Rechtsnormen: §§ 6, 5, 3, 4, 2 NiSchG NRW – Nichtraucherschutzgesetz NRW

Mit Urteil vom 22.03.2012 (Az. III-3 RBs 81/12) hat das OLG Hamm entschieden, dass auch für ein Sportwettbüro das gesetzliche Rauchverbot gilt, wenn es vom Betreiber mit Tischen, Sitzplätzen sowie einem Getränkeautomaten zum Direktverzehr ausgestattet und zusätzlich Aschenbecher aufgestellt und das Rauchen innerhalb des Sportwettbüros zugelassen wurde.

Der Leitsatz des Gerichts lautet:

„Ein Sportwettbüro mit Sitzgelegenheiten, Bildschirmen und Getränkeausschank durch Automaten ist sowohl eine Freizeiteinrichtung i.S.v. § 2 NiSchG NRW als auch eine Gaststätte i.S.v. § 2 Nr. 7 NiSchG NRW und unterliegt demnach dem Rauchverbot nach § 3 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW.“

Zum Sachverhalt:

Nachdem Mitarbeiter des Ordnungsamts Anfang 2011 in einem Sportwettbüro rauchende Gäste antrafen, verurteilte das zuständige Amtsgericht Bielefeld den Betreiber des Wettbüros zu einer Geldbuße iHv EUR 150,- wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Rauchverbot.

Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde beim OLG Hamm führte lediglich zu einer Herabsetzung des Bußgeldes auf EUR 100,-, in der Sache bestätigte das OLG Hamm aber die Vorinstanz. Demnach hat sich der Betreiber des Geschäftslokals wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Rauchverbot entsprechend dem nordrhein-westfälischen Nichtraucherschutzgesetz zu verantworten.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Bei dem vom Betroffenen betriebenen Sportwettbüro handelt es sich sowohl um eine Freizeiteinrichtung im Sinne von § 2 Nr. 5 NiSchG NRW als auch um eine Gaststätte im Sinne von § 2 Nr. 7 NiSchG NRW und unterliegt demnach dem Rauchverbot nach § 3 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW.

Nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 5. NiSchG NRW sind Kultur- und Freizeiteinrichtungen Einrichtungen, die der Bewahrung, Vermittlung, Aufführung und Ausstellung künstlerischer, unterhaltender, Freizeit gestaltender oder historischer Inhalte oder Werke dienen, unabhängig von ihrer Trägerschaft. Wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt („oder“) müssen die genannten Abgrenzungsmerkmale für eine Freizeiteinrichtung nicht kumulativ, sondern lediglich alternativ vorliegen. Zudem kann der allmeinen Begründung des Gesetzentwurfes, wonach Ziel des Gesetzes der wirksame Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor den erheblichen Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen in der Öffentlichkeit ist (vgl. LT-Drucks 14/4834, S. 15), entnommen werden, dass sämtliche öffentlichen Freizeiteinrichtungen in Gebäuden und sonstigen umschlossenen Räumen (§ 1 Abs. 1 NiSchG) dem Schutzzweck des Gesetzes unterliegen und nicht nur – wie die Rechtsbeschwerde anführt –, wenn sie einen Kulturbezug haben. Für diese Wertung spricht im Übrigen auch die konkrete Begründung des Gesetzes, wonach die Nummer 5. deutlich mache, dass auch Spielbanken zu den vom Gesetz erfassten Einrichtungen gehören (LT-Drucks. 14/4834, S. 18). Das Sportwettbüro des Betroffenen ist bereits aufgrund der Einrichtung darauf ausgelegt, nicht nur Sportwetten zu vermitteln, sondern den Besuchern auch Gelegenheit zu geben, sich einige Zeit in den Räumlichkeiten aufzuhalten, um beispielsweise den Ablauf der Sportveranstaltungen, auf die sie gewettet haben, zu verfolgen. Anders ist die Größe der Lokalität mit Sitzgelegenheiten, Bildschirmen und aufgestellten Getränkeautomaten nicht zu erklären. Es ist also darauf ausgerichtet, den Kunden eine Form der Freizeitgestaltung zu bieten. Das vom Betroffenen betriebenen Sportwettbüro ist daher nicht – wie die Rechtsbeschwerdebegründung den Eindruck vermitteln will – mit einer privatrechtlichen Oddset-/Lottoannahmestelle zu vergleichen.

