In mehreren News hatte ich über das Widerrufsrecht bei Lebensversicherungsverträgen berichtet. Aus dem Widerruf ergibt sich für den Kunden auch viele Jahre nach Abschluss des Lebenversicherungsvertrages ein Recht zur Rückabwicklung. Dieses besteht selbst dann, wenn bereits eine Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswerts erfolgt sind.

Die Geltendmachung dieser Rechte setzt natürlich logischerweise voraus, dass der Kunde überhaupt weiß, dass ihm ein Widerrufsrecht immer noch zusteht. In vielen Fällen wird der Vertrag über einen Versicherungsmakler zustande gekommen sein. Es stellt sich nun die Frage, ob dieser verpflichtet ist, die von ihm betreuten Kunden auf die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs hinzuweisen, damit die Kunden darüber nachdenken können, ob sie tatsächlich noch Widerspruch einlegen wollen.

BGH: Betreuungspflicht des Versicherungsmaklers

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Versicherungsmakler verpflichtet, den Versicherungsnehmer auch nach Abschluss des Versicherungsvertrages weiter zu betreuen (BGH, Urteil vom 14.01.2016, Az. I ZR 107/14). Das bedeutet, dass der Versicherungsmakler verpflichtet ist, den von ihm betreuten Versicherungsnehmer auch ungefragt auf etwaigen Anpassungsbedarf hinzuweisen. Die Rechtsprechung nennt den Versicherungsmakler auch den treuhänderischen Sachwalter des von ihm betreuten Versicherungsnehmers.

Der Versicherungsmakler muss natürlich nicht allwissend sein. Allerdings ist im Bereich des Versicherungsrechts der Fall des europäischen Gerichtshofs vom 19.12.2013 – Walter Endress – vielfach in Zeitungen, im Internet und auch auf Vortragsveranstaltungen besprochen worden. Dabei handelt es sich um die Grundlagenentscheidung für die Frage des Widerspruchsrechts bei Lebensversicherungen. Man wird diese Entscheidung und die damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen zum Grundwissen aller Versicherungsmakler zählen können.

Daraus kann man die Pflicht des Versicherungsmaklers ableiten, seine von ihm betreuten Kunden auf das Widerrufsrecht hinzuweisen. Ob dieses dann im Einzelfall sinnvollerweise ausgeübt werden soll, ist dann eine zweitrangige Frage. Dabei kommt es auf Einzelheiten an.

Haftung des Versicherungsmaklers: Schadensersatz

Wenn somit feststeht, dass es eine Hinweispflicht des Versicherungsmaklers gibt, stellt sich die Anschlussfrage, ob er dem Kunden auf Schadensersatz haftet, wenn er den Hinweis auf das Widerrufsrecht nicht erteilt. In vorherigen News hatte ich in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Kunde in vielen Fällen ganz erhebliche Nachzahlungs- bzw. Erstattungsansprüche gegenüber dem Lebensversicherer besitzt, wenn er den Vertrag widerruft.

Nach § 63 VVG ist der Versicherungsmakler den betreuten Kunden zum Ersatz des Schadens verantwortlich, der ihm durch den nicht erfolgte Hinweis auf das potentielle Widerrufsrecht entsteht. Der Versicherungsmakler kann sich auch nicht damit herausreden, dass er nicht nachgewiesen sei, dass der Kunde bei einer entsprechenden Beratung auch tatsächlich von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hätte. Denn hier gilt – wie im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts – die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (BGH, Urteil vom 23.10.2014, Az. III ZR 82/13). Man geht davon aus, dass der Kunde vernünftig handelt und von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, wenn dies für ihn günstig ist. Der Versicherungsmakler müsste daher beweisen, dass der Kunde sich über seine Empfehlung zum Widerruf hinweggesetzt hätte. Dieser Beweis wird ihm im Zweifel nicht möglich sein. Daher besteht eine sehr gute Ausgangsbasis für den Kunden in diesem Fall Versicherungsmakler haftbar zu machen.

Allerdings wird die Angelegenheit für den Versicherungsmakler nicht ganz so dramatisch sein. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH gilt für die Versicherungsverträge in dem fraglichen Zeitraum von 1994-2007, dass bei einer nicht erfolgten oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ein unendliches Widerrufsrecht gilt. Nur in äußersten Extremfällen ist es denkbar, dass dieses nicht mehr ausgeübt werden kann, weil es verwirkt wäre.

Dennoch macht es bei einem betreuten Versicherungskunden sicherlich einen guten Eindruck, wenn der Versicherungsmakler von sich aus auf eine Möglichkeit hinweist, eine höhere Rendite aus dem Versicherungsvertrag zu erzielen, insbesondere wenn dieser bereits gekündigt ist und nur der Rückkaufswert erstattet wurde.

Die Kanzlei Dr. Graf vertritt Mandanten beim Widerruf von Lebensversicherungsverträgen.

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