Nachdem ich letzte Woche von der Frühjahrstagung des Arbeitskreises Wettbewerbs- und Markenrecht Westfalen-Lippe e. V. berichtet hatte, komme ich zurück auf eine der dort erwähnten Entscheidungen des OLG Hamm:

Rechtsnormen: § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG

Mit Urteil vom 24.05.2011 (Az. I-4 U 216/10) hat das OLG Hamm entschieden, dass keine Verwechselungsgefahr zwischen der Wort-/Bildmarke „Warendorfer Pferdeäppel“ und dem von einem Konkurrenten benutzten Zeichen „Warendorfer Pferdeleckerli“ besteht. Obwohl unter beiden Bezeichnungen Pralinen vertrieben werden, liege keine Verwechselungsgefahr vor.

Zum Sachverhalt:

Kläger und Beklagter sind Konkurrenten auf dem Süßwarenmarkt. Unter der seit 2003 auf ihn eingetragenen Marke „Warendorfer Pferdeäppel“ vertreibt der Beklagte sowohl im Internet als auch in seinem Geschäftslokal Pralinen. Der Kläger vertreibt seit 2009 online und über einen Hotelbetrieb Pralinen mit der Bezeichnung „Warendorfer Pferdeleckerli“. Den Antrag des Klägers auf Eintragung der Wort- und Bildmarke „Pferdeleckerli“  für verschiedene Waren, insbesondere Schokolade und Süßwaren wies das Deutsche Patent- und Markenamt zurück, da „Pferdeleckerli“ insoweit eine beschaffenheitsbeschreibende Angabe sei.

Der Beklagte sieht im Handeltreiben des Klägers eine Verletzung seiner eingetragenen Marke und macht im Wege einer Widerklage Unterlassungsansprüche gegen den Kläger geltend.

Das OLG Hamm wies die Klage nun ab. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts besteht die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Verwechselungsgefahr zwischen der Marke „Warendorfer Pferdeäppel“ und dem benutzen Zeichen „Warendorfer Pferdeleckerli“ nicht:

