Rechtsnorm: Ar.t 49, 56 AEUV, Art 12 Abs. 1 GG, § 15 LottStVtrAG BW 2008, § 4 GlüStVtrG BW, §§ 80 Abs. 5, 114 S 2VwGO

Mit Beschluss vom 31.08.2011 (Az. 6 S 1695/11) hat der VGH Mannheim entschieden, dass aktuell nicht (mehr) davon ausgegangen werden könne, dass das im Glücksspielstaatsvertrag normierte staatliche Sportwettenmonopol mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar sei. Es herrsche daher momentan Rechtsunsicherheit.

Nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 08. September 2010 (C-46/08 <Carmen Media Group Ltd.> u.a.) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. Juni 2011 (8 C 2.10 u.a.) können allein auf das staatliche Sportwettenmonopol gestützte Untersagungsverfügungen gegen Vermittler von Sportwetten derzeit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr als offensichtlich rechtmäßig angesehen werden (Änderung der Rechtsprechung des Senats).

(Leitsatz 1 des Gerichts)

Daher setzt das Gericht die Vollstreckung eines Untersagungsbescheids außer Kraft

Zum Sachverhalt:

Die Antragstellerin betreibt im Kreis Göppingen ein Wettbüro. Via online-Standleitung übermittelt sie Sportwetten an einen österreichischen Wettanbieter. Mitte 2010 untersagte ihr das Regierungspräsidium Karlsruhe unter Berufung auf das staatliche Sportwettenmonopol, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln oder hierfür zu werben. Im Übrigen wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht.
Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage beim VG Stuttgart, die auch erfolgreich war. Das Regierungspräsidium legte daraufhin das Rechtsmittel der Berufung ein; das Berufungsverfahren ruht aber seit Mai 2011. Zuvor hatte das Regierungspräsidium bereits Ende Oktober 2010 die Vollstreckung der Untersagungsverfügung vorläufig ausgesetzt. Demgegenüber wurde der Antragstellerin im Mai 2011 aber mitgeteilt, dass die Vollstreckung der Untersagungsverfügung wieder aufgenommen werde, da sie nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis für die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen sei.

Mit vorliegendem Beschluss setzt der VGH Mannheim nun die Vollstreckung der Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums wieder vorläufig aus. Das Gericht begründet seine Entscheidung insbesondere mit den jüngsten Entscheidungen des EuGH und des BVerwG.

Mit Pressemitteilung vom 12.09.2011 führt der VGH zu den Entscheidungsgründen näher aus:

„Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass das im Glücksspielstaatsvertrag normierte staatliche Sportwettenmonopol mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar ist. Die Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens seien offen, nachdem das BVerwG die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, in denen dieser das staatliche Monopol für rechtmäßig erklärt hatte, aufgehoben und an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen habe. In den anhängigen Berufungsverfahren müssten nun weitere Ermittlungen hinsichtlich der Werbung des Monopolträgers und hinsichtlich des Automatenspiels getroffen werden. Bis dahin seien Vollstreckungsmaßnahmen auszusetzen. Die Untersagungsverfügung lasse sich entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums nicht mit der nachgeschobenen Begründung aufrechterhalten, dass die Antragstellerin keine Erlaubnis für den Betrieb ihres Wettbüros besitze und wegen des Internetverbots auch nicht erhalten könne. Der Erlaubnisvorbehalt für das Betreiben von öffentlichen Glücksspielen gelte zwar unabhängig von der Wirksamkeit des Sportwettenmonopols. Das Regierungspräsidium habe den Sachverhalt aber bisher nur unzureichend ermittelt und daher die individuellen, bei der Erteilung der Erlaubnis zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht hinreichend in den Blick genommen. Auch sei es unzulässig, die bisher auf das generelle Sportwettenmonopol gestützte Begründung für die Untersagungsverfügung im Laufe des Verfahrens durch völlig neue Erwägungen zu ersetzen. Schließlich habe das Regierungspräsidium den gesetzlich angeordneten Sofortvollzug im Oktober 2010 wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit selbst vorübergehend ausgesetzt und damit dem grundrechtlich geschützten Recht der Antragstellerin auf freie Berufsausübung sowie der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit trotz fehlender Erlaubnis den Vorrang vor der sofortigen Durchsetzung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags eingeräumt. Eine durchgreifende Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht habe sich zulasten der Antragstellerin in der Folgezeit nicht ergeben. Hinzu komme, dass der Glücksspielstaatsvertrag mit Ablauf des Jahres 2011 außer Kraft trete. Zwar habe das Land Baden-Württemberg nach Mitteilung des Antragsgegners mittlerweile vorsorglich ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, das die Fortgeltung des Glücksspielstaatsvertrags über den 31.12.2011 hinaus zum Gegenstand habe. Nach dem derzeitigem noch im Entwurfsstadium vorliegenden neuen Glücksspielstaatsvertrag vom April 2011 solle das staatliche Sportwettenmonopol jedoch für sieben Jahre nicht angewandt werden und im Rahmen einer Experimentierklausel ein Konzessionssystem eingeführt werden. Ob es letztlich zum Abschluss dieses Staatsvertrages kommt, lasse sich derzeit noch nicht abschätzen.“

Kommentar:

Der Beschluss ist unanfechtbar und damit rechtskräftig.