Rechtsnormen: §§ 15 Abs. 2, 23 Nr. 1, 26 Abs. 1, Abs. 3, 49 Abs. 1, 51 Abs. 1, 55 Abs. 1 MarkenG

Mit Urteil 14.04.2011 (Az. I ZR 41/08) hat der BGH entschieden:

1. Haben die Parteien ihre gleichlautenden Unternehmenskennzeichen jahrzehntelang unbeanstandet nebeneinander benutzt und besteht deshalb eine kennzeichenrechtliche Gleichgewichtslage, auf die die Grundsätze des Rechts der Gleichnamigen anzuwenden sind, kann nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen eine Partei die Unternehmensbezeichnung auch als Marke eintragen lassen. Das allgemeine Interesse der Partei an einer zweckmäßigen und wirtschaftlich sinnvollen markenmäßigen Verwendung der Unternehmensbezeichnung reicht hierzu nicht aus.

2. Eine kennzeichenrechtliche Gleichgewichtslage wird im Regelfall auch dann in unzulässiger Weise gestört, wenn eine Partei bereits über eine markenrechtliche Position verfügt und diese durch weitere Markeneintragungen verfestigt. Darauf, ob die zusätzlich eingetragenen Marken den kennzeichnenden Charakter der bereits vorhandenen Marken im Sinne von § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nicht verändern, kommt es nicht an.

3. Der Schutz des Unternehmenskennzeichens setzt nicht voraus, dass die kollidierende Bezeichnung firmenmäßig benutzt wird; eine Verwendung als Produktkennzeichnung kann für eine rechtsverletzende Benutzung im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG genügen.

(amtliche Leitsätze)

Zum Sachverhalt:

Die Parteien sind rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängig, betreiben aber unter derselben Firma „Peek & Cloppenburg KG“ Bekleidungshäuser, die Klägerin im norddeutschen Raum  (Hauptsitz in Hamburg) und die Beklagte (Hauptsitz in Düsseldorf) insbesondere im west- und süddeutschen Raum. Die Klägerin führt ihren Namen bereits seit 1911, die Beklagte jedenfalls seit 1972. Zuletzt 1990 vereinbarten die Parteien, dass sie nicht in dem zuvor bezeichneten regionalen Gebiet der jeweils anderen Partei tätig sein werden. Vorliegend begehrt die Klägerin die Löschung von insgesamt neun eingetragenen Wortmarken der Beklagten unter Berufung auf ihr prioritätsälteres Unternehmenskennzeichen, u.a. die für Bekleidung eingetragenen Wort-/Bildmarken „Peek“ und „Peek & Cloppenburg“ sowie mehrere Varianten der letztgenannten Marke mit „und“ bzw. „and“. Diese Marken sind auch für weitere Waren geschützt. Inzwischen war die Benutzungsschonfrist abgelaufen.

Nachdem die Klage sowohl in erster als auch in zweiter Instanz abgewiesen worden war, führt die Revision beim BGH nun zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Rückverweisung.

Nach Ansicht der Bundesrichter sei kein Verfall der angegriffenen Marken eingetreten. Die Marke „Peek & Cloppenburg“ werde durch die Etikettierung von Bekleidung mit dem Label „Eduard Dressler designed for Peek & Cloppenburg“ rechtserhaltend benutzt. Auch der Zusatz „Eduard Dressler designed for“ führe nicht zu einer Veränderung des kennzeichnenden Charakters, vielmehr führe er zur Begründung einer Zweitmarke.  Die Bezeichnung „Peek & Cloppenburg“ sei hier als Herkunftshinweis zu verstehen und nicht nur als Unternehmenskennzeichen. Auch der Verkehr sei insbesondere in der Modebranche an „Hausmarken“ gewöhnt. Auch die Marke „Peek“ sei durch die Verwendung der Marke „PC Peek“ rechtserhaltend benutzt. Der Verkehr betrachte beide Elemente getrennt. Der Begründung des vorinstanzlichen OLG Düsseldorf, die Löschung scheitere an der seit 1972 bestehenden Gleichgewichtslage zwischen den Parteien, folgt der BGH jedoch nicht. Vielmehr verweist das Bundesgericht auf seine Entscheidung „Caren Pfleger“ aus dem Jahr 1991. Damals wurde festgestellt, dass ein Gleichgewicht durch die Eintragung zusätzlicher neuer Marken gestört werde. Das Gericht führt hierzu aus:

„Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine die Koexistenzlage prägende markenrechtliche Position durch weitere Markeneintragungen verfestigt werden darf, sofern diese Eintragungen den Maßstäben einer rechtserhaltenden Benutzung im Sinne des § 26 Abs. 3 MarkenG genügen. Dieser rein schematische Ansatz steht nicht mit der Senatsrechtsprechung in Einklang, wonach nur besondere, gewichtige Gründe die Eintragung (weiterer) Marken rechtfertigen können (vgl. BGH, GRUR 1991, 475, 478 – Caren Pfleger). Im Regelfall stellt jede weitere Anmeldung einer Marke durch einen Gleichnamigen, auch wenn sie in ihrem kennzeichnenden Charakter einer bereits eingetragenen Marke im Sinne des § 26 Abs. 3 MarkenG entspricht, eine Vermehrung von – jeweils für sich genommen verkehrsfähigen (§§ 27, 30 MarkenG) – Zeichenrechten dar, die die Gleichgewichtslage stören oder eine bereits eingetretene Störung intensivieren kann (dazu auch Scholz, GRUR 1996, 679, 688). Dies gilt erst recht, wenn – wie hier im Hinblick auf die Marken „Peek & Cloppenburg“, „peek und cloppenburg“ und „peek and cloppenburg“ – Firmenschlagworte in Alleinstellung oder in Abwandlungen als Marken eingetragen werden. Änderungen in Richtung auf eine zunehmende Benutzung als Schlagwort sowie die Hervorhebung des übereinstimmenden Firmenbestandteils müssen in der Regel keiner der Gleichnamigen dulden, da sie den Eindruck einer Allein- oder Vorrangstellung gegenüber dem anderen erzeugen (Ingerl/Rohnke aaO § 23 Rn. 42 mwN). Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass durch die Eintragung der angegriffenen Marken für Bekleidungsstücke eine nachteilige Veränderung der Gleichgewichtslage nicht eingetreten ist. Es hat angenommen, dass durch die beanstandeten Marken „Peek“, „Peek & Cloppenburg“, „peek und cloppenburg“ sowie „peek and cloppenburg“ der kennzeichnende Charakter der älteren Wortmarke „Man kauft gut bei Peek & Cloppenburg“ nicht verändert worden ist. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Abweichungen der Marken 1 bis 9 lassen den kennzeichenden Charakter der Marke „Man kauft gut bei Peek & Cloppenburg“ nur dann unberührt, wenn der Verkehr die abweichend benutzten Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in den benutzten Formen noch dieselbe Marke sieht (BGH, GRUR 2009, 772 Rn. 39 – Augsburger Puppenkiste; GRUR 2010, 729 Rn. 17 – MIXI). Darauf, ob ein einzelner Zeichenbestandteil eines zusammengesetzten Zeichens für sich genommen über Unterscheidungskraft verfügt, kommt es für die Beurteilung des kennzeichnenden Charakters eines zusammengesetzten Zeichens ebenso wenig an, wie auf die Frage, durch welche Bestandteile ein zusammengesetztes Zeichen geprägt wird (BGH, GRUR 2009, 772 Rn. 45 – Augsburger Puppenkiste, mwN). Auch Elemente ohne eigene Unterscheidungskraft können deshalb in Kombination mit der Marke deren kennzeichnenden Charakter verändern. Maßgeblich ist nicht die markenrechtliche Schutzfähigkeit eines Bestandteils, sondern seine Bedeutung für den kennzeichnenden Charakter der Verbindung, die er mit der Marke eingeht (Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 100). Nach diesen Grundsätzen kann der Bestandteil „Man kauft gut bei“ entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht allein aufgrund seines beschreibenden Gehalts vernachlässigt werden. Durch die Verknüpfung der Angabe „Man kauft gut bei“ mit dem namensmäßigen Bestandteil „Peek & Clop-penburg“ entsteht vielmehr der Gesamteindruck einer einheitlichen Sachaussage nach Art eines Werbeslogan (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – C-398/08 P, GRUR 2010, 228 Rn. 45, 56 – Audi [Vorsprung durch Technik]). Der Verkehr hat deshalb keine Veranlassung, das Gesamtzeichen „Man kauft gut bei Peek & Cloppenburg“ zergliedernd zu betrachten und den kennzeichnenden Charakter des Gesamtzeichens allein in dem namensmäßigen Bestandteil zu sehen. Ist danach schon der kennzeichnende Charakter der Marken „Peek & Cloppenburg“ gegenüber der Marke „Man kauft gut bei Peek & Cloppenburg“ nicht unverändert, so gilt dies erst recht im Hinblick auf die Marken „peek und cloppenburg“, „peek and cloppenburg“ und „Peek“.“

Kommentar:

Mit diesem Urteil bestätigt der BGH seine frühere Rechtsprechung hinsichtlich neuer Markenanmeldungen bei Gleichnamigen, die in langjährigen Gleichgewichtslagen agieren. Demnach  wird die Gleichgewichtslage regelmäßig gestört, wenn eine Partei bereits über eine markenrechtliche Position verfügt und diese durch weitere Markeneintragungen verfestigt. Daher sollten Unternehmen in vergleichbarer Position sehr vorsichtig hinsichtlich neuer Markenanmeldungen sein. Die Kanzlei Dr. Graf berät Sie bei Fragen hierzu gerne und ausführlich.