Rechtsnormen: §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Nr. 3 GewO

Mit Beschluss vom 21.12.2012 (Az. 4 L 1021/12.NW) hat das VG Neustadt entschieden, dass eine Ordnungsverfügung der Stadt Ludwigshafen, wonach der Betrieb einer Seitensprungagentur wegen einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Agenturinhabers mit sofortiger Wirkung untersagt wurde, rechtmäßig erfolgte.

Zum Sachverhalt:

Seit Mitte 2012 betrieb der Antragsteller eine „Seitensprungagentur“ mit Partnervermittlung. Um auf sein Unternehmen aufmerksam zu machen inserierte er u.a. in einer Tageszeitung mit folgendem Werbetext: „Neu 1. Seitensprungagentur diskret, seriös, erfolgreich, Superkontakte zu sexy Frauen“. Gegen Geldzahlung übergab er Interessenten eine Liste mit Telefonnummern mehrerer angeblich an Seitensprüngen oder einer weiteren Beziehung interessierten Frauen. Kurze Zeit später meldete sich eine Frau bei der zuständigen Ordnungsbehörde und beschwerte sich über mehrere belästigende Anrufe von Männern. Sie bestritt, dem Antragsteller ihre Kontaktdaten zur Verfügung gestellt zu haben. Infolgedessen meldete sich ein Angestellter des Ordnungsamts als vermeintlicher Interessent beim Antragsteller, der dem städtischen Mitarbeiter gegen Zahlung einer Gebühr iHv EUR 150 für die ersten sechs Monate sowie weiterer 75 Euro für das folgende Halbjahr anbot, regelmäßig Kontakt zu „willigen“ Frauen zu vermitteln. In diesem Zusammenhang übergab der Antragsteller dem städtischen Angestellten eine Liste mit „unverbindlichen Kontaktvorschlägen“, die persönliche Daten wie Telefonnummer, Name, Staatsangehörigkeit, Haarfarbe, Oberweite, Körperstatur, Beziehungsabsicht und evtl. finanzielle Forderungen der „willigen“ Frauen enthielt.

Der Antragsteller räumte gegenüber dem Ordnungsamtsmitarbeiter ein, nicht im Besitz einer Gewerbezulassung zu sein, nachdem dieser sich zu erkennen gegeben hatte. Im Folgenden informierte sich die Stadt über den Antragsteller. Unter anderem holte sie auch einen Auszug aus dem Bundeszentralregister ein. Dieser offenbarte, dass der Antragsteller im Zeitraum 1997 bis 2011 in insgesamt 13 Fällen zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden war. Die Stadt untersagte ihm daher die Ausübung der Seitensprungagentur wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit mit sofortiger Wirkung (Sofortvollzug). Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte vorläufigen Rechtsschutz beim VG Neustadt. Zur Begründung gab er an, die im Bundeszentralregister erscheinenden Verurteilungen stünden in keinem Zusammenhang mit dem neuen Gewerbe. Daher seien negative Rückschlüsse auf seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit unzulässig. Auch sei die Behauptung des Ordnungsamts, er gebe seitensprungwilligen Männern Daten ahnungsloser Frauen heraus, haltlos.

