… eine Frage, die ich mir als Anwalt in meiner Praxis täglich stelle und natürlich dementsprechend Mandanten berate.

Die Frage weist zwei Ebenen auf. Vordergründig könnte man antworten: wenn die Abmahnung zu Recht erfolgt, sollte die Unterlassungserklärung abgegeben werden. Aber schon da beginnt der Spielraum: viele Sachverhalte sind nicht so eindeutig, wie sie der Abmahner gerne darstellt. Gerichte urteilen unterschiedlich oder haben sich mit der entsprechenden Frage noch gar nicht oder zumindest nicht höchstrichterlich (BGH) beschäftigt. Und selbst wenn man in Bezug auf den gerügten Verstoß zu einem eindeutigen Ergebnis kommt, heisst das nicht, dass die Abmahnung berechtigt ist. Dieses erstaunliche Ergebnis hängt mit dem Stichwort „Rechtsmissbrauch“ zusammen. Z. B. in Fällen einer rechtswidrigen Massenabmahnung. Ist in manchen Rechtsgebieten sogar gesetzlich geregelt, so in § 8 Abs. 4 UWG:

Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Wenn also das Geldverdienen im Vordergrund steht, ist die Abmahnung rechtswidrig. Folge: Unterlassungserklärung muss nicht abgegeben werden, und der Abmahner bekommt seine Anwaltskosten vom Abgemahnten nicht erstattet. Der Abmahner muss also seinen Anwalt selbst bezahlen. Und der Abgemahnte kann sogar die Kosten seines Anwalts ersetzt verlangen. Dieser Missbrauch muss dem Abmahner jedoch nachgewiesen werden – ein erhebliches Problem für den Abgemahnten. Deshalb ist ein Informationsaustausch der Abgemahnten untereinander sehr wichtig. So sehr Massenabmahnungen durch das Internet zugenommen hat, so sehr haben sich auch die Informationsmöglichkeiten der Abgemahnten weiterentwickelt. Auch diese Recherche gehört zu meinen Aufgaben. Ich stehe auch Anwaltskollegen zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung.

Angenommen, es bleibt trotz aller Überprüfungen bei einem (Rest-)Risiko des Mandanten, so dass ich eigentlich zur Abgabe der Unterlassungserklärung raten müsste. Jetzt kommt die zweite Ebene ins Spiel:

Die Vorteile, sich verklagen zu lassen. Oder genauer: es hierauf ankommen zu lassen.

Diese gibt es durchaus:

  • Nicht jeder Abmahner macht ernst: gerade in Fällen der Massenabmahnung folgt der Androhung von gerichtlichen Schritten….nichts!
  • Die Abgabe einer Unterlassungserklärung beinhaltet eine Vertragsstrafe, die bei weiteren Verstößen fällig wird. In der anwaltlichen Praxis erlebe ich es häufiger, dass Mandanten die Abstellung des gerügten Verstoßes nicht oder nicht rechtzeitig schaffen. Schon schnappt die Falle zu. Je nach Fall können dabei vier- oder fünfstellige Beträge fällig werden – auch bei variabler Vertragsstrafe („modifiziert“). Wenn sich der Mandant verurteilen lässt, kann im Verstoßensfalle ein Ordnungsmittel festgesetzt werden. Dieses ist aber nicht an den Gegner, sondern an die Staatskasse zu zahlen. Damit wird dem Gegner zumindest ein Teil seiner Motivation entzogen, ständig auf der Lauer nach weiteren Verstößen zu liegen.

Der Mandant muss sich im klaren sein, dass er eventuell zwar erst mehr zahlt (höhere Anwalts- und Gerichtskosten), dass er aber am Ende vielleicht trotzdem besser dasteht.

Als Mittelweg bietet sich an, die Unterlassungserklärung modifiziert und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abzugeben, aber die gegnerischen Anwaltskosten nicht zu erstatten. Diese muss der Gegner dann gesondert einklagen und dafür einen Gerichtskostenvorschuss einzahlen. Durch die Abgabe der Unterlassungserklärung wird das Kostenrisiko minimiert. Hintergrund: der Unterlassungsanspruch macht den Löwenanteil am gesamten Streitwert aus. Durch Abgabe der Unterlassungserklärung ist dieser Anspruch erfüllt und kann nicht mehr eingeklagt werden. Die Gebühren allein machen dann den Gegenstandswert aus.

Alle diese Fragen werden von mir von Einzelfall zu Einzelfall individuell mit dem Mandanten besprochen. Eine allgemeingültige Antwort auf die eingangs gestellte Frage gibt es daher nicht.