Rechtsnormen: §§ 19a, 97 Abs. 1 UrhG; §§ 242, 276 Abs. 1, 315, 398 BGB

Mit Urteil vom 12.09.2012 (Az. 6 U 58/11) hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass eine im Rahmen einer Unterlassungsverpflichtung abgegebene Erklärung, eine „Nutzung“ zu unterlassen, den vollständigen Verzicht auf alle Handlungen, die ohne die Einräumung von Nutzungsrechten gem. § 31 ff. UrhG dem Urheber gegenüber rechtswidrig sind, bedeutet. Schon die abstrakte Möglichkeit einer Erreichbarkeit durch Eingabe der betreffenden URL reicht für ein öffentliches Zugänglichmachen nach § 19 a UrhG aus.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte ist Betreiberin eines Internetportals. Ende 2009 erschien im Rahmen eines Artikels ein Bild, das eine Visagistin abbildet. Die Beklagte hatte kein Nutzungsrecht an diesem Bild und wurde abgemahnt. Sie gab eine Unterlassungserklärung ab, wonach sie „es zukünftig bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung von den Unterlassungsgläubigern nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) festzusetzenden und im Streitfall vom zuständigen Amts- bzw. Landgericht auf Angemessenheit zu überprüfenden Vertragsstrafe zu unterlassen (hat), das nachfolgend wiedergegebene Lichtbild ohne Lizenz der Unterlassungsgläubiger im Internet zu nutzen …“. Da das Bild auch nach Abgabe der Unterlassungserklärung noch auf der Internetseite zu sehen war, forderte die Zedentin die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe iHv EUR 7500,- auf. Die Beklagte wies diesen Anspruch zurück. Zudem änderte sie ihre bisherige Firma und verschmolz mit einer anderen Gesellschaft. Die Klägerin führt aus, die Beklagte habe schuldhaft gegen die Unterlassungsvereinbarung verstoßen, da die Datei mit dem vereinbarungsgegenständlichen Lichtbild auf einem ihrer Server noch gespeichert und abrufbar gewesen sei. Dies sei als Nutzung im Internet im Sinne der Unterlassungsvereinbarung zu verstehen. Auch die eingeklagte Vertragsstrafe sei der Höhe nach angemessen, da sie die Funktion eines pauschalierten Schadensersatzes habe und außerdem als Druckmittel wirken solle. Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt, macht geltend, der Klägerin fehle die Aktivlegitimation. Auch sei die Beklagte durch die Verschmelzung mit einer anderen Gesellschaft nicht weiter passivlegitimiert. Hinsichtlich des geforderten Schadensersatzes führt sie aus, sie habe das Bild nicht „genutzt“, sondern allenfalls öffentlich zugänglich gemacht. Im Übrigen habe sie das Bild auf allen Servern gelöscht. Mangels Verschulden liege somit kein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung vor.

Nachdem das erstinstanzliche Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben hatte, bestätigte das OLG nun dieses Urteil und folgt dabei vorigen Entscheidungen des KG Berlin und des OLG Hamburg.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in der vom Landgericht zugesprochenen Höhe zu. Er ergibt sich aus der Vertragsstrafenvereinbarung in Verbindung mit den wirksamen Abtretungen, § 398 BGB.

Die Vertragsstrafe ist durch einen von der Beklagten zu vertretenden Verstoß gegen die vertragliche Unterlassungspflicht in der geltend gemachten Höhe verwirkt. Das Versprechen einer Vertragsstrafe gemäß § 339 BGB bedarf im Hinblick auf seine Reichweite der Auslegung. (…) Gerade im Hinblick darauf, dass die Beklagte nicht nur eine eigene Plattform unterhält, sondern zugleich in großem Umfang Providerdienste anbietet, deutet alles darauf hin, dass das Bild generell der lizenzfreien Nutzung durch Dritte entzogen werden sollte. Bei dieser Sachlage ist der Unterlassungsvertrag nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) dahin auszulegen, dass die von der Beklagten übernommene Verpflichtung dahin ging, das beanstandete Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Das Vertragsstrafeversprechen bezieht sich demnach auf jede Nutzung im Sinne eines öffentlichen Zugänglichmachens ohne Einverständnis des Berechtigten. Ob das betreffende Verhalten im Rechtssinn als „Nutzung“ des Lichtbildes im Internet angesehen werden kann, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das ursprünglich beanstandete Verhalten der Beklagten auch nach den Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes eine Nutzung des Werks darstellte. Das Lichtbild konnte von jedermann über die lnternetseite der Beklagten aufgerufen werden. Mithin hat die Beklagte in das dem Urheber zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werks gem. § 19a UrhG eingegriffen. § 19a UrhG zählt zwar zum Unterabschnitt über Verwertungsrechte. (…) Vor diesem Hintergrund bedeutet die Verpflichtung der Beklagten, eine „Nutzung“ zu unterlassen, nichts anderes als den Verzicht auf alle Handlungen, die ohne die ohne die Einräumung von Nutzungsrechten gem. § 31 ff. UrhG dem Urheber gegenüber rechtswidrig sind.

