Das OLG Hamm hatte in dem Verfahren – 4 U 1/09 – darüber zu entscheiden, ob auch nach 11 Jahren noch ein Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung erfolgen kann (Urteil vom 30.04.2009). Es ging dabei um zwei Unterlassungserklärungen mit Bezug auf Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel. Das OLG Hamm hatte sich mit verschiedenen interessanten Rechtsfragen auseinander zu setzen.

1. Die Unterlassungserklärungen waren ursprünglich von dem Inhaber einer Einzelhandelsfirma abgegeben worden. Die Verstöße wurden jedoch von einer GmbH begangen, deren Geschäftsführer der damalige Inhaber der Einzelfirma ist. Da zwischen Einzelfirma und deren Inhaber nicht getrennt werden könne, habe sich der Beklagte selbst verpflichtet. Der persönlich verpflichtete Unterlassungsschuldner könne sich seiner Verantwortung nicht entziehen, indem er sich nunmehr eines Dritten bedient oder als Geschäftsführer dieses Dritten handelt. Im Übrigen hätte er als Geschäftsführer den Verstoß verhindern können. Es hilft also nichts, wenn ein Einzelkaufmann eine GmbH gründet, um sich der Verantwortung aus einer abgegebenen Unterlassungserklärung zu entziehen.

2. Dann musste sich das Gericht mit der Frage auseinandersetzen, ob der Geltendmachung der Vertragsstrafe eine Rechtsänderung seit Abgabe der Unterlassungserklärung entgegensteht. Die Beklagtenseite hatte nämlich angeführt, dass die in den Unterlassungserklärungen erfassten Werbeaussagen nunmehr nach der Health-Claims-Verordnung (EG Nr. 1924/2006) zulässig seien.

Grundsätzlich sei es möglich, eine bereits abgegebene Vertragsstrafe wegen einer Rechtsänderung zu kündigen. Diese Kündigung erfolgte durch die Beklagte jedoch unstreitig nicht. Abgesehen davon sei zweifelhaft, ob die Health-Claims-Verordnung genau die hier in Streit stehenden Werbeaussagen regele. Aus diesem Grunde sei die Geltendmachung der Vertragsstrafen auch nicht rechtsmissbräuchlich.

3. Bei der zweiten Vertragsstrafe bestand dann noch die Besonderheit, dass diese der Höhe nach nicht beziffert war und somit von der Klägerin der Höhe nach bestimmt werden konnte. Insoweit wurde eine Vertragsstrafe von 3.067,75 € geltend gemacht (Umrechnung von 6.000,00 DM auf Euro). Die Höhe der Vertragsstrafe sei nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden.

Praktische Konsequenzen:

Vertragsstrafen haben eine „Laufzeit“ von 30 Jahren. In dieser Zeit kann es zu einer Vielzahl von Rechtsänderungen kommen. Für diesen Fall sollte vorgesorgt werden. Es ist zulässig, eine Unterlassungserklärung unter einer sogenannten auflösenden Bedingung abzugeben, z.B. in Bezug auf Gesetzesänderungen oder Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Falls eine solche auflösende Bedingung fehlt, kann der Unterlassungsschuldner sich in der Regel auf eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen. Voraussetzung ist aber auch dann, dass der Schuldner tätig wird und die Unterlassungserklärung (dabei handelt es sich um einen Vertrag) kündigt. Aktueller Ansatzpunkt wäre z.B. die Google AdWords Werbung. Insoweit hat der BGH für die Bewerbung eines Unternehmenskennzeichens entschieden, dass diese keine Markrechtsverletzung darstellt. Alle bislang abgegebenen Unterlassungserklärungen, die diesen Fall betreffen, können daher gekündigt werden. Wichtig ist allerdings, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die entscheidende Rechtsfrage bei eingetragenen Marken nicht geklärt ist und insoweit auf absehbare Zeit auch nicht mit einer Entscheidung des dazu angerufenen EuGH zu rechnen ist. Dort bietet sich der oben erwähnte Vorbehalt einer höchstrichterlichen Entscheidung an.

Die BGH-Rechtsprechung sollte insoweit auf jeden Fall im Auge behalten werden.

Herford, den 17.07.2009

Dr. Graf

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