Rechtsnorm: § 406 ZPO

Mit Beschluss vom 24.01.2013 (Az. 4 W 645/12) hat das OLG Koblenz entschieden, dass ein medizinischer Sachverständiger, der sich auf seiner Internetseite offensichtlich einseitig zugunsten einer Partei äußert, wegen fehlender Neutralität und der Besorgnis einer Befangenheit abgelehnt werden kann.

Zum Sachverhalt:

In einem Schadensersatzprozess einer Patientin gegen eine Klinik, deren Geschäftsführer, eine Anästhesistin und eine Medizinstudentin bestellte das Gericht einen Sachverständigen zum Gutachter. Dieser trug sein Gutachten im Rahmen der Hauptverhandlung mündlich vor. Die Beklagten lehnten den Gutachter wegen einer möglichen Befangenheit ab. Zur Begründung trugen sie vor, dieser habe sich zuvor auf seiner Internetseite pauschal gegen die Behandlerseite gestellt. Daher sei er als gerichtlich bestellter Gutachter nicht unvoreingenommen und somit abzulehnen.

Das Landgericht wies den Antrag der Beklagten zurück, woraufhin diese das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde beim OLG Koblenz einlegten.

Das OLG gab dem Antrag nun statt.

Nach Ansicht des Gerichts schüre die Gestaltung der Homepage des Sachverständigen Misstrauen an seiner Unvoreingenommenheit und Überparteilichkeit.

Zur Begründung führt das Gericht in seiner Presseerklärung vom 30.01.2013 aus:

„Er (Sachverständiger) hebe in dem Internet-Auftritt ausdrücklich und mehrfach seine Patientennähe hervor. Es gehe ihm erkennbar und grundsätzlich darum, eine kritische Distanz zu den Klinikbetreibern zu dokumentieren, denen er pauschal organisatorische Mängel, Behandlungsfehler und Gewinnstreben unterstelle. Die Homepage sei geprägt von seiner veröffentlichten Meinung, infolge einer zu missbilligenden, am Gewinnstreben orientierten schlechten Organisation der Patientenversorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen komme es zu Patientenschädigungen. Die Überschrift „Patientensicherheit vs. Sparen“ präsentiere er dabei als „Grundidee“. Auf nahezu allen Seiten der Internetpräsenz fänden sich Darstellungen dieser Problematik, ausschließlich mit der Maßgabe, der Fehler liege auf Behandlungsseite. Die Beklagten hätten daher berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit des Gutachters.“

Das Gericht betont weiter:

„Die Darstellungen des Sachverständigen im Rahmen seines Internetauftritts seien nicht grundsätzlich zu missbilligen, vielmehr sei das zum Ausdruck kommende Streben nach Patientensicherheit anerkennenswert. Hiervon grundsätzlich zu unterscheiden sei jedoch der Umstand, dass der Sachverständige infolge seiner bewussten und veröffentlichten Hinwendung ausschließlich zu Patienteninteressen und der Schaffung einer erkennbaren Distanz zu den Klinikbetreibern aus deren Sicht als Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren nicht mehr als unvoreingenommen anzusehen sei.“

Schließlich merkt das Gericht an, der Sachverständige habe bei der Erstattung seines Gutachtens vor dem Landgericht die Grenzen seines Gutachtenauftrags überschritten und zu Themen Stellung genommen habe, zu denen er nicht beauftragt war.

Kommentar:

Das vorliegende Gutachten ist somit für das Verfahren unbrauchbar, weswegen das Landgericht nun  ein weiteres Gutachten in Auftrag wird geben müssen.

Sachverständige und sonstige zur Objektivität, Überparteilichkeit und Unvoreingenommenheit verpflichtete Personen sollten daher dringend auch auf die Darstellungen auf ihren Internetseiten Acht geben. Wie das OLG Koblenz ausführt, können einseitige Ausführungen auf der Internetseite zu einer Ablehnung wegen Befangenheit führen.

Für Rückfragen steht Ihnen die Kanzlei Dr. Graf gerne zur Verfügung.