Rechtsnormen: Art. 3 Abs. 1 GG, Glücksspielstaatsvertrag

Mit Beschluss vom 01.12.2011 (Az. 3 K 1643/11) hat das Verwaltungsgericht Freiburg in einem Eilverfahren entschieden, dass die Zwangsgeldfestsetzung wegen der im Stadion des SC Freiburg angebrachten Bandenwerbung für den Sportwettenanbieter TIPICO unzulässig war.

Zum Sachverhalt:

Schon Mitte 2006 untersagte das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe dem Sport-Club Freiburg e.V. jegliche Werbung für den Sportwettenanbieter betandwin.com (heute bwin.com). Auch die Werbung für andere im Land Baden-Württemberg nicht zugelassene Sportwetten wurde mit dieser Verfügung untersagt. Dem Freiburger Fußballclub wurde für jede Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld iHv EUR 15000 angedroht. Hiergegen erhob der SCF Klage beim VG Freiburg, die er ein Jahr später, nachdem er seine Werbetätigkeit für bwin eingestellt hatte, wieder zurückzog.

Anfang 2011 rollte der SC Freiburg das Verfahren aber wieder auf und beantragte die Aufhebung der Untersagungsverfügung aus dem Jahr 2006. Hintergrund ist ein neuer Sponsorenvertrag zwischen dem Fußballverein und dem Sportwettenanbieter „TIPICO Sportwetten“ zum Beginn der Rückrunde der vergangenen Bundesliga-Saison, in dessen Rahmen sich der SCF verpflichtet, für TIPICO Bandenwerbung zu leisten. Dies geschieht inzwischen seit knapp einem Jahr. Umgehend nach dem ersten Heimspiel der aktuellen Bundesligasaison lehnte das Regierungspräsidium Karlsruhe den Antrag auf Aufhebung der Verfügung ab und setzte stattdessen das mit der Verfügung angedrohte Zwangsgeld gegen den Verein iHv EUR 15000 fest; darüber hinaus drohte das Regierungspräsidium  für jeden weiteren Verstoß ein erneutes Zwangsgeld iHv EUR 40000 an.

Hiergegen ging der SC Freiburg gerichtlich vor. Das zuständige VG Freiburg entschied nun zugunsten des Fußballvereins.

Wie das Freiburger Gericht in seiner Presseerklärung vom 13.12.2011 mitteilt, sei das Zwangsgeld durch das Regierungspräsidium nicht innerhalb angemessener Frist nach seiner Androhung festgesetzt worden und deshalb rechtswidrig.

Das Gericht führt zu den Hintergründen aus:

 

„Der SC Freiburg sei zuletzt Ende April 2011 durch das Regierungspräsidium Karlsruhe angehört worden. Er habe sich an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg mit der Bitte gewandt, weiter für TIPICO Sportwetten werben zu dürfen. Erst am 16.08.2011 und damit nach dem ersten Heimspiel habe er ein ablehnendes Schreiben des Ministerpräsidenten erhalten. Er habe unter diesen Umständen annehmen können, das Zuwarten des Regierungspräsidiums sei nicht nur auf die spielfreie Zeit der Bundesliga in den Sommermonaten zurückzuführen, es solle vielmehr zunächst die Entscheidung des Ministerpräsidenten abgewartet werden. Nachdem der SC Freiburg im Juli 2011 seine Absicht bekräftigt habe, weiter für Sportwetten werben zu wollen, hätte das Regierungspräsidium Anlass gehabt, darauf hinzuweisen, dass die Wiederaufnahme der Sportwettenwerbung für die Firma TIPICO mit Beginn der neuen Bundesligasaison zur Festsetzung eines Zwangsgeldes führen werde. Das sei indessen nicht geschehen.

 

Die Zwangsgeldfestsetzung sei auch wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ermessensfehlerhaft. Das Regierungspräsidium Karlsruhe habe nach Entscheidungen des EuGH vom September 2010 die Tätigkeit der Sportwettenvermittler vorübergehend geduldet. Zwar sei es ca. ab Juni 2011 vorübergehend wieder mit Untersagungsverfügungen gegen die Vermittler von Sportwetten vorgegangen. Zur Vollstreckung sei es aber nicht gekommen, weil der VGH Mannheim den Eilanträgen der Sportwettenvermittler wegen der Zweifel an der Wirksamkeit des staatlichen Sportwettenmonopols ausnahmslos stattgegeben habe. Beim Gericht gingen keine Eilanträge von Sportwettenvermittlern mehr ein. Daraus sei zu schließen, dass das Regierungspräsidium gegen deren Tätigkeit nicht mehr mit Untersagungsverfügungen einschreite. Unter dem Gesichtspunkt der Spiel- und Wettsucht dürfte die Vermittlung von Sportwetten aber deutlich problematischer sein als die vom SC Freiburg dafür betriebene Werbung. Denn während diese nur zu Sportwetten motivieren soll, komme es bei den Sportwettenvermittlern zum Abschluss des Wettvertrages und damit zur praktischen Betätigung der Spiel- und Wettsucht. Könne gegenwärtig aber die „gefährlichere“ Sportwettenvermittlung tatsächlich betrieben werden, so stelle es eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung dar, wenn das Land Baden-Württemberg nunmehr das gegen den SC Freiburg verhängte Werbeverbot im Vollstreckungswege durchsetzen wolle.“

Kommentar:

Rechtskraft ist noch nicht eingetreten. Binnen einer zweiwöchigen Beschwerdefrist kann das Land Baden-Württemberg den Beschluss beim Berufungsgericht (VGH Mannheim) angreifen.

Die Argumentation des Gerichts, nach der die direkte Sportwettenvermittlung im Vergleich zum  reinen Werben (hier Bandenwerbung) für Sportwetten hinsichtlich der mit dem Glücksspielstaatsvertrag bezweckten Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht  deutlich gefährlicher sei, überzeugt. Da die Sportwettenvermittlung aber trotz seiner „Gefährlichkeit“ inzwischen von vielen Gerichten für zulässig erklärt werde, müsse eine Ermessensabwägung im Ergebnis dazu führen, dass ein Verbot der reinen Werbung einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten würde. Diese Begründung erscheint durchaus nachvollziehbar.

Es bleibt abzuwarten, ob ein mögliches Berufungsverfahren die Sache anders entscheiden wird. Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass sich gerade der VGH Mannheim in letzter Zeit als recht Wettanbieter-freundlich zeigte. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang ein Beschluss der Mannheimer Richter vom 31.08.2011, mit dem eine Untersagungsverfügung gegen eine Betreiberin eines Wettbüros ausgesetzt wurde. Der VGH führte hierzu aus, dass aktuell nicht davon ausgegangen werden könne, dass das im Glücksspielstaatsvertrag normierte staatliche Sportwettenmonopol mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar sei. Es herrsche daher momentan Rechtsunsicherheit.

Ganz aktuell wurde nun ein neuer Glücksspielstaatsvertrag von 15 der 16 Länder unterzeichnet. Hierzu folgt in den nächsten Tagen ein eigener Blog-Beitrag.