Rechtsnormen: §§ 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1; 3; 5 Abs. 1, 2 Nr. 3 UWG

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 19.08.2010 (Az. I-4 U 66/10) entschieden, dass dann eine Irreführung anzunehmen ist, wenn auf einer Benachrichtigungskarte der werbliche Charakter einer angeblich verpassten Sendung nicht offenbart wird.

Zum Sachverhalt:

Auslöser für vorliegenden Rechtsstreit war eine einer DHL-Benachrichtigungskarte nachempfundene Karte, die in einen Briefkasten eines Privathauses gelangt war. Zum Inhalt der „verpassten Sendung“ machte die Karte abgesehen von der Angabe „Info Post schwer“ keine Hinweise. Die Karte enthielt die Aufforderung „Bitte rufen Sie uns an!“ und eine entsprechende Telefonnummer. Bei einem Anruf bei dieser Hotline wurde schließlich nicht nur die Zustellung eines Infopakets angesprochen, sondern sofort auch ein Interesse an Immobiliengeschäften erfragt und ein Beratungsgespräch angeboten.

Beide Parteien sind Wettbewerber auf dem Immobilienmarkt. Der Kläger sah im Verhalten des Beklagten einen Verstoß gegen geltendes Wettbewerbsrecht. Nachdem zuvor bereits eine einstweilige Verfügung durch den Kläger erwirkt wurde, bestätigte nun auch das OLG Hamm das gegen diese Praxis erwirkte Verbot.

In seiner Urteilsbegründung nennt das Gericht einige Gründe für seine Entscheidung:

Nach Ansicht der Oberlandesrichter liegt dann eine verbotene Täuschung vor, wenn mit dem Einwurf einer Karte „Benachrichtigung-Paketzustellung“ dem Adressaten suggeriert wird, ein Paketdienstunternehmen habe eine Sendung eines Dritten nicht zustellen können, tatsächlich aber Infopost eines Unternehmens verteilt und wenn der Empfänger der Karte zu einem Werbeanruf veranlasst werden soll. Der Adressat der streitgegenständlichen Karte werde letztlich genötigt, die angegebene Nummer anzurufen, weil er sich in der Gefahr sehen könnte, eine vielleicht wichtige Sendung zu verpassen. Dies gilt umso mehr, als der Benachrichtigung mit Unterschrift und Datum (mit Stempel) eine Art amtlicher Aufmachung gegeben wird. Der Adressat wird sich mitunter auch fragen, ob es für ihn gegebenenfalls etwas Wichtiges sein könnte. Diese Täuschung wird durch verschiedene weitere Umstände unterstützt. Es gibt keinen Absender, der eine bloße Werbemaßnahme offenbart, geschweige denn nähere Unternehmensangaben der sog. „I“ etwa mit Anschrift, Firmendaten und ähnlichem. Die Benachrichtigung ist nach ihrer äußeren Gestaltung und ihrer inhaltlichen Diktion unzweifelhaft einer DHL-Benachrichtigungskarte (wie Anl. AS 11) nachgeahmt. So entsteht unwillkürlich der Eindruck, dass nicht bloß eine Werbung „zugestellt“ werden soll (die man bei fehlendem Interesse ansonsten sofort ignorieren und entsorgen könnte), sondern eine gegebenenfalls für den Adressaten relevante Sendung (welcher Art auch immer). Der Adressat wird ja gerade hierüber nicht informiert. Die Angabe „Info-Post schwer“, auch nur angekreuzt und begrifflich überaus diffus, grenzt den Inhalt des zuzustellenden Gegenstands keineswegs dahin ein, dass es sich tatsächlich nur um nicht bestellte Werbung von einem Immobilienverkäufer handelt, für die man sich interessieren kann oder eben nicht und der man weiter keine Aufmerksamkeit schenken muss. Die offizielle Aufmachung wie die von einem regulären Paketdienst wird ferner unterstrichen durch die Übernahme der weiteren Rubriken „Einschreiben“, „eigenhändig“, „Nachnahmeerklärung“ usw. All diese Konfigurationen, die zwar nicht angekreuzt sind, aber eine quasi richtige „Paketzustellung“ signalisieren, haben mit dem Verteilen von bloßem Werbematerial nichts zu tun. Vielmehr auferlegt die Benachrichtigung dem Adressaten den faktischen Zwang, bei der angegebenen Telefonnummer anzurufen, um zu erfahren, was ihm denn nun von wem entgangen ist oder sein könnte. Es ist für den Adressaten mitnichten transparent und erkennbar, dass ihm nur Werbematerial verabreicht werden soll und man ihn telefonisch bewerben will. Er wird im Wege der Täuschung veranlasst, die angegebene Telefonnummer anzurufen. Die Firma „I“ ist ihm zumeist unbekannt. Dabei könnte es sich angesichts der Aufmachung der Karte wie bei einem herkömmlichen Paketdienst gegebenenfalls auch um einen neuen oder eher unbekannten Paketdienst handeln, zumal dieser Markt liberalisiert wird und hier weite Unübersichtlichkeit besteht.

(…) Die Relevanz der Täuschung ist gegeben, denn der Anrufer sollte zu Immobiliengeschäften befragt und angestoßen werden. Eine Bagatelle iSv § 3 UWG kommt nicht in Betracht.

Die Wiederholungsgefahr ist durch den Verstoß indiziert und nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt. Die Wiederholungsgefahr wird bestärkt überdies durch die überaus uneinsichtige Antwort der Antragsgegnerin auf die in Rede stehende Abmahnung, wie sie oben im Tatbestand wiedergegeben ist. Danach kann nicht angenommen werden, dass das verbotswidrige Verhalten nunmehr abgestellt werden sollte.