Als Ganzes unterscheiden sich die Begriffe ungeachtet des gemeinsamen Bestandteils „Pferde“ aber in dreifacher Hinsicht nach Klang, Schriftbild und Wortsinn ganz erheblich.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Entscheidend ist aber, dass es an einer Verwechslungsgefahr zwischen der Marke „Warendorfer Pferdeäppel“ des Beklagten und der benutzten Zeichen „Warendorfer Pferdeleckerli“ des Klägers und des Drittwiderbeklagten fehlt. (…) Im vorliegenden Fall besteht eine Identität der sich gegenüberstehenden Waren. Die Marke des Beklagten ist im gesamten Bundesgebiet für Waren der Klasse 30 geschützt. Zu solchen geschützten Waren gehören auch Vollmilchschokoladen-Trüffel. Gerade solche Trüffel oder Pralinen haben auch der Kläger und der Drittwiderbeklagte mit dem angegriffenen Zeichen herkunftshinweisend gekennzeichnet. Diese Warenidentität ist aber im Rahmen der genannten Wechselwirkung nicht steigerungsfähig. Wenn die betreffenden Waren oder Dienstleistungen gleich sind, muss es damit sein Bewenden haben. Es kann nicht im Hinblick auf Nischenprodukte auf eine gesteigerte Warenidentität Bezug genommen werden. Auch die Frage, auf welche Weise oder in welcher Verpackung die Waren auf dem Markt präsentiert werden, kann in diesem Zusammenhang keine besondere Rolle spielen. (…) Zwar ist der Wortbestandteil „Warendorfer“ für sich stark beschreibend, weil er in erster Linie deutlich machen soll, aus welchem Ort die Pralinen stammen. Soweit er allerdings auf die Eigenschaft der Stadt als Pferdezentrum Bezug nimmt und somit im Rahmen der Gesamtbezeichnung die aus dem Bereich der Pferde stammende Metapher der „Pferdeäppel“ verstärken soll, kann zwar auch diesem Bestandteil eine gewisse Unterscheidungskraft zukommen. Gerade der Wortbestandteil „Pferdeäppel“ ist aber in Bezug auf die damit gekennzeichneten Waren originell. (…) Im Rahmen der Wechselwirkung ist aber auch angesichts der Warenidentität und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft die Zeichenähnlichkeit zu gering, um in den Augen der die Waren kaufenden Verbraucher eine Verwechslungsgefahr begründen zu können. Die Marke des Beklagten wird überwiegend durch den Wortbestandteil geprägt, so dass sich „Warendorfer Pferdeäppel“ und „Warendorfer Pferdeleckerli“ ohne Berücksichtigung etwaiger Bildbestandteile beim Vergleich gegenüberstehen. Entscheidend ist dabei der Gesamteindruck der zusammengesetzten Zeichen. Dabei orientiert sich der maßgebliche Verkehr, auch soweit er aus Warendorf stammt, nicht entscheidend an dem Wortbestandteil „Warendorfer“. Dieser Bestandteil gehört für ihn dazu, weil er weiß oder jedenfalls annimmt, dass die Pralinen in Warendorf hergestellt werden. Es kommt aber hinzu, dass für ihn Pferde und ihr Futter ebenso wie ihre Exkremente irgendwie zu Warendorf dazugehören. Gerade weil Warendorf in Bezug auf Pralinen keinen besonderen Ruf hat, ist auch für den auswärtigen Verbraucher auch diese Angabe als Herkunftshinweis nicht von besonderer Bedeutung. Soweit sich dann „Pferdeäppel“ und „Pferdeleckerli“ gegenüber stehen, können diese Begriffe aber nicht weiter in „Pferde“ und Äppel“ bzw. „Pferde“ und „Leckerli“ aufgespalten werden, weil sich eine solche zergliedernde Betrachtungsweise wegen des sich dann verlierenden Sinnzusammenhangs beider Bezeichnungen verbietet. Die Wortbestandteile müssen als Ganzes miteinander verglichen werden. Als Ganzes unterscheiden sich die Begriffe ungeachtet des gemeinsamen Bestandteils „Pferde“ aber in dreifacher Hinsicht nach Klang, Schriftbild und Wortsinn ganz erheblich. So ist zunächst nicht nachvollziehbar, woraus hier eine klangliche Ähnlichkeit zu entnehmen sein sollte. „Pferdeäppel“ sind vom Klang her etwas ganz anderes als „Pferdeleckerli“, auch wenn beides mit „Warendorfer“ verbunden ist. Es wird auch kein Verbraucher auf die Idee kommen, „Warendorfer Pferdeäppel“ mit „Warendorfer Pferde“ abzukürzen. Insofern widerspricht sich der Beklagte selbst, wenn er dies für möglich hält, aber auf der anderen Seite ausführt, dass gerade die „Pferdeäppel“ die Pralinen, die auch ein wenig so aussehen sollen, durch die Verfremdung zu dem besonderen machen, das den Verbrauchern in Erinnerung bleibt. Die Verbraucher werden gerade das Ende der langen Bezeichnung „Warendorfer Pferdeäppel“ betonen und wenn sie verkürzen wollen, davon reden, dass sie „Pferdeäppel“ kaufen wollen und nicht „Warendorfer Pferde“. Dann bleibt es aber dabei, dass das Wort „Pferdeleckerli“ ganz anders klingt als „Pferdeäppel“. (…) Gerade weil die örtlichen Verbraucher die Verhältnisse genau kennen und weil auch die auswärtigen Käufer von solchen Pralinen nicht annehmen, dass es in Warendorf nur einen einzigen Hersteller von Pralinen geben könnte, werden sie angesichts der erheblichen Unterschiede der Zeichen und des Wortsinns auch nicht annehmen, dass die Waren aus Betrieben stammen, die wirtschaftlich miteinander verbunden sind. Es scheidet somit auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr aus, zumal es auch nicht nahe liegt, dass die Verbraucher beide Begriffe als zu einer Serie zugehörig ansehen könnten.“