Mit aktuellem Urteil vom 12.07.2011 (Az. C-324/09) präzisiert der EuGH die Verantwortlichkeit von Betreibern eines Internet-Marktplatzes (eBay) für die von Nutzern hervorgerufenen Verletzungen von Markenrechten. Der EuGH betont mit seinem Urteil die Pflicht der EU-Mitgliedsstaaten zur Schaffung und Durchsetzung eines in sich schlüssigen Regelwerkes zum Schutz des geistigen Eigentums, dessen Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen und es dabei aber den Wettbewerb nicht behindern darf.

Zum Sachverhalt:

Der Kosmetik- und Parfum-Hersteller L’Oréal, der über ein geschlossenes Vertriebssystem, in dessen Rahmen Vertragshändler keine Produkte an Nichtvertragshändler liefern dürfen, verfügt, wirft dem Internetauktionshaus eBay die Beteiligung an Markenrechtsverstößen vor, die eBay-Nutzer auf der eBay-Internetseite begangen haben. So leite eBay Verbraucher mithilfe eingekaufter Schlüsselworte von Internetreferenzierungsdiensten (bspw. Google-AdWords), die Marken von L’Oréal  entsprechen, auf Angebote  mit rechtsverletzenden Waren auf der eBay-Seite hin.  Im Übrigen seien eBays bisherige Bemühungen gegen den Handel mit rechtsverletzenden Produkten völlig unzureichend. Die Klägerin L’Oréal habe unterschiedliche Arten von Verstößen festgestellt. Unter anderem  seien  Produkte, die für den Verkauf in Drittstaaten vorgesehen waren, an EU-Verbraucher angeboten worden.

Im Vorabentscheidungsverfahren stellte der britische High Court dem EuGH nun mehrere Fragen hinsichtlich der Pflichten eines Internet-Marktplatzbetreibers, um Markenrechtsverstöße durch seine Nutzer zu verhindern.

Der EuGH entschied nun wie folgt:

Einleitend stellen die Richter deutlich heraus, dass sich ein Markeninhaber gegenüber einem Internetverkäufer nur dann auf sein ausschließliches Recht berufen kann, wenn dessen Verkäufe in einem gewerblichen Rahmen stattfinden. Insbesondere sei dies dann der Fall, wenn die Verkäufe aufgrund ihres Umfangs und ihrer Häufigkeit über die Sphäre einer privaten Tätigkeit hinausgehen.

Sobald ein Produkt auf einem online-Marktplatz angeboten wird und sich die Werbung an Verbraucher aus dem Gebiet der EU richtet, sind nach Ansicht des EuGH die Regeln des europäischen Markenrechts einschlägig. Hierbei sei es Aufgabe der nationalen Gerichte, im Einzelfall zu prüfen, ob relevante Indizien vorliegen, die darauf schließen lassen, dass sich das Verkaufsangebot oder die Werbung, die auf einem Online-Marktplatz angezeigt werden, an Verbraucher in der Union richten. In diesem Zusammenhang wird als Hinweis für die nationalen Gerichte eine Überprüfung des möglichen Liefergebietes durch den Verkäufer beispielhaft angeführt.

Das Gericht führt weiter aus, dass ein online-Marktplatz-Betreiber Marken im Sinne der EU-Markenvorschriften nicht selbst benutzt, wenn er lediglich eine Dienstleistung erbringt, die es seinen Kunden ermöglicht, im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten Marken entsprechende Zeichen auf seiner Website erscheinen zu lassen. Hinsichtlich einer Verantwortlichkeit des Marktplatz-Betreibers betont das höchste europäische Gericht aber, dass der Betreiber bei geleisteter Hilfestellung, die z.B. darin bestehen kann, die Präsentation der Online-Verkaufsangebote zu optimieren oder diese Angebote zu bewerben, eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis oder gar eine Kontrolle über die Angebote verschaffen kann.

Wenn der Betreiber im jeweiligen Fall eine aktive Rolle spielt, hat er keine Möglichkeit, sich auf eine Ausnahme der Verantwortlichkeit zu berufen. Dies gilt auch bei nicht aktiver Rolle, wenn er sich wegen etwaiger Tatsachen oder Umstände bewusst war, dass er hätte tätig werden müssen, um die betreffenden Daten zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Maßstab ist hier ein „sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer“.

Wenn nun ein Betreiber nicht aus eigenem Antrieb handelt und eine Rechteverletzung vermeidet oder wenigstens umgehend nach Feststellung durch Löschen des Angebots abstellt, kann ihm seitens der Judikative aufgegeben werden, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die Identifizierung seiner als Verkäufer auftretenden Kunden erleichtern. Zwar sei es auch hier unabdingbar, den Datenschutz bezüglich personenbezogener Angaben zu beachten, allerdings muss der Markenrechtsverletzer (Verletzungsverursacher) klar identifizierbar sein, wenn er geschäftlich und nicht privat tätig sei. Daher verlange das Gemeinschaftsrecht von den Mitgliedsstaaten ein in sich schlüssiges Regelwerk, das auch den präventiven Schutz des geistigen Eigentums ermöglicht. Nicht ausreichend sei es hingegen, wenn lediglich Regeln bestünden, die nur zur Beendigung der von Nutzern hervorgerufenen Verletzungen dieser Rechte ausreichten. Das Regelwerk und die damit einhergehenden Maßnahmen müssten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und dürften keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten.

Kommentar:

Der EuGH geht mit seinem Urteil deutlich über den Antrag des EU-Generalanwalts Niilo Jääskinen hinaus. Dieser hatte mit seinem Schlussantrag im Dezember 2010 noch vertreten, die Benutzung von L’Oréal-Marken als Schlüsselwörter in Suchmaschinen wie Google AdWords erzeuge bei Verbrauchern nicht zwingend einen Irrtum über die Herkunft der angebotenen Waren. Nun muss der britische High Court anhand der EuGH-Antworten zu einem geeigneten Urteil gelangen. Markenrechtsinhaber werden diese EuGH-Entscheidung jedoch als positiv empfinden. Es hängt nun von den nationalen Gerichten und insbesondere Gesetzgebern ab, wie in solchen Fällen zukünftig zu entscheiden ist. Jedenfalls ist mit diesem Urteil der Weg deutlich in Richtung verstärktem Schutz des Markeninhabers eingeschlagen worden, setzt aber somit eBay und andere Marktplatzbetreiber einem Problem der praktischen Umsetzung aus.