Rechtsnorm:  § 26 MarkenG

Mit Beschlüssen vom 17.08.2011 (I ZR 84/09 – PROTI) und vom 24.11.2011 (Az. I ZR 206/10 – Stofffähnchen II) hat der BGH dem EuGH mehrere Fragen zur rechtserhaltenden Benutzung von Marken zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Zum Sachverhalt:

Im ersten Verfahren geht es um die Marke „PROTI“: Der Inhaber dieser Marke (Kläger) sieht in der  Verwendung der Bezeichnung „Protifit“ (durch den Beklagten) eine Verletzung seiner Markenrechte. Da der Kläger die eingetragene Marke „PROTI“ nur in einer abgewandelten Form benutzt habe, macht der Beklagte die Einrede der mangelnden Benutzung geltend.

Beim zweiten Verfahren handelt es sich um einen Rechtsstreit der Firma Levi Strauss & Co. gegen ein Einzelhandelsunternehmen. Die Klägerin Levi Strauss & Co. ist u.a. Inhaberin einer für Hosen eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke. Gemäß der im Markenregister eingetragenen Beschreibung handelt es sich bei der streitigen Marke um eine sogenannte „Positionsmarke“; sie besteht aus einem rechteckigen Label in der Farbe rot. Dieses Label wird deutlich sichtbar in die Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht. 2001 produzierte die Beklagte Jeanshosen, die mit einem der eingetragenen Marke sehr ähnlichen roten Stofffähnchen versehen waren, und bot sie auch zum Verkauf an. Die Klägerin erkennt hierin eine Verletzung ihrer Markenrechte. Demgegenüber beruft sich die Beklagte darauf, Levi Strauss Co. habe die Marke ausschließlich in einer abgewandelten Form (mit der Aufschrift „LEVI’S“) benutzt. Da die tatsächlich verwendete Form ebenfalls als Marke registriert sei, könne von einer rechtserhaltenden Benutzung der streitgegenständlichen Marke nicht ausgegangen werden, zumal in einem ähnlichen Fall der EuGH mit Urt. v. 13.09.2007 (Az. C-234/06 Rn. 86 – GRUR 2008, 343 „BAINBRIDGE“) entschieden habe, dass eine eingetragene Marke nicht durch die Verwendung eines abgewandelten Zeichens rechtserhaltend benutzt werden könne, wenn zeitgleich das abgewandelte Zeichen ebenfalls als Marke eingetragen sei.

Mit den nun erlassenen Beschlüssen hat der BGH beide Verfahren vorläufig ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich des ersten Verfahrens möchte der BGH vom EuGH geklärt wissen, ob § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG mit der Europa-Markenrechtsrichtlinie vereinbar ist. Gemäß der deutschen Markenrechtsnorm sei eine rechtserhaltende Markenbenutzung auch in einer abgewandelten, ebenfalls als Marke eingetragenen Form, möglich, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern.

Der BGH sieht in dieser Regelung keinen Verstoß gegen geltendes Europarecht. Zur Begründung führen die Bundesrichter aus, die Inhaber älterer Marken unterlägen oft einem hohen wirtschaftlichen Interesse, ihre wertvollen Marken zu modernisieren, ohne dabei aber den Markenschutz sowie die Priorität aufgeben zu wollen.

Im zweiten Verfahren, das sich vom ersten inhaltlich dadurch unterscheidet, dass die eingetragene Marke in der tatsächlich benutzten Form eine Kombination aus der streitgegenständlichen und zwei weiteren Marken von Levi Strauss & Co. darstellt, wobei diese „benutzte zusammengesetzte Marke keine geringfügige Abwandlung der aus den einzelnen Bestandteilen bestehenden Marken“ darstelle, vertritt der BGH eine ähnliche Auffassung:

Im Interesse einer „effektiven Durchsetzung der Markenrechte“ gehen die Karlsruher Richter  „auch in einem solchen Fall von einer rechtserhaltenden Benutzung eines als Marke eingetragenen Zeichenbestandteils durch Verwendung der zusammengesetzten Marke aus.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

Der Markeninhaber hat ein schützenswertes Interesse, auch einen einzelnen Bestandteil einer zusammengesetzten Marke eintragen zu lassen, der vom Verkehr als eigenständiges Kennzeichenmittel aufgefasst wird.“ Genau das sei beim roten Label von Levi Strauss der Fall.

Kommentar:

Nun bleibt abzuwarten, inwieweit der EuGH auf die BGH-Vorlagen reagiert. Wenn er seine bisherige Rechtsprechung (Urt. v. 13.09.2007 (Az. C-234/06 Rn. 86 – GRUR 2008, 343 „BAINBRIDGE“) konsequent weiterverfolgt und damit die durchaus nachvollziehbaren Argumente aus Deutschland ablehnt, werden die Klagen wohl abgewiesen. Wenn die Europarichter jedoch zur Überzeugung gelangen, infolge vorliegender Anfragen müsse die bisherige Rechtsprechung berichtigt werden, werden die Kläger mit ihren Ansprüchen erfolgreich sein.