Müssen Werbeaussagen zu Kosmetikprodukten wissenschaftlich korrekt und nachprüfbar sein? Mit dieser Frage beschäftigte sich der BGH in seiner Entscheidung vom 28.01.2016 – I ZR 36/14.

Sachverhalt:

Kläger und Beklagte sind Wettbewerber im Bereich der Hygieneprodukte. In diesem Fall geht es speziell um Nassrasierer mit Wechselklingen. Die Beklagte bietet Rasierer an. Bei diesen befindet sich oberhalb der Klingen ein Behälter mit dem Pulver „Polyox“. Mit Wasser verbindet sich dieses Pulver zu einem Gel. Für diesen Rasierer warb die Beklagte mit den Aussagen:

  • „HYDRO spendet direkt Feuchtigkeit“
  • „Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir“
  • „Das wasseraktivierte Gel mit Aloe Vera und Vitamin E spendet der Haut schon während der Rasur direkt Feuchtigkeit“

Die Klägerin behauptet, von den in dieser Weise beworbenen Nassrasierern gehe keine, vor allem keine länger andauernde feuchtigkeitsspendende Wirkung aus. Sie hält die Werbeaussagen der Beklagten für irreführend. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch und begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Entscheidung:

Das Berufungsgericht hatte die Ansprüche wegen irreführender Werbung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 9 UWG, § 242 BGB noch für begründet erachtet. Dieser Meinung schloss sich der BGH nicht an.

Mitunter befand der BGH, dass für die streitgegenständlichen Werbeaussagen nicht die allgemeinen Unlauterkeitsvoraussetzungen nach § 5 UWG, sondern die speziellen Voraussetzungen nach §3 a UWG in Verbindung mit den Bestimmungen des Kosmetikrechts gelten sollten.

Problematisch ist, dass es bei Bedarfsgegenständen für Verbraucher oft eine Vielzahl von nationalen und unionsrechtlichen Normen gibt, welche sich gegenseitig beeinflussen und überlagern. So muss in diesem Fall zwischen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung und der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 abgewogen werden.

Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung liegt die Darlegungslast, wie auch die Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, bei demjenigen, der dies geltend macht, und daher vorliegend bei der Klägerin.

Nach der Nummer 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, die den Stand der Technik berücksichtigen. Außerdem müssen als Nachweis herangezogene Studien für das Produkt und den behaupteten Nutzen relevant sein, auf einwandfrei entwickelten und angewandten Methoden basieren und ethischen Erwägungen Rechnung tragen. Die Beweiskraft der Nachweise bzw. Belege muss mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen. Diese Kriterien setzen ersichtlich durchweg voraus, dass der Werbende in der Lage sein muss, die Richtigkeit seine Behauptungen zu belegen.

Das Unionsrecht ist Spezialnorm zu der nationalen KosmetikVO. Vom Berufungsgericht wurde dementsprechend richtig davon ausgegangen, dass die Beklagte die Beweislast bezüglich ihrer Werbeangaben trifft. Jedoch wird von einem zu strengen Maßstab bezüglich dieser Beweislast ausgegangen. Nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 muss die Richtigkeit der Werbeaussage, von der Beklagten lediglich durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden. Die Aussagen müssen nicht wissenschaftlich gesichert sein.

Fazit:

Da von dem Berufungsgericht zu strenge Beweismaßstäbe verwendet wurden, ist für den BGH nicht klar, ob das OLG unter Verwendung der zutreffenden Normen nicht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Dementsprechend wird der Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht verwiesen. Den Herstellern von Kosmetikprodukten wurde durch diese BGH Entscheidung ein Leitfaden für die Beweislast, die sie bezüglich ihrer Werbeaussagen trifft, gegeben. Besagte Hersteller sollten ein Auge auf die Entscheidung des Berufungsgerichts und etwaige Änderungen im Unionsrecht halten.

BGH, Urteil vom 28.01.2016 – I ZR 36/14

OLG Köln, Entscheidung vom 31.01.2014 – 6 U 119/12