Aufgrund der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung war die Beklagte verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das betreffende Lichtbild nicht mehr über ihre Website oder die von ihr verwendete URL öffentlich zugänglich war. Ein Zugänglichmachen in diesem Sinn wird nicht dadurch objektiv ausgeschlossen, dass eine URL so aufwendig ausgestaltet ist, dass sie als Sicherheitscode kaum überwunden werden könnte. Es spricht nach Auffassung des Senats viel für die Richtigkeit der vom Oberlandesgericht Hamburg vertretenen Auffassung, schon die abstrakte Möglichkeit der Erreichbarkeit durch Eingabe der betreffenden URL reiche für § 19 a UrhG aus (OLG Hamburg, Urt. v. 14.03.2012, 5 U 87/09 juris Rn. 108). Für den Streitfall ist entscheidend, dass es Dritten dann, wenn – wie im Streitfall – eine Verlinkung mit einer Website bestanden hat, möglich bleibt, das im Internet zugängliche streitgegenständliche Lichtbild auch ohne genaue Kenntnis der URL aufzufinden. Das ermöglichen zum einen auf den Rechnern Dritter gespeicherte URLs, welche die Nutzer unmittelbar auf die noch vorhandene Datei führen (ebenso OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 383 juris Rn. 33), und zum anderen der Einsatz von Suchmaschinen.

Die Verwirkung einer Vertragsstrafe setzt nach allgemeiner Ansicht ein Vertretenmüssen des Schuldners voraus, das gemäß § 276 Abs. 1 BGB bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu bejahen ist. Fahrlässig handelt, wer das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt außer Acht lässt. Richtig ist, dass das Sich-Verlassen auf eine im Normalfall fehlerfrei arbeitende Software für sich genommen kaum den Vorwurf mangelnder Sorgfalt begründen könnte. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die rechtswidrige Verwendung des streitgegenständlichen Lichtbildes in ihrem Internet-Angebot bereits fortlaufend subjektive Rechte Dritter, nämlich der Zedenten, verletzte. Wenn sie sich nunmehr zur künftigen Unterlassung dieser Verletzungen verpflichtete, so war von ihr ein besonderes Maß an Sorgfalt bei der Umsetzung der dazu erforderlichen Maßnahmen zu erwarten. Bei Einhaltung dieser Sorgfalt hätte die Beklagte festgestellt, dass mindestens bei einigen Servern der von ihr behauptete Löschbefehl nicht ausgeführt worden war. Eine nähere Überprüfung durfte nicht deshalb unterbleiben, weil das rechtswidrig verwendete Lichtbild nach Darstellung der Beklagten womöglich auf mehreren Dutzend Servern gespeichert war. Deshalb entlastet die vorgetragene Kontrolle der Abrufbarkeit des Lichtbildes anhand der URL durch einen Mitarbeiter die Beklagte nicht. (…) Im Hinblick auf die Bedeutung einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungsverpflichtung, die von der Beklagten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht täglich und nicht in großer Zahl abgegeben wird, wäre es jedenfalls zu erwarten gewesen, selbst dreißig Server einzeln auf womöglich noch vorhandene verletzende Dateien zu untersuchen.

