Rechtsnorm: § 4 Abs. 3 Nr. 4 und 5 SächsSFG

Mit Urteil vom 21.06.2012 (Az. Vf. 77-II-11) hat der VerfGH Leipzig die sächsischen Regelungen zur Sonntagsöffnung von Videotheken für verfassungsgemäß erklärt. Demgegenüber erklärte das Gericht die Regelung der allgemeinen Möglichkeit einer Sonntagsöffnung für Autowaschanlagen für verfassungswidrig. Allerdings gab das Gericht dem Gesetzgeber einige Ratschläge an die Hand.

Zum Sachverhalt:

Ende 2010 ermächtigte der sächsische Landtag die Gemeinden, durch Rechtsverordnung die Öffnung von Geschäften an bis zu vier Sonntagen im Jahr aus besonderem Anlass zwischen 12 und 18 Uhr zu erlauben. Gleichzeitig gab der Landtag der Sonntagöffnung von Videotheken in der Zeit zwischen 12 und 20 Uhr mit Ausnahme von besonderen Feiertagen generell statt. Zudem gab er den Betrieb von Autowaschanlagen ganztätig an Sonntagen frei. Gegen diese Regelung (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 und 5 SächsSFG) wandten sich im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens 43 Landtagsmitglieder, die diese Auflockerung des verfassungsrechtlich garantierten Sonn- und Feiertagsschutzes für verfassungswidrig erachteten.

Die Leipziger Richter erklärten nun die Regelung der Ladenöffnung an bis zu vier Sonntagen für rechtmäßig. Auch die Videothekenöffnung wurde als nicht verfassungswidrig erkannt.

Allerdings überzeugte die Regelung der Sonntagsöffnung von Autowaschanlagen das Gericht nicht. Nach Ansicht der sächsischen Verfassungshüter verstoße diese Regelung gegen den verfassungsrechtlich garantierten Sonn- und Feiertagsschutz und sei deshalb nichtig.

Hierzu führt das Gericht zur Begründung im Einzelnen aus:

„§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SächsSFG ist hingegen mit der Verfassung des Freistaates Sachsen unvereinbar, da alle Arten von Autowaschanlagen vom sonntäglichen Arbeitsverbot ausgenommen werden.

Der Betrieb einer Autowaschanlage jeglicher Art stellt eine gewerbliche Tätigkeit dar, die grundsätzlich einen typisch werktäglichen Charakter aufweist und angesichts des mit ihr verbundenen Kundenverkehrs auch öffentlich bemerkbar ist. Die Intensität, mit der eine Autowaschanlage dem Sonntag ein werktägliches Gepräge verleiht, hängt grundsätzlich von ihrer Größe und der konkreten Ausgestaltung als offene oder baulich geschlossene sowie vollautomatisiert oder mit Hilfe von Personal betriebene Anlage sowie der Dauer und der zeitlichen Lage ihres Betriebes während des Tages ab. Sie ist größer, wenn die Anlage über viele Stunden und auch während der regelmäßigen Zeiten der Hauptgottesdienste betrieben wird, in ihr viele Fahrzeuge gleichzeitig gereinigt werden können, die Anlage baulich offen ist, so dass ihr Betrieb sowohl visuell als auch akustisch deutlich wahrnehmbar ist, oder sie einen erheblichen Personaleinsatz erfordert. Bedeutung kann in diesem Zusammenhang auch dem Umstand zukommen, ob die Anlage im Verbund mit einer Tankstelle oder isoliert betrieben wird. Die angegriffene Regelung nimmt alle Autowaschanlagen unterschiedslos ohne weitere den Sonntagsschutz gewährleistende Einschränkungen vom Verbot der Sonntagsarbeit aus.

Die unterschiedslose Herausnahme des Betriebes aller Autowaschanlagen vom Verbot der Sonntagsarbeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SächsSFG ist nicht durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber geht im Hinblick auf den Betrieb von Autowaschanlagen von einer Änderung der sozialen Wirklichkeit, insbesondere des Freizeitverhaltens der Bevölkerung aus. Für zahlreiche Autobesitzer stelle das Autowaschen eine Form der Freizeitgestaltung dar. Insoweit gilt zwar, dass die Bürger an Sonntagen das sollen tun können, was sie je individuell für sich als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen (BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004, BVerfGE 111, 10 [51 f.]), auch wenn es sich hierbei um durchaus profane Bedürfnisse handeln mag. Auch ist es weder Sache des Gesetzgebers, dies zu bewerten, noch ist feststellbar, dass ein derartiges Freizeitinteresse nicht besteht. Vielmehr trägt der Gesetzgeber insoweit im Rahmen seines Einschätzungsermessens geänderten Verhältnissen Rechnung und stellt darauf ab, dass viele Autobesitzer mit langen Arbeitszeiten und langen Anfahrtswegen zur ihrer Arbeitsstätte kaum Zeit haben, ihr Kraftfahrzeug, auf das sie angewiesen sind, innerhalb der werktäglichen Öffnungszeiten zu waschen. Diesem Sachgrund kommt jedoch kein ausreichendes Gewicht zu, um darauf gestützt die unterschiedslose Öffnung aller Autowaschanlagen ohne den Sonntagsschutz gewährleistende Einschränkungen zu rechtfertigen. Damit bleibt die gesetzliche Regelung hinter dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag zurück. Es ist Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, wie er dem Schutzauftrag des Art. 109 Abs. 4 SächsVerf i.V.m. Art. 139 WRV in verfassungskonformer Weise Rechnung tragen will. Dies kann beispielsweise in der Weise erfolgen, dass ausschließlich der Betrieb bestimmter Autowaschanlagen, die den Charakter des Sonntags allenfalls geringfügig beeinträchtigen, allgemein oder auch der Betrieb von Autowaschanlagen mit höherem Störungspotential zugelassen wird – dies jedoch nur mit weiteren, den Sonntagsschutz gewährleistenden Einschränkungen –, oder aber in der Weise, dass er die Gemeinden ermächtigt, entsprechend den örtlichen Gegebenheiten den sonntäglichen Betrieb von Waschanlagen ausnahmsweise zuzulassen (vgl. BayVerfGH, a.a.O., S. 12 f.).“

 

Kommentar:

In einem anderen Verfahren hatte sich zuletzt auch das VG München (Urt. v. 22.05.2012 – M 16 K 11.5642) mit der Sonntagsöffnung zu beschäftigen. Konkret ging es dabei um die Frage, ob überhaupt und wenn ja was genau ein Erotik-Laden im Münchner Hauptbahnhof an Sonn- und Feiertagen verkaufen darf. Das Gericht kam zum Ergebnis, dass die Betreiberin ihr Ladenlokal auch an Sonn- und Feiertagen zwar geöffnet haben, allerdings nicht ihre ganze Produktpalette anbieten darf. Explizit von der Verkaufsmöglichkeit ausgenommen wurden bspw. Spiele und Geschenkartikel. Zur Begründung führt das Gericht an, das Ladenlokal befinde sich einerseits noch auf einem Personenbahnhof, andererseits handele es sich bei den zulässigen Verkaufsgütern unabhängig von deren Inhalt tatsächlich um „Reisebedarf“.