Rechtsnormen: § 32 Abs. 2 BOÄ S-H (Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein)

Mit Urteil vom 14.01.2013 (Az. 6 U 16/11) hat das OLG Schleswig entschieden, dass die ungefragte Nennung zweier Hörgeräteakustiker durch einen HNO-Arzt wettbewerbswidrig ist.

Zum Sachverhalt:

Der beklagte Arzt wurde von einem Testpatienten aufgesucht. Dessen Aufgabe war es, wettbewerbswidriges Verhalten von Hals-Nasen-Ohren-Ärzten in Schleswig-Holstein aufzuspüren. Der Beklagte diagnostizierte beim Testpatienten eine beidseitige Schwerhörigkeit und verordnete ihm Hörgeräte. Der Arzt und auch sein Praxisteam befragten den Patienten, ob dieser bereits einen Hörgeräteakustiker habe. Der Testpatient beantworte die Frage jeweils mit „nein“, woraufhin er auf die beiden in der Gemeinde ansässigen Hörgeräteakustiker hingewiesen wurde. Eines der beiden Unternehmen hatte seinen Betreib im selben Haus wie die HNO-Praxis, für den anderen Anbieter überreichte die Arztpraxis eine Wegbeschreibung. Allerdings bat der Patient zuvor nicht um eine Empfehlung. In diesem Verhalten erkannte die Wettbewerbszentrale ein wettbewerbswidriges Verhalten des Arztes. Er verstoße gegen § 32 Abs. 2 BOÄ S-H, wonach ein Arzt seinen Patientinnen und Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärzte, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen darf. Zur Verteidigung gab der beklagte Arzt an, er habe auf beide vor Ort ansässigen Hörgeräteakustikbetriebe hingewiesen und dabei keinen in unzulässiger Weise hervorgehoben.

Das OLG Koblenz folgte nun der Ansicht der Wettbewerbszentrale und untersagt es dem Beklagten, Patienten zur Versorgung mit Hörgeräten an bestimmte Hörgeräteakustikbetriebe zu verweisen, ohne dass die Patienten zuvor um eine Empfehlung gebeten hätten und ohne dass es hierfür einen besonderen Grund gegeben hätte.

Das Gericht führt in seiner Nachricht vom 01.02.2013 zu den Entscheidungsgründen aus:

„Nach Auffassung des OLG Schleswig verstößt das Verhalten des Arztes gegen die Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein (§ 32 Abs. 2 BOÄ S-H). Hiernach darf der Arzt nicht ohne hinreichenden Grund seinen Patientinnen und Patienten bestimmte Hilfsmittelerbringer empfehlen oder an diese verweisen. Eine Verweisung bzw. Empfehlung im Sinne dieser Vorschrift liege vor, wenn der Arzt von sich aus und ohne Aufforderung oder Bitte des Patienten tätig wird und Anbieter gesundheitlicher Leistungen benennt. Dafür reiche es aus, dass der Arzt den Patienten von sich aus frage, ob der Patient einen geeigneten Hörgeräteakustiker kenne, und dann bei Verneinung der Frage nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benenne, sondern nur bestimmte unter ihnen. Der beklagte Arzt habe nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benannt, zumal der Testpatient in Lübeck gewohnt habe und so ohne weiteres auch Lübecker Betriebe in Betracht gekommen wären. Für die Benennung der beiden Hörgeräteakustiker vor Ort habe es keinen hinreichenden Grund im Sinne der ärztlichen Berufsordnung gegeben. Zwar könnten sich Gründe aus der Qualität der Versorgung und aus schlechten Erfahrungen anderer Patienten ergeben. Dies rechtfertige jedoch nur dann die Benennung bestimmter Anbieter, wenn die Qualität der Versorgung bei allen anderen in Betracht kommenden Anbietern schlechter sei und andere Patienten mit allen anderen schlechtere Erfahrungen gemacht hätten. Dies habe der beklagte Arzt nicht vorgetragen.“

Kommentar:

Praktizierenden Ärzten ist anzuraten, von derartigen Empfehlungen ohne vorherige Nachfrage durch ihre Patienten vorläufig abzusehen. Es bleibt abzuwarten, ob der Fall noch ins Revisionsverfahren zum BGH gehen wird. Erst im Anschluss an eine bundesgerichtliche Entscheidung ließe sich abschließend klären, ob sich Ärzte durch eine Empfehlung von Anbietern gesundheitlicher Heilmittel ohne konkrete vorherige Nachfrage durch einen Patienten tatsächlich wettbewerbswidrig verhalten. Im Prinzip liegt der Fall jedoch auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Gerade im Bereich der Hörgeräteakustik kommt es immer wieder zu rechtswidrigen Empfehlungen durch Ärzte. Hörgeräteakustiker werden durch dieses Urteil in ihren Rechten gestärkt. Sie können auch selbst gegen entsprechende Ärzte wettbewerbsrechtlich vorgehen. Wichtig dabei ist allerdings ein Zeuge, der den Verstoß auch vor Gericht (z. B. in einer eidesstattlichen Versicherung) bestätigt.

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