Die Passivlegitimation der Beklagten ergibt sich daraus, dass sie als Unterlassungsschuldnerin selbst Partnerin des Unterlassungsvertrags ist. Daran hat sich weder durch die Änderung ihrer Firma noch dadurch etwas geändert, dass nachträglich dritte Unternehmen auf die Beklagte verschmolzen worden sind. In einem solchen Fall tritt hinsichtlich der übernehmenden Gesellschaft keine Rechtsnachfolge ein. Darauf hat das Landgericht zutreffend hingewiesen.

Der Vorwurf der Beklagten, die Zedenten hätten ihr gem. § 315 BGB bei der Bemessung der Vertragsstrafe auszuübendes Ermessen nicht selbst und nicht sachgerecht ausgeübt, geht fehl. (…) Die Beanstandungen der Beklagten im Hinblick auf die vermeintlich fehlende Ermessensausübung richten sich im Wesentlichen gegen die mangelnde Begründung der Ermessensentscheidung. Da privatrechtliche Rechtsbehelfe aber grundsätzlich nicht motivationsbedürftig sind, besteht ohne besonderen Anhaltspunkt im Gesetz auch keine Begründungspflicht für die Ausübung leistungsbestimmender Gestaltungsrechte (Würdinger, in Münchener Kommentar, 6. Aufl., 2012, § 315 BGB Rdnr. 38). Die von der Beklagten herangezogenen Fälle (AS. 37 f.) stammen durchweg aus dem Bereich des Arbeitsrechts und sind daher nicht verallgemeinerungsfähig. Soweit den Erklärenden ausnahmsweise nach § 242 BGB die Pflicht trifft, den anderen Teil über die Gründe seines Vorgehens zu unterrichten, kann eine Verletzung dieser Pflicht allein Schadensersatzfolgen nach sich ziehen. Die Ermessensausübung wird auch nicht dadurch fehlerhaft, dass sie bei mehreren Anspruchsinhabern koordiniert erfolgt. Der Möglichkeit, persönlich geprägtes Ermessen auszuüben, entspricht keine Pflicht zur Individualität. Es wäre deshalb auch unerheblich, wenn die Zedenten sich aufgrund gemeinsamer Beratung durch die Klägerin zu einem einheitlichen Vorgehen entschlossen hätten. Die Gerichte sind auf eine Ergebniskontrolle beschränkt. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, weshalb die geltend gemachte Vertragsstrafe in Höhe von jeweils € 2.500,00 im vorliegenden Fall jedenfalls nicht unbillig erscheint. Rechtsfehler lässt diese Bewertung nicht erkennen.

Jedenfalls handelt es sich der Sache nach um drei selbständige Ansprüche, die nach der Verpflichtungserklärung vom 22. Dezember 2009 (Anlage K 4) unterschiedlichen Gläubigern zustanden.

Die entstandenen Ansprüche wurden durch die Vereinbarung vom 2. bzw. 28. Juni 2010 (AS, 85 der Akten des Landgerichts) einzeln und gem. § 398 BGB wirksam an die Klägerin abgetreten. Der Angriff der Beklagten auf die Aktivlegitimation der Klägerin geht damit fehl.“

Kommentar:

Das Gericht folgt vorigen Entscheidungen des KG Berlin (Beschl. v. 28.04.2010 – Az. 24 W 40/10) und des OLG Hamburg (Urt. v. 09.04.2008 – Az. 5 U 151/07; Beschl. v. 08.02.2010 – Az. 5 W 5/10).

Für die Praxis werden insbesondere die Ausführungen des OLG Karlsruhe zum Vertretenmüssen des Beklagten sein: Wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk bzw. hier das streitgegenständliche Lichtbild auf mehreren Dutzend Servern rechtswidrig gespeichert war, reicht es nach einer abgegebenen Unterlassungsverpflichtung im Falle technischer Probleme nicht aus, einen Löschungsvorgang durchzuführen und diesen durch einen Mitarbeiter überprüfen zu lassen, wenn das geschützte Werk danach weiterhin öffentlich zugänglich ist.  Vielmehr ist in einem solchen Fall zu erwarten, selbst dreißig Server einzeln und manuell auf die Datei zu untersuchen, insbesondere da derartige Unterlassungsverpflichtungen vermutlich nicht täglich und nicht in großer Zahl abgegeben werden.