Rechtsnorm: § 19a UrhG

Mit Urteil vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) hat das OLG Köln entschieden, dass ein Internetanschlussinhaber nicht zwingend für Urheberrechtsverletzungen haftet, die von seinem den Anschluss mitbenutzenden Ehegatten begangen wurden. Den Kläger trifft bei im Zweifelsfall die Beweislast für die konkrete Täterschaft.

Zum Sachverhalt:

Über den Internetanschluss der beklagten Ehefrau wurde an zwei Tagen jeweils ein Computerspiel zum Download angeboten. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Spiel und ließ die beklagte Ehefrau zunächst abmahnen, die die Abmahnung nicht akzeptierte. Der Rechtsstreit ging daraufhin vor Gericht.

Das erstinstanzliche LG Köln verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und zum Schadensersatz nebst Erstattung der Abmahnkosten und Anwaltsgebühren. Das Gericht folgte dabei nicht der Argumentation der Beklagten, wonach ihr inzwischen verstorbener Ehemann den Internetanschluss hauptsächlich genutzt und auch das Spiel im Internet angeboten habe. Gegen die Entscheidung des LG legte die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung ein, woraufhin das OLG Köln nun das erstinstanzliche Urteil aufhob und zugunsten der Beklagten entschied.

Streitgegenständlich war insbesondere die Frage, wer den Nachweis zu erbringen hat, wer genau die (unstreitige) Urheberrechtsverletzung beging.

In Anwendung der BGH-Rechtsprechung „Sommer unseres Lebens“ geht das OLG Köln in seiner Presseerklärung vom 21.05.2012 davon aus, dass zwar eine Vermutung dafür spreche, dass der Anschlussinhaber selbst der Täter gewesen sei. Lege der Inhaber jedoch – wie hier – die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes dar, müsse der Inhaber des Urheberrechts den Beweis für die Täterschaft führen. Da die Klägerin im vorliegenden Fall keinen Beweis für die Urheberrechtsverletzung durch die beklagte Ehefrau angeboten hatte, war davon auszugehen, dass das Computerspiel von dem Ehemann zum Download angeboten worden war.

Auszug aus dem Urteilswortlaut:

„Erst recht obliegt dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Die oben erwähnte – tatsächliche – Vermutung seiner Verantwortlichkeit beruht nämlich (mangels einer dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB oder § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entsprechenden Regelung) nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern wie der (nach herrschender Meinung nicht auf individuelle Willensentschlüsse anwendbare) Beweis des ersten Anscheins (vgl. Zöller /Greger, a. a. O., Rn. 29, 31; Prütting/Gehrlein /Laumen, a. a. O., Rn. 25 ff., 37 m. w. N.) auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschlussinhabers – wie sein Ehegatte – selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen können; mit dieser Begründung hat der Senat der Beklagten in erster Instanz bereits Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung bewilligt (Beschluss vom 24.03.2011 – 6 W 42/11 = MMR 2011, 396 m. w. N.).“

Die Beantwortung der weitergehenden Frage, ob der Anschlussinhaber auch für von Dritten begangene Urheberrechtsverletzungen haftet, war somit nicht mehr entscheidend. Das OLG Köln geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten noch keine Haftung auslöst. Eine solche könne allenfalls dann in Betracht kommen, wenn entweder der Anschlussinhaber Kenntnis davon hat, dass der Ehepartner den Anschluss für illegale Aktivitäten nutzt (was hier nicht der Fall war), oder wenn eine Aufsichtspflicht bestünde. Eine Prüf- und Kontrollpflicht wird angenommen, wenn Eltern ihren Anschluss durch ihre (minderjährigen) Kinder mitnutzen lassen und diese im Internet Urheberrechtsverletzungen begehen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zwischen Ehepartnern.

Das Gericht schließt demnach eine Haftung nach den Grundsätzen der Störerhaftung aus: Entgegen der Auffassung der Klägerin haftet die Beklagte als Inhaberin des Internetanschlusses für die streitbefangenen Urheberrechtsverletzungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht.“

Kommentar:

Mangels höchstrichterlicher Klärung der Verantwortlichkeit eines Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen des (verstorbenen) Ehepartners ließ das OLG Köln die Revision zum BGH zu. Die Kölner Richter wenden die BGH-Rechtsprechung „Sommer unseres Lebens“ (Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08) konsequent an und führen aus, dass es zwar grundsätzlich nahe liege, dass der Anschlussinhaber, also die Beklagte, selbst der Täter der Urheberrechtsverletzung sei. Wenn allerdings eine ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes vorliege, habe der klagende Urheberrechtsinhaber den Beweis für die Täterschaft zu erbringen. Es bleibt nun abzuwarten, ob der BGH diese Entscheidung bestätigen wird, wovon allerdings angesichts seiner jüngeren Rechtsprechung auszugehen ist.