Aktuell hat das OLG Nürnberg mit Urteil vom 15.11.2011 (Az. 3 U 354/11) entschieden, dass ein Getränkehersteller ein natürliches Mineralwasser unter der Bezeichnung „Bio-Mineralwasser“ bewerben und verkaufen darf. Beim Verbraucher werde durch die Verwendung der Bezeichnung „Bio“ nicht der falsche Eindruck eines besonderen (staatlichen) Lizenzierungs- und Kontrollverfahrens geweckt. Dies ergebe sich schon aus der inzwischen ausufernden Verwendung der Bezeichnung „Bio“, was dem Verbraucher durchaus bewusst sei.
Zum Sachverhalt:
Es klagte die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V.“ gegen einen Getränkehersteller, der eines seiner Produkte als „Bio-Mineralwasser“ bezeichnet. Die Klägerin betrachtet diese Kennzeichnung als irreführend, da natürliches Mineralwasser stets seinen Ursprung in unterirdischen und vor Verunreinigungen geschützten Quellvorkommen habe und folglich stets rein und „bio“ sei.
Das erstinstanzliche LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 19.01.2011, Az. 3 O 819/10) folgte der klägerischen Ansicht und verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Nach Ansicht des Landgerichts erwarten die angesprochenen Verkehrskreise, dass sich das „Bio-Mineralwasser“ vom konventionellen Mineralwasser unterscheide. Diese Unterscheidung müsse insbesondere durch einen besonders umweltschonenden Gewinnungs- und Herstellungsprozess unter Verzicht auf weitere Zusatzstoffe nachgewiesen werden. Das „Bio-Mineralwasser“ erfülle aber diese Erwartungen nicht, zumal nicht einmal gesetzliche Vorschriften hinsichtlich eines möglichen Heilungsprozess existierten. Das Zertifizierungssystem sei demgegenüber rein privatrechtlich organisiert und knüpfe lediglich an die durch die Trinkwasserverordnung vorgegebenen Grenzwerte für Mineralwasser (zur Zubereitung für Säuglingsnahrung) an.
Dieser Ansicht folgte das Berufungsgericht aber nicht und hob das erstinstanzliche Urteil teilweise auf .
Das OLG Nürnberg kam nun zur Erkenntnis, dass sich das streitgegenständliche „Bio-Mineralwasser“ „tatsächlich von zwar nicht allen, aber doch vielen anderen Mineralwässern unterscheide“.
Zur Begründung führt das fränkische OLG aus, dass der vom Beklagten vorgelegte Kriterienkatalog darauf schließen lasse, dass beim „Bio-Mineralwasser“ „tatsächlich die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Inhaltsstoffe erheblich unterschritten“ werden. So werde bspw. „der zulässige Grenzwert für Nitrat und Nitrit von der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e.V. deutlich niedriger angesetzt, als dies in den gesetzlichen Richtlinien vorgesehen ist. “
Darüber hinaus stellt das Gericht fest, dass der Verbraucher mit der Bezeichnung „Bio“ nicht die (falsche) Erwartung verbinde, dass diese Bezeichnung durch ein staatliches Lizenzierungsverfahren erteilt worden sei und der ständigen staatlichen Kontrolle unterliege.
„Dies ergäbe sich schon daraus, dass der Begriff „Bio“ zwischenzeitlich „ausufernd“ für eine Vielzahl von Produkten verwendet wird.“
Das OLG bestätigte die Vorinstanz allerdings dahingehend, als dem Beklagten die Verwendung seines viereckigen Siegels „Bio Mineralwasser“ untersagt wurde. Nach seiner Gestaltung sei das Siegel dem bekannten „sechseckigen Ökokennzeichen nachgemacht und erwecke deshalb den Eindruck, dass es sich um ein Derivat des offiziellen Kennzeichens handele und die Bezeichnung damit ebenfalls staatlich geschützt sei.“
Kommentar:
Das Urteil ist noch nicht rechtkräftig. Das Gericht ließ das Rechtsmittel der Revision zum BGH wegen der grundsätzlichen Bedeutung der gegenständlichen Rechtsfragen und der abweichenden Entscheidung zum erstinstanzlichen Urteil zu. Es ist daher davon auszugehen, dass die Wettbewerbszentrale (Klägerin) in die Revision gehen wird.
Wesentliche Aufgabe für den BGH wird es sein, zu überprüfen, ob die Ansicht des OLG hinsichtlich der Verkehrsauffassung des Begriffs „Bio“ vertretbar ist. Das OLG geht davon aus, dass der Verbraucher sehr wohl wisse, dass die Bezeichnung „Bio“ nicht auf ein besonderes staatliches Lizenzierungsverfahren mit weitergehender Kontrolle schließen lasse. Ich persönlich halte die Einschätzung des LG Nürnberg-Fürth für überzeugender. Wasser, das nicht aus Wasserrückgewinnung oder Entsalzungsanlagen stammt, ist von Natur aus „Bio“. Das Problem besteht aber natürlich darin, dass der Begriff „Bio“ nicht gesetzlich geregelt ist, sondern nur die Verwendung des staatlichen Kennzeichens für „Bio“.