Rechtsnormen: Art. 8 Abs. 1, Abs. 4 GMV

Mit Urteil vom 19.05.2011 (Az. T-580/08) hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden, dass im Bereich der Bekleidungsindustrie zwischen den Marken „PEPE“ und „PEPE Jeans“ sowie der Marke „PEPEQUILLO“ Verwechselungsgefahr besteht.

Zum Sachverhalt:

Streitgegenstand war die Frage, ob zwischen den älteren Marken „PEPE“ und „PEPE Jeans“ sowie der Gemeinschaftsmarkenanmeldung „PEPEQUILLO“ eine Verwechselungsgefahr gemäß Art. 8 Abs. 1 GMV besteht. Nachdem die Widerspruchsabteilung des HABM dem Widerspruch der Klägerin, die Inhaberin der Marken „PEPE“ und „PEPE Jeans“ ist, zunächst stattgab, wies die Erste Beschwerdekammer den Widerspruch zurück. Das EuG hob die Entscheidung der Beschwerdekammer nun auf und bestätigt somit die Rechtmäßigkeit des Widerspruchs der Klägerin.

Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnehme, aber nicht auf Einzelheiten achte. Bei einer Zerlegung des Wortzeichens in seine Einzelwortbestandteile könne es durchaus sein, dass beispielweise der spanische Durchschnittsverbraucher, auf den es hier ankomme, das Zeichen in „pepe“ und „quillo“ aufteile, da er diese Begriffe verstehe. So bedeute „pepe“ eine Verkleinerungsform des Vornamens „José“ und „quillo“ sei eine Abkürzung des Wortes „chiquillo“; beide Bestandteile zusammen bedeuten also „Pepe, der kleine Junge“. Obwohl der Begriff „PEPEQUILLO“ als solcher keine Bedeutung habe, könne der spanische Durchschnittsverbraucher daher ein Wortspiel mit der älteren Marke annehmen.

Darüber hinaus genießt die Marke „PEPE“ wenigstens im spanischen Raum eine gewisse Wertschätzung und habe dort erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt, die aufgrund der Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Wortzeichen eine Verwechselungsgefahr begründe. Zusätzlich bestehe gerade im Bereich der Textilindustrie die Gefahr, dass infolge der Wertschätzung der älteren Marken „PEPE“ und „PEPE Jeans“ die beantragte Marke „PEPEQUILLO“ unter Verstoß gegen geltendes Recht die Wertschätzung der älteren Marken ausnutzt. So ziehe „PEPEQUILLO“ möglicherweise Verbraucher an, die tatsächlich Interesse an den ihn bekannten Marken „PEPE“ und „PEPE Jeans“ hätten.

Hier die Begründung im Wortlaut:

„Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Randnr. 20 der Entscheidung in der Sache ausgeführt, dass sich „die Marke PEPEQUILLO … [von der älteren Marke PEPE] sowohl im Bild als auch im Klang [unterscheidet], da sie viel länger ist und die Betonung auf der [dritten] Silbe … liegt“. Der Ausdruck „pepe“ erscheint am Anfang des Zeichens PEPEQUILLO. Außerdem unterscheidet sich das Zeichen PEPEQUILLO zwar vom älteren Zeichen PEPE aufgrund seiner letzten beiden Silben, die länger sind als seine ersten beiden Silben, und von allen älteren Zeichen dadurch, dass es aus einem einzigen, vergleichsweise langen Wort gebildet wird, während die anderen älteren Zeichen in der Regel aus einem kurzen Wort bestehen, wie das Zeichen PEPE, oder aus zwei Wörtern, wie das Zeichen PEPE JEANS; dies ist jedoch nicht entscheidend, um jede bildliche Ähnlichkeit auszuschließen, da nach ständiger Rechtsprechung der Verbraucher dem Anfang einer Marke im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit widmet als deren Ende (Urteile des Gerichts vom 7. September 2006, Meric/HABM – Arbora & Ausonia [PAM-PIM’S BABY-PROP], T-133/05, Slg. 2006, II-2737, Randnr. 51, und vom 25. März 2009, L’Oréal/HABM – Spa Monopole [SPA THERAPY], T-109/07, Slg. 2009, II-675, Randnr. 30). Zudem besteht unter den älteren Zeichen das ältere Zeichen PEPECO aus dem Ausdruck „pepe“, an den das Suffix „co“ angehängt ist, was ihm eine Struktur ähnlich der des Zeichens PEPEQUILLO gibt. Festzuhalten ist somit, dass der bildliche Eindruck, den die angemeldete Marke hinterlässt, dem der älteren Marke entspricht. Deshalb besteht zwischen den fraglichen Zeichen in bildlicher Hinsicht ein mittlerer Ähnlichkeitsgrad. Was den Vergleich des Klangs der fraglichen Zeichen angeht, genügt die unterschiedliche Zahl von Silben nicht, um eine klangliche Ähnlichkeit zwischen den Zeichen auszuschließen (Urteil des Gerichts vom 28. Oktober 2010, Farmeco/HABM – Allergan [BOTUMAX], T-131/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall sind die ersten beiden Silben der fraglichen Zeichen identisch und werden gleich ausgesprochen. Zwar liegt die Betonung im Zeichen PEPEQUILLO auf der dritten und in den älteren Zeichen auf der ersten Silbe, doch reicht das nicht aus, um jede klangliche Ähnlichkeit zu verneinen. Deswegen ist zumindest ein geringer Grad der Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Zeichen in klanglicher Hinsicht festzustellen. Was den Vergleich der Bedeutung der fraglichen Zeichen betrifft, sind der Durchschnittsverbraucher der Gemeinschaft, mit Ausnahme des spanischen Durchschnittsverbrauchers, als der Teil der angesprochenen Verkehrskreise, für den ein solcher Vergleich irrelevant ist, da die Wörter „pepe“ und „quillo“ für ihn nichts bedeuten, einerseits und der spanische Durchschnittsverbraucher, für den sie eine Bedeutung haben können, andererseits zu unterscheiden. Obwohl das Zeichen PEPEQUILLO als solches keine Bedeutung hat, da es kein geläufiger Name ist, kann es sein, dass der spanische Durchschnittsverbraucher es im Einklang mit der in Randnr. 74 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung in zwei Ausdrücke aufteilt, die für ihn eine Bedeutung haben, nämlich die Wörter „pepe“ und „quillo“. Einzeln betrachtet haben diese beiden Ausdrücke nämlich eine genaue Bedeutung für die spanischen Verbraucher: Das Wort „pepe“ ist die Verkleinerungsform des Vornamens „José“, und der Ausdruck „quillo“ ist die familiäre Abkürzung des Wortes „chiquillo“. Auch wenn, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 20 der Entscheidung in der Sache ausführt, die geläufigen Verkleinerungsformen von „Pepe“ die Ausdrücke „pepito“ und „pepillo“ sein sollten, lässt sich somit nicht ausschließen, dass der spanische Durchschnittsverbraucher glauben könnte, dass das Zeichen PEPEQUILLO „Pepe, der kleine Junge“ bedeutet. Folglich kann der spanische Durchschnittsverbraucher zu dem Gedanken veranlasst werden, dass ein Wortspiel vorliegt, mit dem die angemeldete Marke aus der Verkleinerungsform „Pepe“ gebildet worden ist, wie es für die älteren Marken der Fall ist. Die in Rede stehenden Zeichen sind daher in Bezug auf ihre Bedeutung ähnlich. Somit haben die fraglichen Zeichen Ähnlichkeit in Bild, Klang und Bedeutung. (…) Im vorliegenden Fall hat die Klägerin als Anlage zur Klageschrift eine Tabelle der in Spanien getätigten Ausgaben für Werbung und eine Tabelle der in Spanien erzielten Verkäufe vorgelegt, die alle beide mit dem Zeichen PEPE JEANS LONDON überschrieben sind, um die Wertschätzung ihrer Marke nachzuweisen. Darüber hinaus hat die Klägerin als Anlagen zur Klageschrift auch verschiedene Dokumente eingereicht, mit denen der Ruf der Marken PEPE und PEPE JEANS nachgewiesen werden soll, darunter Bescheinigungen spanischer Handelskammern und Entscheidungen spanischer Gerichte. Aus diesem Grund genießt die Marke PEPE eine gewisse Wertschätzung, zumindest beim spanischen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, und hat dadurch eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangen können. Nach der Rechtsprechung kann eine Marke nämlich, wenn sie aufgrund der ihr innewohnenden Eigenschaften keine Kennzeichnungskraft hat, diese infolge ihres Rufs erworben haben (vgl. Urteile des Gerichts vom 4. November 2003, Díaz/HABM – Granjas Castelló [CASTILLO], T-85/02, Slg. 2003, II-4835, Randnrn. 43 und 44, und vom 15. September 2009, Royal Appliance International/HABM – BSH Bosch und Siemens Hausgeräte [Centrixx], T-446/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 58). Im vorliegenden Fall ist der Ausdruck „pepe“ zwar vergleichsweise geläufig in Spanien und als solcher nicht mit bedeutender Kennzeichnungskraft ausgestattet, doch hat er dank der Wertschätzung der Marke erhöhte Kennzeichnungskraft erlangen können. Zudem ist der Ruf der Marke PEPE von der Streithelferin in ihrer Klagebeantwortung ausdrücklich eingeräumt und vom HABM in verschiedenen Entscheidungen, die im Anhang zur Klageschrift vorgelegt worden sind, anerkannt worden.