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann nicht vermutet werden, dass der Versicherer Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat. Der insoweit darlegungsbelastete VN kann sich nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe etwa wie hier in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz stützen (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 46 ff.). Weiterhin kann nicht vermutet werden, dass der Versicherer aus den Sparanteilen der vom Versicherungsneh-mer gezahlten Prämien einen entsprechenden Gewinn erzielt hat (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 52). Insoweit fehlt es auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Anschlussrevision an aus-reichendem Vortrag d. VN.

Besonders wichtig ist der Hinweis des Gerichts, wonach die vom Versicherungsunternehmen gezogenen Nutzungen substantiiert nachgewiesen werden müssen. Anders als beim Widerruf von Darlehensverträgen reicht es daher nicht aus, zunächst auf die gesetzliche Vermutung einer Verzinsung i.H.v. 2,5 Prozentpunkten oder 5 Prozentpunkten über dem Basiszins zu verweisen. Es ist eine konkrete Berechnung der Rendite des jeweiligen Versicherungsunternehmens in dem fraglichen Zeitraum notwendig. Daran scheiterte es in dem vom BGH entschiedenen Fall. Aus diesem Grunde wurde die Klage teilweise abgewiesen. Der Versicherungsnehmer hat daher zwar unter Berücksichtigung entsprechender Abzüge seine eingezahlten Prämien zurückerhalten. Auch die Verwaltungskosten und Abschlussprovisionen sind grundsätzlich zu erstatten. Was den Widerruf bzw. Rücktritt bei Lebensversicherungen jedoch besonders interessant macht, sind gerade die Nutzungen/Zinsen, die der Versicherungsnehmer auf die von ihm gezahlten Prämien verlangen kann. Es ist daher von besonderer Bedeutung, diesen Anspruch bei Gericht substantiiert vortragen zu können. Die Kanzlei Dr. Graf hat Zugriff auf eine entsprechende Datenbank. Damit haben Mandanten die notwendigen Fakten zur Hand, um Ihre Ansprüche konsequent durchsetzen zu können.

Urteil vom 25. Januar 2017 – IV ZR 173/15 

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