Das OLG München hat mit rechtskräftigem Urteil vom 10.12.2010 (Az. 29 U 3789/09) entschieden, dass ein Ärzteverband gegen Wettbewerbsrecht (§§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 1 UWG) verstößt, wenn er seinen Mitgliedern Infobroschüren zur Weitergabe an deren Patienten übersendet, deren Inhalt darauf abzielt, diese von einem Kassenwechsel zu überzeugen. § 69 Abs. 1 SGB V hat hinsichtlich dieses Falls keine ausschließende Wirkung.
Zum Sachverhalt:
Ein Ärzteverband, dem ¾ aller bayrischen Hausärzte angehören, schloss einen Hausarztvertrag mit einer Krankenkasse ab. Gemäß § 73b SGB V konnten die Versicherten dieser Krankenkasse eine besondere hausärztliche Versorgung erlangen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit anderen Krankenkassen bereitete der Verband für seine Mitglieder folgende Patienteninformation vor:
„Nur die …-Kasse (…) hat mit dem Hausärzteverband einen umfassenden Hausarztvertrag abgeschlossen. Dieser Hausarztvertrag bringt für die Versicherten der …-Kasse deutliche Vorteile: (…) Liebe Patienten, wenn Sie über einen Kassenwechsel nachdenken, sollten Sie vielleicht auch den Erhalt Ihrer hausärztlichen Versorgung in Ihre Überlegungen einbeziehen. (…) Über Ihre Unterstützung freuen wir uns, denn wir möchten Sie auch in Zukunft gut versorgen! (…) Ihr Praxisteam!“
Per Einstweiliger Verfügung, die durch das LG München mit Urteil bestätigt wurde, wurde eine Weiterleitung des Schreibens an die Patienten verhindert.
Das OLG München bestätigte nun das Urteil der Vorinstanz und bekräftigte den Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 iVm §§ 3, 4 Nr. 1 UWG. § 69 Abs. 1 SGB V schließt die Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht aus.
Das Gericht führt aus:
„Das streitgegenständliche Verhalten betreffe aber keine Maßnahmen zur Erfüllung des Versorgungsauftrages. Es erschöpfe sich in der Werbung für eine Krankenkasse und habe nur mittelbaren Versorgungsbezug, was für den Ausschluss des Wettbewerbsrechts nicht ausreiche. (…) Die Überlassung der Patienteninformation sei eine geschäftliche Handlung. Der Beklagte fördere dadurch seine hausärztlichen Mitglieder, die finanzielle Vorteile erlangten, wenn möglichst viele ihrer Patienten über die in der Information genannte Krankenkasse an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen. Durch autoritären Druck beeinträchtige die Information die Entscheidungsfreiheit des Patienten. Es sei nur so zu verstehen, dass die hausärztliche Versorgung gefährdet sei, falls der Patient nicht zu der genannten Kasse wechsle. Im Übrigen vertrete der Beklagte ¾ der bayrischen Hausärzte, somit sei die Aussage nicht durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gerechtfertigt. Es sei eine spürbare unlautere Beeinträchtigung nach § 3 Abs. 1 UWG gegeben.“