Rechtsnormen: §§ 1, 3, 4, 9 GlüStV; Art. 4 AGGlüStV; §§ 8a, 58 RStV; §§ 33d, 33h Nr. 3 GewO
Mit Urteil vom 25.08.2011 (Az. 10 BV 10.1176) hat der VGH München entschieden, dass in Form sogenannter 50-Cent-Gewinnspiele über das Internet angebotene Sportwetten dem Internetverbot des Glücksspielstaatsvertrags unterfallen und daher unzulässig sind.
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin vertreibt über ihre Internetpräsenz Sportwetten, insbesondere Fußballwetten. Der Wettspieler gibt zwecks Teilnahme die von ihm vorhergesagten Ergebnisse in ein auf der Website bereitgestelltes Formular ein. Seine Tipps werden dann in einen Zahlencode, den sogenannten „Tippcode“, umgewandelt. Mittels eines gebührenpflichtigen Anrufs (pro Anruf 50 Cent) auf einer „Tipphotline“ (Verbindungsnummer ist auf der Internetseite veröffentlicht) aktiviert der Teilnehmer seine Tipps. Der mögliche Gewinn ist abhängig von der Anzahl der Mitspieler. Pro Tipp sind Gewinne zwischen 30 und 10000 Euro möglich. Nachdem die zuständige Ordnungsbehörde, die der Regierung von Mittelfranken untergliedert ist, eine Untersagungsverfügung erlassen hatte, bestätigte zunächst das VG München die Verfügung.
Nun bestätigte auch der VGH München die Ansicht der Ordnungsbehörde sowie die erstinstanzliche Entscheidung des VG München.
Zur Begründung führen die Münchener Richter aus, der Rundfunkstaatsvertrag enthalte zwar eine nachträglich eingefügte Bestimmung, nach der 50-Cent-Gewinnspiele im Rundfunk und in vergleichbaren Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind, grundsätzlich zulässig sind. Vorliegend finde diese Regelung aber keine Anwendung, da das von der Klägerin betriebene System als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages einzuordnen und somit gerade nicht als Gewinnspiel im telemedialen Sinne zu verstehen sei.
Auszüge aus der Entscheidung im Wortlaut:
„Das Erstgericht ist weiter ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass das von der Klägerin im Internet angebotene Sporttipp-Gewinnspiel als öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 2 GlüStV nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV grundsätzlich nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde veranstaltet werden darf und ohne erforderliche Erlaubnis unter das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV fällt sowie generell dem Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV unterliegt. Zutreffend ist dabei auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass bei diesem Sporttipp-Gewinnspiel den Spielern ungeachtet des weiteren Abwicklungs- und Bezahlmodus die Möglichkeit zur Teilnahme am Glücksspiel über das Internet eröffnet wird (§ 3 Abs. 4 GlüStV), weil alle wesentlichen Aktionen zum Abschluss der Sportwetten über diesen Vertriebsweg stattfinden und letztlich nur der Bezahlmodus über den Telefonmehrwertdienstleister abgewickelt wird. Das in § 4 Abs. 4 GlüStV enthaltene generelle Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet erstreckt sich dabei auf alle Arten der im Glücksspielstaatsvertrag geregelten Glücksspiele, insbesondere auch auf Sportwetten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin werden zufallsabhängige 50-Cent-Gewinnspiele in Rundfunk und in dem Rundfunk vergleichbaren Telemedien und somit auch die von ihr über das Internet veranstalteten Sporttipp-Sportwetten (in der vom Beklagten beanstandeten Form) nicht durch die Vorschriften der §§ 8a und 58 Abs. 4 RStV von der Geltung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und damit auch des § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 GlüStV ausgenommen. Das Verwaltungsgericht hat unter zutreffender Auslegung dieser rundfunkrechtlichen Bestimmungen mit Recht festgestellt, dass § 8a RStV keine Grundsatzentscheidung dahingehend enthält, dass im Rundfunk und den Telemedien veranstaltete Gewinnspiele, selbst wenn sie nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 GlüStV als Glücksspiele einzuordnen sind, bis zu einem maximalen Teilnehmerentgelt in Höhe von 0,50 Euro damit allgemein zugelassen worden sind. § 8a RStV wird bei dieser Normauslegung auch nichtzu einem „unsinnigen“ Regelungstorso, für den – wie die Klägerin behauptet – letztlich kein praktisch relevanter Anwendungsfall von sog. Call in-Telefongewinnspielen mehr bleibt.
Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 RStV sind Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele (grundsätzlich) zulässig; sie unterliegen dabei jedoch den in § 8a Abs. 1 Sätze 1 bis 5 RStV enthaltenen Geboten. Nach § 8a Abs. 1 Satz 6 RStV darf für die Teilnahme nur ein Entgelt bis zu 0,50 Euro verlangt werden; § 13 Abs. 1 Satz 3, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk Einnahmen aus dem Angebot von Telefonmehrwertdiensten nicht erzielen darf, bleibt (dabei) unberührt. Gemäß § 58 Abs. 4 RStV gilt für Gewinnspiele in vergleichbaren Telemedien (Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind) § 8a RStV entsprechend. Der Begriff „Gewinnspiele“ wird nicht im Rundfunkstaatsvertrag selbst, sondern in § 2 Nr. 1 der Satzung der Landesmedienanstalten über Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele (Gewinnspielsatzung vom 17.12.2008) definiert. Danach ist ein Gewinnspiel ein Bestandteil eines Rundfunkprogramms, der den Nutzerinnen und Nutzern im Fall der Teilnahme die Möglichkeit auf den Erhalt eines Vermögenswertes, insbesondere in Form von Geld, Waren oder Dienstleistungen, bietet. Der Begriff Gewinnspiele in diesem Sinn umfasst daher grundsätzlich sowohl sog. Geschicklichkeitsspiele als auch ganz oder überwiegend vom Zufall abhängige Glücksspiele.
Nach alledem unterfallen Gewinnspiele im Rundfunk und in vergleichbaren Telemedien (die an die Allgemeinheit gerichtet sind), soweit sie entgeltliche Glücksspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV darstellen, dem vorrangigen Regelungsregime des Glücksspielstaatsvertrags und damit sowohl der Erlaubnispflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV als auch denselben Erlaubnisvoraussetzungen einschließlich des Internetverbots des § 4 Abs. 4 GlüStV wie die übrigen dem Glücksspielstaatsvertrag unterfallenden Spiele.
Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG; es beansprucht Geltung für alle vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten öffentlichen Glücksspiele und begründet für diese ein generelles Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot im Internet (vgl. BVerwG vom 1.6.2011 a.a.O. RdNrn. 24 ff. mit eingehender Begründung).“
Kommentar:
Der VGH ließ die Revision zum BVerwG in Ermangelung der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht zu. Der Klägerin steht es aber zu, hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde beim BVerwG einzureichen.