Das Verwaltungsgericht entschied nun zugunsten der Behörde und lehnte den Antrag ab.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehen ganz erhebliche objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß auszuüben. Die Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden wird u. a. in Frage gestellt, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt und/oder wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld belegt worden ist. Unzuverlässig ist gerade derjenige Gewerbetreibende, der durch die Begehung rechtswidriger Taten in der Vergangenheit einen ausgeprägten Hang zur Missachtung der Rechtsordnung dokumentiert hat und deswegen auch künftig einen entsprechenden Mangel an Rechtstreue erwarten lässt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Juni 2011 – 6 B 10223/11.OVG –; Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 35 Rn. 37 m.w.N.). (…) Hiervon ausgehend lässt das bisherige Verhalten des Antragstellers nicht erwarten, dass er sein Gewerbe in Zukunft im Einklang mit der Rechtsordnung betreiben wird. Mit seiner Partnervermittlung sowie „Seitensprungagentur“ betreibt der Antragsteller ein gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 3 GewO besonders überwachungsbedürftiges Gewerbe („Vermittlung von Eheschließungen, Partnerschaften und Bekanntschaften“). Die gewerbepolizeiliche Überwachung der von Nr. 3 erfassten Gewerbetreibenden hat vor allem den Schutz der Kunden zum Ziel. Daneben besteht auch ein kriminalpräventiver Grund. Denn vielfach, wenn nicht sogar regelmäßig wird der Kunde vor allem im Bereich der Ehevermittlung langfristig an die Vermittlungsagentur gebunden und hat dabei nicht unerhebliche Vorauszahlungen zu leisten, was u. a. seinen Grund in der eingeschränkten zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit des Ehemaklerlohns hat (Schönleiter in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 38 Rn. 23). Dem steht häufig eine nicht adäquate Dienstleistung gegenüber. Auch können die anfallenden Informationen aus der höchstpersönlichen Sphäre des Kunden missbräuchlich verwandt werden. Der Antragsteller ist in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich und ordnungsbehördlich in Erscheinung getreten. Im Bundeszentralregister finden sich 13 Einträge. So wurde der Kläger im Zeitraum 1997 – 2011 zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt wegen Verletzung des Briefgeheimnisses, falscher Verdächtigung, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz, vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Betrug in mehreren Fällen. Dazu kommen im Jahre 2011 eine Verurteilung wegen Erschleichen von Leistungen sowie ein Bußgeldbescheid vom 6. September 2012 wegen Nichtanmeldung seines Gewerbebetriebes „Partner- und Singlevermittlung (auch Vermittlung von Seitensprüngen)“. Zwar haben die meisten Straftaten, insbesondere die Verkehrsdelikte, keinen Gewerbebezug. In ihrer Häufigkeit lassen diese nach §§ 47 Abs. 3, 51 BZRG im Verwaltungsverfahren nach wie vor verwertbaren Straftaten aber den Schluss zu, dass der Antragsteller dazu neigt, in strafbewehrter Weise die Rechtsordnung zu verletzen. Die deswegen schon bestehenden Zweifel an seiner gewerblichen Zuverlässigkeit verdichten sich weiter zur Überzeugung, dass bei ihm auch im Gewerbebetrieb mit Straftaten gerechnet werden muss, weil er auch wegen Betrugs in vier Fällen im Zusammenhang mit der Eingehung von Telekommunikationsverträgen (s. das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 5. Dezember 2007 – ……. -, Blatt 46 ff. der Verwaltungsakte) verurteilt wurde. Diese Taten lassen einen unmittelbaren Gewerbezug darin erkennen, dass er im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht davor zurückschreckt, zum Nachteil eines Geschäftspartners durch unwahre Angaben sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erschleichen. Die dadurch sich aufdrängende Prognose eines künftig rechtswidrigen Verhaltens bei Ausübung des Gewerbes wird letztlich auch durch das bisherige gewerbliche Verhalten des Antragstellers bestätigt. So hat er sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften gehalten und den Gewerbebetrieb erst angemeldet, nachdem er von Seiten der Antragsgegnerin dazu aufgefordert worden war. Diese war von einem „Kunden“ des Antragstellers, Herrn A, der auf die Anzeige des Antragstellers in der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ vom 12. August 2012 mit dem Text „Neu 1. Seitensprungagentur diskret, seriös, erfolgreich, Superkontakte zu sexy Frauen“ reagiert und sich durch die Vorgehensweise des Antragstellers betrogen gefühlt hatte, auf den Gewerbebetrieb des Antragstellers aufmerksam gemacht worden. Ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin nahm daraufhin als vermeintlicher Interessent für einen Seitensprung telefonischen Kontakt mit dem Antragsteller auf und traf sich mit diesem am 15. August 2012 im Bahnhofsgebäude von Ludwigshafen. Dort bot der Antragsteller dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin gegen eine Gebühr von 150 € für die ersten 6 Monate und eine Folgegebühr von 75 € für das zweite Halbjahr an, regelmäßig „willige“ Frauen von 18 – 70 Jahren zu vermitteln. Dabei übergab der Antragsteller dem Mitarbeiter Unterlagen mit sog. „unverbindlichen Kontaktvorschlägen“, in denen u.a. Name, Herkunftsland, Haarfarbe, Figur, Oberweite, Beziehungsabsicht (locker oder fest, Wochenendbeziehung), finanzielle Forderungen sowie die jeweilige Telefonnummer der Damen aufgeführt waren. Erst als sich der Mitarbeiter der Antragsgegnerin als solcher zu erkennen gab, räumte der Antragsteller ein, nicht im Besitz einer Gewerbeanmeldung zu sein. Da der Antragsteller in der Antragsschrift behauptet hat, die Agentur von seiner Mutter übernommen zu haben, kann es als ausgeschlossen angesehen werden, dass er von dem Erfordernis einer besonderen Gewerbeanmeldung keine Kenntnis gehabt hat. Folglich muss angenommen werden, dass er dieses Gewerbe bewusst illegal betreiben wollte, also dafür auch keine Steuern zahlen wollte. Der Antragsteller hat auch Telefonnummern von Damen an potentielle Kunden weitergegeben, die ihm diese nicht zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt hatten. So findet sich auf dem Zettel, den der Antragsteller dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin bei dem Treffen am 15. August 2012 am Hauptbahnhof in Ludwigshafen übergeben hat, der Name und die Telefonnummer einer gewissen „B“ (s. Rückseite  von Blatt 102 der Verwaltungsakte), die angeblich an einer festen Beziehung interessiert sei. Die damit gemeinte in A-Dorf wohnende B gab gegenüber der Antragsgegnerin nach erfolgter Belehrung am 15. August 2012 an, sie kenne den Antragsteller nicht. Sie habe ihren Namen nebst Telefonnummer auch keiner Partnervermittlung zur Verfügung gestellt. (…) Danach lässt der Gesamteindruck des bisherigen Verhaltens des Antragstellers allein den Schluss zu, dass bei ihm ein ausgeprägter Hang zur Missachtung der Rechtsordnung besteht, der die Zuverlässigkeit für eine selbständige gewerbliche Betätigung ausschließt. Gerade im Hinblick auf die besondere Gefahrgeneigtheit des nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 GewO überwachungsbedürftigen Gewerbes kann nicht hingenommen werden, dass dieses von einem Gewerbetreibenden ausgeübt wird, der zur Missachtung der Rechtsordnung neigt. Diesem Personenkreis muss der  Antragsteller aufgrund seiner Vergangenheit jedoch zugerechnet werden. Mithin ist es auch zur Vermeidung weiterer erheblicher Rechtsverstöße im Zusammenhang mit der Ausübung des konkreten Gewerbebetriebes geboten, ihm das Gewerbe zu untersagen.“

Kommentar:

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht rechtskräftig; dem Antragsteller steht noch das Rechtsmittel der Beschwerde beim OVG Koblenz offen.