Rechtsnorm: § 284 StGB

Mit Urteil vom 11.04.2012 (Az. 4 K 692/11.KS) hat das Verwaltungsgericht Kassel einen Untersagungsbescheid gegen einen Gaststätteninhaber, der Sportwetten anbot und vermittelte, aufgehoben.

Zum Sachverhalt:

Ohne Erlaubnis durch die zuständige Ordnungsbehörde stellte ein Kasseler Gaststättenbetreiber in seiner Gaststätte ein Sportwetten-Terminal auf, mit dem Besucher die Internetseiten internationaler Sportwettenveranstalter aufrufen und Wetten abschließen konnten. Das Ordnungsamt als zuständige Glücksspielaufsicht erkannte hierin einen Verstoß gegen § 284 StGB, wonach derjenige, der ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird (§ 284 Abs. 1).

Gegen den Bescheid der Stadt Kassel legte der Gaststättenbetreiber erfolglos Widerspruch ein und erhob schließlich Klage beim VG Kassel. Er führt aus, ein strafbewehrtes Verbot der Vermittlung von Sportwetten verstoße gegen das EU-Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.

Bis zur grundsätzlichen Klärung der Rechtslage durch die höchsten Gerichte setzte das Kasseler Verwaltungsgericht das im Jahr 2007 eröffnete Verfahren zunächst bis zu den Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 (Az. C-409/06) sowie des BVerwG vom 24.11.2010 (Az. 8 C 13.09) und 01.06.2011 (Az. 8 C 5.10) aus. Im Anschluss an diese Entscheidungen hob das VG den Untersagungsbescheid nun auf, da trotz Nichterlaubnis der Vermittlung von Sportwetten durch die zuständige Behörde eine Untersagung keinen Bestand haben dürfe, da das deutsche staatliche Wettmonopol mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei.

Mit Presseerklärung vom 23.04.2012 führt das Gericht zu seinen Entscheidungsgründen aus:

„Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist dem Kläger zwar keine Erlaubnis der zuständigen Behörde zur Vermittlung von Sportwetten erteilt worden. Das staatliche Wettmonopol in Deutschland und die damit begründete Untersagung der ungenehmigten Vermittlung von Sportwetten könnten aber keinen Bestand haben, weil damit gegen das Recht der Europäischen Union verstoßen werde. Die mit dem Verbot verbundene Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sei unverhältnismäßig, weil sie nicht geeignet sei, die Verwirklichung der mit der Beschränkung verfolgten Ziele auch tatsächlich zu erreichen. Das staatliche Wettmonopol sei insbesondere weder geeignet, die Spielsucht zurückzudrängen noch ein übermäßiges Spielangebot zu vermeiden. In Deutschland seien nämlich die Regelungen im Bereich des Spielens an Geldspielautomaten seit dem 01.01.2006 erheblich gelockert worden. Seither verhindere ein massiv expandierender Spielautomatenmarkt eine erfolgversprechende Eindämmung der Spielsucht und eine wirksame Begrenzung des Spielangebots. Die Regelungen und Praktiken auf dem Spielautomatenmarkt konterkarierten die für Sportwetten getroffenen Vorkehrungen. Angesicht der widersprüchlichen Regelungen und Praktiken auf den beiden wichtigsten Sektoren des Glückspielmarktes fehle es an einer kohärenten Regelung zur Begrenzung der Wetttätigkeit, wie sie nach der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit von Anbietern und Vermittlern von Sportwetten erforderlich sei.“

Kommentar:

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Stadt Kassel steht es binnen Monatsfrist frei, Berufung beim VGH Kassel zu beantragen.