Rechtsnormen: §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 , 3 , 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG
Mit Urteil vom 08.11.2011 (Az. I-4 U 58/11) hat das OLG Hamm entschieden, dass eine mit einem Sternchenhinweis versehene Internetwerbung für einen Stromtarif mit dem Begriff „Festpreis“ dann irreführend ist, wenn der Verbraucher durch den Sternchenhinweis nicht ausreichend über einen erheblichen Anteil der variablen Preisbestandteile (hier über 40 %) aufgeklärt wird.
Zum Sachverhalt:
Streitparteien sind zwei konkurrierende Energieversorgungsunternehmen. Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite einen Stromtarif für Endverbraucher an, der als „Festpreis“ beworben wurde. Die Überschrift der Werbung lautete wie folgt: „Festpreis* bis zu 36 Monaten konservieren. Genießen Sie Preissicherheit* – bis 30.06.2013“ . Am Ende des Angebots wurde der Sternchenhinweis aufgelöst: „Ausgenommen sind Änderungen durch Umsatz- und/oder Stromsteuer und eventuelle neue Steuern sowie durch Änderungen der erneuerbare-Energie-Gesetz-Umlage.“
Die Klägerin verlangt die Unterlassung dieser Werbung mit der Begründung, diese sei irreführend.
Nachdem das erstinstanzliche LG Dortmund (Urt. v. 16.03.2011 – 20 O 101/10) der Klage stattgegeben hatte, bestätigte diese Entscheidung nun die Berufungsinstanz.
Nach Ansicht des Gericht ist die Werbung entsprechend des Klageantrages irreführend.
Das Gericht führt zur Begründung aus, dass es dem mit einem „Festpreis“ werbenden Stromanbieter zwar grundsätzlich möglich sei, bestimmte Ausnahmen von dieser Preisgarantie mit einen Sternchenhinweis zu kennzeichnen. Allerdings dürfe der erläuterungsbedürftige Begriff des „Festpreises“ dann nicht dazu geeignet sein, beim Verbraucher eine Fehlvorstellung hervorzurufen. So gehe der Verbraucher gerade nicht davon aus, dass nur weniger als 60 % des Stromtarifs fest, der andere Teil aber entsprechend der Sterncheneinschränkung variabel sei. Die Beklagte habe vorliegend fälschlicherweise nur auf Steuern, neue Steuern und die erneuerbare-Energie-Gesetz-Umlage verwiesen, ohne zeitgleich deutlich zu machen, wie hoch der Anteil dieser Abgaben bezüglich des Gesamtpreises tatsächlich sei.
Im Übrigen sei diese Irreführung auch wettbewerbsrechtlich relevant . Für die Bestätigung der Annahme einer wettbewerbsrechtlichen Relevanz reiche aus, dass sich der angesprochene Verbraucher mit der (Internet-)Werbung befasse. Der hierdurch erzielte Anlockeffekt führe bereits zu einem Wettbewerbsvorteil , der geeignet sei, die Kaufentscheidung des Verbrauchers in irgendeiner Weise zu Gunsten der Beklagten zu beeinflussen.
Im Wortlaut des Urteils heißt es:
„Ein nicht unerheblicher Anteil der Verbraucher nimmt mangels geeigneten Vorwissens über die Preisstrukturen beim Strompreis nicht von sich aus an, dass ein so ungewöhnlich hoher Anteil von über 40 % des Gesamtpreises damit variabel wird. In der Stromrechnung tauchen die einzelnen Bestandteile, die den Strompreis bilden, nicht auf. Die Einzelheiten und die wirtschaftliche Bedeutung der EEG-Umlage sind einer großen Anzahl der Verbraucher nicht bekannt. Nach den Erfahrungen mit der bei Umsatzgeschäften regelmäßig anfallenden Mehrwertsteuer gehen sie von einer Größenordnung von 20 % bis 25 % des Gesamtpreises aus, der der Preisgarantie nicht unterliegen könnte, wenn keine genaueren Angaben gemacht werden. Selbst wenn der Verbraucher weiß, dass etwa beim Benzin die staatlichen Abgaben einen Großteil des Preises ausmachen, der weit mehr als 50 % beträgt, überträgt er dieses Wissen mangels einer geeigneten Vergleichsgrundlage nicht auf die Strompreise. In jedem Fall nimmt er nicht nur an, dass mehr als 50 % des Strompreises gesichert sind, sondern geht von einem erheblich größerem Anteil aus, ohne dass dieser genau beziffert werden müsste .
Diese Vorstellung eines maßgeblichen Teils der Verbraucher ist aber falsch. Unstreitig ist ein höherer Anteil des Strompreises als 40 % nach dem Vorbehalt der Beklagten variabel und damit weniger als 60 % fest. Jedenfalls damit rechnet der angesprochene Verbraucher nicht.
Hinzu kommt noch folgender weiterer Aspekt. Der Verbraucher kennt jedenfalls den genauen Anteil der variablen Preisbestandteile nicht. Deshalb hätte es hier der Beklagten, die mit der Verwendung des erläuterungsbedürftigen Begriffs „Festpreis“ geworben und damit eine bestimmte Vorstellung erweckt hat, oblegen, die Ausnahmen oder Einschränkungen der von ihr übernommenen Preisgarantie so zu beschreiben, dass der Verbraucher eine Entscheidung über einen Vertragsabschluss unter Berücksichtigung aller für diese wesentlichen Umstände treffen konnte. Insoweit kommen auch die sich aus § 5a UWG ergebenden Aufklärungspflichten zum Zuge, die auch einen mit erläuterungsbedürftigen Begriffen Werbenden treffen können. Die Beklagte hat aber insoweit keine ausreichende Aufklärung vorgenommen. Sie hat in dem entscheidenden Sternchenhinweis nur auf Steuern, Stromsteuer, neue Steuern und die EEG-Abgabe verwiesen, ohne deutlich zu machen, welch hohen Anteil diese Preisfaktoren im Hinblick auf den Gesamtpreis darstellen. Es reicht auch nicht aus, dass an anderer Stelle im Internetauftritt der Beklagten darauf hingewiesen worden ist, dass sich die EEG-Abgabe um einen ganz erheblichen Anteil erhöht hatte und dass letztlich deshalb der Gesamtstrompreis erhöht werden musste. Abgesehen davon, dass es insoweit an der Mitteilung einer klaren Bezugsgröße fehlt, die der Verbraucher einordnen könnte, muss er diese weiteren Informationen nicht lesen, wenn er sich mit der eigentlichen Werbung beschäftigt, die Grundlage des Unterlassungsantrags ist. Schon diese fehlende Aufklärung kann somit die Irreführung begründen. Ob auch andere Anbieter in dieser Branche in gleicher Weise darüber nicht deutlich genug aufklären, ist dabei nicht von Belang.
Die vermeidbare Fehlvorstellung des maßgeblichen Teils der Verbraucher ist auch wettbewerbsrechtlich relevant . Dafür braucht es nicht dazu zu kommen, dass der irregeführte Verbraucher wegen der Fehlvorstellung unter dem Wechsel des Tarifs bei der Beklagten bleibt oder von einem anderen Anbieter sofort zu der Beklagten wechselt. Es reicht völlig aus, wenn er sich aufgrund der Internetwerbung näher mit dem Angebot der Beklagten befasst. Der damit bewirkte Anlockeffekt führt bereits zu einem Wettbewerbsvorteil , der generell geeignet ist, die Kaufentscheidung des Verbrauchers in irgendeiner Weise zu Gunsten der Beklagten zu beeinflussen.“