Mit Beschluss vom 09.04.2013 (Az. 6 S 892/12) hat der VGH Mannheim entschieden, dass die Teilnahme an einem Gewinnspiel, das lediglich den Abschluss eines Kaufs voraussetzt, kein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ist, da es unentgeltlich erfolgt.

Zum Sachverhalt:

Ein großes Möbelhaus (Klägerin) plant eine Werbeaktion mit dem Slogan „Sie bekommen die Ware geschenkt, wenn es am … regnet“. Teilnahmevoraussetzung ist ein Kauf von Waren zum Preis von mindestens 100 Euro. Wenn es an einem bestimmten Tag zwischen 12 und 13 Uhr (Stichtag) am Flughafen Stuttgart amtlich festgestellt mindestens 3 l/qm regnet, werde der volle Kaufpreis erstattet, wenn sich die Kunden nach dem Stichtag beim Möbelhaus unter Vorlage eines Zahlungsbelegs melden.

Der eingereichte Feststellungsantrag, dass es sich bei der Werbeaktion um kein Glücksspiel nach § 3 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag a.F. handele, wurde vom Regierungspräsidium Karlsruhe (Beklagte) abgelehnt.

Nachdem das erstinstanzliche VG Stuttgart der Klage antragsgemäß stattgegeben hatte, lag die Sache im Berufungsverfahren dem VGH Baden-Württemberg zur Entscheidung vor.

Der VGH bestätigte nun die Ansicht der ersten Instanz.

Nach Ansicht des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs setzt ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages voraus, dass im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt werde und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Vorliegend handele es sich allerdings nicht um ein Glücksspiel.

Das Gericht führt zur Begründung aus:

„Die Kunden entrichten ihr Entgelt als Kaufpreis für die zu erwerbende Ware und nicht für die Teilnahme am Gewinnspiel. Sie wollen ein Möbelstück (oder einen anderen Kaufgegenstand) zu einem marktgerechten Preis erwerben und haben dabei die Möglichkeit, Preisvergleiche bei Konkurrenten anzustellen. Im Vordergrund steht der Möbelerwerb und nicht die (aktive) Teilnahme an der Werbeaktion. Sie ist gegebenenfalls Folge des Einkaufs, wenn sich die Wetterprognose bestätigen sollte und der Kunde von seinem Erstattungsbegehren Gebrauch macht. Er ist nicht „automatisch“ an der Gewinnaktion beteiligt, sondern nur dann, wenn er seinen Gewinn durch Geltendmachung „aktiviert“. Die Realisierung des Gewinns ist damit dem eigentlichen Erwerbsvorgang „nachgeschaltet“. Der zivilrechtliche Kaufvertrag mit der aufschiebenden oder auflösenden Bedingung des Rückerstattungsanspruchs (§ 158 Abs. 1 und 2 BGB) steht bei Eintritt der Wetterprognose im Vordergrund. Auf die Motive des Kunden, der evtl. auch mit Blick auf das Gewinnspiel Waren bei der Klägerin erwirbt, kommt es insoweit nicht an. Hinzu kommt, dass die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, dass die Preise während des Aktionszeitraums unverändert bleiben und somit nicht – wie vom Beklagten befürchtet – in den Warenwert eingepreist werden (dazu siehe unten). Damit „verlangt“ die Klägerin bereits kein Entgelt für die Gewinnchance.

Auch aus dem Begriff des „Entgelts“ in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV n.F. ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten nichts anderes. (…) Selbst wenn man den vom Beklagten favorisierten weiten Entgeltbegriff, der jedes Vermögensopfer umfassen soll, zugrunde legen würde, würde das Entgelt nicht „im Rahmen eines Spieles“ erbracht, wie es § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV n.F. voraussetzt, sondern für die Ware geleistet. Es steht, wie oben ausgeführt, in untrennbarem Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages.

Handelt es sich somit bei der streitgegenständlichen Wette nicht um ein öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV n.F., ist der Beklagte nicht zum (ordnungsrechtlichen) Einschreiten befugt. (…)

Bei dieser Rechtslage kann dahinstehen, ob und inwieweit die vom Verwaltungsgericht genannte wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 4 Abs. 6 UWG für die Einschätzung des vorliegenden Falles herangezogen werden kann. Denn das UWG dient dem Schutz der Mitbewerber und Verbraucher (§ 1 UWG) und hat damit eine andere Zielrichtung als der GlüStV n.F., der am Schutz der Spieler vor den Gefahren des Glücksspiels ausgerichtet ist (§ 1 GlüStV n.F.).

Aus der vom Beklagten zitierten älteren strafrechtlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25.10.1951 – 3 StR 549/51 -, BGHSt 2, 79 ff., zur progressiven Kundenwerbung durch Schneeballsystem; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.02.1958 – 1Ss 609/57, NJW 1958, 760, und des Reichsgerichts, Urteil vom 23.02.1931 – III 1094/30 -, jeweils zum verdeckten Einsatz) zu § 286 StGB a.F. ergibt sich ungeachtet der zwischenzeitlich erfolgten Gesetzesänderungen nichts anderes. Soweit in den Entscheidungen auf den verdeckten Einsatz abgehoben wird, stellen sie ausdrücklich klar, dass dieser dann fehlt, wenn der „Spieler“ einen objektiven Wert für den Kaufpreis erhält bzw. der Gewerbetreibende dies auch weiß und will.

Es handelt sich somit bei der von der Klägerin beabsichtigten Werbeaktion nicht um ein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV n.F.. Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Feststellung ist rechtlich nicht zu beanstanden.“

Kommentar:

Das Gericht ließ die Revision zum BVerwG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zu.

Mein Blog-Beitrag zur erstinstanzlichen Entscheidung des VG Stuttgart ist hier abrufbar.