Nach der Legaldefinition von § 3 Nr. 7. NiSchG NRW sind Gaststätten im Sinne dieses Gesetzes Schank- und Speisewirtschaften, unabhängig von der Betriebsart, Größe und Anzahl der Raume. Eine Schankwirtschaft betreibt nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GastG, wer im stehenden Gewerbe Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht. „Verabreichen“ in diesem Sinne liegt auch beim Verkauf durch Automaten vor (vgl. Metzner, Gaststättengesetz, 6. Auflage, § 1, Rdnr. 44). Da das Sportwettbüro des Betroffenen über Getränkeautomaten und Sitzgelegenheiten zum Verzehr der Getränke an Ort und Stelle verfügt, handelt es sich zweifellos auch um eine Schankwirtschaft und damit um eine Gaststätte im Sinne von § 3 Nr. 7. NiSchG.

Welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine Fortsetzung des Verstoßes oder eines neuen Verstoßes gegen das Rauchverbot zu verhindern, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. In Betracht kommen insoweit beispielsweise Aufforderungen an die rauchende Person, das Rauchen unverzüglich einzustellen bzw. nicht wieder zu beginnen oder die rauchende Person unter Ausübung des Hausrechtes der Räumlichkeit zu verweisen bzw. dieses für den Fall eines erneuten Verstoßes anzudrohen. Der Generalstaatsanwaltschaft ist zuzugeben, dass das angefochtene Urteil diesbezügliche Feststellungen nicht enthält. Solche sind im vorliegenden Fall aber entbehrlich, weil in dem Sportwettbüro des Betroffenen geraucht wurde und der Betroffene nach den getroffenen Feststellungen nicht nur keine Maßnahmen getroffen hat, um das Rauchverbot durchzusetzen, sondern im Gegenteil noch Aschenbecher aufgestellt hat, um das Rauchen zu ermöglichen.

Da dem Betroffenen sämtliche tatsächlichen Umstände bekannt waren, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, unterlag er keinem Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 OWiG. Soweit die Rechtsbeschwerde hierzu anführt, dem Betroffenen seien nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale bekannt gewesen, übersieht der Betroffene den Unterschied zwischen Tatbestandsmerkmalen und den Umständen, die die Tatbestandsmerkmale ausfüllen. Der Betroffene handelte auch verwerfbar. Zwar fehlte ihm nach seiner Einlassung aufgrund des oben zitierten Auszuges aus der Informationsbroschüre des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun. Diesen Irrtum hätte er aber vermeiden können, § 11 Abs. 2 OWiG. Denn wer ein Gewerbe betreibt, muss sich nach den Rechtsvorschriften erkundigen, die auf dem betreffenden Gebiet zu beachten sind (vgl. Göhler-Seitz, a.a.O., § 11, Rdnr. 25). Dies gilt gerade auch deshalb, weil die oben zitierte Passage der Informationsbroschüre nicht eindeutig ist. Denn danach sollen Wettbüros nur „in der Regel“ nicht vom Nichtraucherschutzgesetz erfasst werden, „es sei denn, dass es sich um eine Freizeiteinrichtung im Sinne dieses Gesetzes handelt“. Bei Unsicherheit hätte sich der Betroffene daher an das Ordnungsamt oder einen Rechtskundigen wenden müssen.

Die vom Amtsgericht festgesetzte Rechtsfolge hat allerdings keinen Bestand. Denn bei der Bemessung der Geldbuße ist gemäß § 17 Abs. 3 OWiG auch der Vorwurf, den der Täter trifft, zu berücksichtigen. Hier wiegt der Vorwurf, der dem Betroffenen gemacht werden kann, aufgrund des (vermeidbaren) Verbotsirrtums weniger schwer, als wenn der Betroffene nicht geirrt hätte, zumal Herausgeber der Informationsbroschüre das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen gewesen ist. Dies entspricht im Übrigen auch der Wertung des § 17 Satz 2 StGB, der allerdings nur für das Strafverfahren gilt. Da die Tatrichterin diesen Umstand im Rahmen der Bußgeldbemessung nicht berücksichtigt hat, hat der Senat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst entschieden und unter Berücksichtigung der übrigen im angefochtenen Urteil genannten Gesichtspunkte eine Geldbuße in Höhe von 100,00 € festgesetzt.

Der geringfügige Erfolg der Rechtsbeschwerde rechtfertigt es nicht, den Betroffenen von den Kosten des Rechtsmittels teilweise freizustellen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 4 StPO).“