Rechtsnormen: §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 23, 24, 97 Abs. 2 UrhG

Mit Urteil vom 17.07.2013 (Az. I ZR 52/12) hat der BGH entscheiden, dass durch die Verwendung von Fotos mit einem „Pippi-Langstrumpf“-Kostüm verkleideter weiblicher Personen die Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Werke von Astrid Lindgren nicht in ihrem Urheberrecht verletzt werde. Über mögliche Verstöße gegen Wettbewerbsrecht wurde noch nicht entschieden.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen Schaffen der 2002 verstorbenen Kinderbuchautorin Astrid Lindgren zu sein. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte, eine große Einzelhandelskette, verstoße mit ihrer Werbung für „Pippi-Langstrumpf“-Kostüme gegen ihre urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Zwecks Werbung nutzte die Beklagte Anfang 2010 Bilder eines fünfjährigen Mädchens und einer jungen Frau, die sich als „Pippi Langstrumpf“ verkleideten. Das Werbeprospekt wurde bundesweit aufgelegt; das Kostüm wurde mehr als 15000 mal verkauft. Die Klägerin fordert von der Beklagten Schadensersatz iHv 50000 Euro als fiktive Lizenzgebühr.

Nachdem sowohl das erstinstanzliche LG Köln (Urt. v. 10.08.2011 – 28 O 117/11 = ZUM 2011, 871) als auch das Berufungsgericht (OLG Köln, Urt. v. 24.02.2012 – 6 U 176/11 = ZUM-RD 2012, 256) der Klage antragsgemäß stattgegeben hatten, lag die Sache dem BGH zur Entscheidung vor. Die Vorinstanzen entschieden, die Figur „Pippi Langstrumpf“ genieße Urheberschutz als Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Die Werbeabbildungen der Beklagten seien unfreie Bearbeitungen der urheberrechtlich geschützten Figur (§ 23 UrhG).

Der BGH hob die Berufungsentscheidung nun auf. Hinsichtlich der auf das Urheberrecht gestützten Ansprüche wies der Bundesgerichtshof die Klage ab. Bezogen auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche verwies der BGH die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, da hierüber zuvor noch nicht entschieden wurde.

Mit seiner Presseerklärung vom 18.07.2013 führt der BGH zu den Gründen aus (Volltext liegt noch nicht vor):

„Der BGH hat angenommen, dass die von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der „Pippi Langstrumpf“ als Sprachwerk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Urheberrechtsschutz genießt. Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven Charakters sei es, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dies sei bei der Figur der „Pippi Langstrumpf“ der Fall. Schon die äußeren Merkmale fielen aus dem Rahmen (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten sind, eine Nase voller Sommersprossen, die die Form einer kleinen Kartoffel hat, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu große Schuhe). Dazu träten ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz schwieriger familiärer Verhältnisse sei Pippi Langstrumpf stets fröhlich; sie zeichne sich durch eine ausgeprägte Furcht- und Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und verfüge über übermenschliche Kräfte.

Allerdings fehlt es nach Auffassung des BGH im Streitfall an einer Verletzung des Urheberrechts. Zwar erkenne der Betrachter, dass es sich bei den Figuren in der Werbung der Beklagten um Pippi Langstrumpf handeln soll. Das ändere aber nichts daran, dass diese in der Werbung verwendeten Figuren nur wenige Merkmale übernehmen, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf maßgeblich sind. Der Schutz einer literarischen Figur als Sprachwerk komme in Betracht, wenn diese Figur durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird. Das Urheberrecht an einer solchen Figur werde nicht schon dadurch verletzt, dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen werden, die für sich genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe die Beklagte für die Figuren in den angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und – ganz allgemein – den Kleidungstil der Pippi Langstrumpf übernommen. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügten aber nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu begründen und nähmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.“