Infolge des Abgasskandals von VW wünschen sich viele Kunden die Rückgabe ihrer erworbenen Fahrzeuge. Sodann stehen sie vor den Fragen, ob und unter welchen Bedingungen dies möglich ist und gegen wen sie geltend gemacht werden können.
Sowohl das Landgericht Paderborn (Urteil vom 07.04.2017, Az. 2 O 118/16), als auch das Landesgericht Hildesheim (Urteil vom 17.01.2017, Az. 3 O 139/16), befassten sich kürzlich mit diesen Fragen. Dabei begehrten die Kläger die Rückgabe des Fahrzeugs gegen Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer gesetzlich vorgeschriebenen Nutzungsentschädigung. Wenngleich die Argumente beider Gerichte nicht in allen Punkten übereinstimmen, ergänzen sich ihre Ausführungen. Beide Gerichte kamen zu dem gleichen Ergebnis: Der Anspruch auf Rückabwicklung besteht.

In den Rollen der Beklagten befanden sich nicht die verkaufenden Autohäuser, sondern der Betrieb, der die Schummel-Software integrierte, die Volkswagen AG. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass in vielen Fällen der Anspruch gegen das verkaufende Autohaus verjährt sein wird. Zum anderen betonte das Landesgericht Hildesheim, dass nach § 826 BGB, auf den beide Gerichte in ihren Ausführungen stützen, dann ein Anspruch auf Schadensersatz gegen einen nicht-Vertragspartner geltend gemacht werden könne, wenn in der Verkaufskette ein früherer Verkäufer – wie in diesen Fällen – einen Schaden arglistig verschwiegen hat.
Ein Schaden wurde durch ein weites Verständnis des Begriffs des Schadens in § 826 BGB bejaht. Danach solle jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenlage – darunter fielen auch Belastungen mit einer ungewollten Verpflichtung – ausreichen. Dabei sei nicht entscheidend, dass der Kläger einen tatsächlichen Vermögensnachteil habe.
In den Entscheidungen wurde sodann davon ausgegangen, dass eine ungewollte Verbindlichkeit vorliege, da die Kläger die Kaufverträge unwissentlich, somit unfreiwillig, über ein Fahrzeug mit der integrierten Software schlossen. Weiterhin dürften und müssten die Kläger mangels anderweitiger Belehrung davon ausgehen, dass es sich bei den vom Beklagten angegebenen Schadstoffgrenzwerte nicht lediglich um solche im Prüfungsbetrieb handele.
Zudem wurde davon ausgegangen, dass der Schaden bedingt vorsätzlich erfolgte. Zum einen wurde angeführt, dass durch die Manipulation der gemessenen Abgaswerte durch die Software die Beklagte nicht nur Umweltvorschriften umginge, die der Allgemeinheit dienen würden. Vielmehr sollten sie Kunden dazu motiviert haben Fahrzeuge zu kaufen, die nicht der explizit beworbenen Umweltfreundlichkeit gerecht wurden.

Zum anderen wurde ausgeführt, dass der Beklagten bewusst gewesen wäre, dass die Dieselmotoren in Fahrzeuge eingebaut und weiterverkauft werden würden. Die Beklagte nähme damit durch die Integration der Software und des einhergehenden Inverkehrbringens billigend in Kauf, dass andere Schaden erleiden könnten. Deshalb ist es auch nicht entscheidend, dass der Motor sich z. B. in einem Audi befindet. VW wird als Hersteller des Motors in die Haftung genommen.
Ebenfalls wurde ein Verstoß gegen die guten Sitten angenommen. Die Beklagte umginge durch die Manipulation der gemessenen Abgaswerte durch die Software nicht nur Umweltvorschriften, die der Gesundheit der Allgemeinheit dienen würden. Vielmehr wären auch die Kunden dazu angehalten worden erhebliche Kostenaufwendungen für den Kauf von Fahrzeugen zu leisten, die gesetzeswidrig seien. Darüber hinaus käme es durch die Integration der Software zu Wettbewerbsvorteilen, da somit teurere Maßnahmen zur tatsächlichen Reduktion des Schadstoffausstoßes vermieden wurden. Dadurch sei ein falsches Image des Unternehmens vorgetäuscht worden. Zusätzlich wurde auf die Verwerflichkeit des Verschweigens der eingesetzten Software abgestellt. Die Manipulation hätte von Verbrauchern als technische Laien nicht erkannt werden können, so dass die Beklagte wohl davon ausginge, dass diese unbekannt bleiben würde.
Im Übrigen gingen beide Gerichte – unter Berücksichtigung der fehlenden Beweisfähigkeit des Klägers – davon aus, dass die vermeintliche Unkenntnis über den Einsatz der Software der berufenen Vertreter der Beklagten nicht hinreichend bewiesen werden konnte, sodass der Schaden der Beklagten nach § 31 BGB in Verbindung mit § 138 III ZPO zuzurechnen sei. Übersetzt bedeutet dies: Es gibt eine Beweislastumkehr zugunsten der Autokäufer für die Zurechnung der Manipulationen.
Im Ergebnis gaben beide Gerichte der Klage statt, so dass dem Kläger Zug-um Zug-gegen Rückgabe des Fahrzeugs ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 826, 31 BGB zustand. Somit wurden die Kläger so gestellt, wie sie ohne den Kauf des Fahrzeuges gestanden hätten, abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Diese richtet sich danach, wie viele km nach dem Kauf gefahren wurden und wie hoch die Gesamtlaufleistung des Motors zu schätzen ist. Das Gericht ging dabei von 300.000 km aus.
Das Landesgericht Hildesheim ging ebenfalls auf einen Anspruch aus § 823 BGB in Verbindung mit § 263 StGB aus, was zu derselben Rechtsfolge führte.
Die Entscheidungen sind – soweit ersichtlich – nicht rechtskräftig.

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