Rechtsnormen: §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 4 Nr. 11 UWG; Art. 4 VO (EG) Nr. 1924/2006

Mit Urteil vom 10.07.2012 (Az. I-4 U 38/12) hat das OLG Hamm einem Getränkehersteller untersagt, ein Vodka-Mixgetränk mit einem Volumen-Alkoholgehalt von 10% unter der Bezeichnung „Energy & Vodka“ zu vertreiben. Diese Bezeichnung verstößt gegen die Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte vertreibt alkoholfreie und alkoholische Getränke, u.a. das in Dosen abgefüllte Mixgetränk „Three Sixty“. Dieses Mischgetränk wird in den Sorten „Bitter Lemon & Vodka“ und „Cranberry & Vodka“ sowie in der streitgegenständlichen Sorte „ENERGY & VODKA“ angeboten. Ausweislich der Beschreibung auf der Verpackung handelt es sich um ein Mixgetränk mit einem Alkoholgehalt von 10%. Es besteht zu etwa 25% aus „Three Sixty Vodka“ und etwa 75% aus einem Energy-Drink, den die Beklagte ebenso vertreibt. Der Kläger, ein Verein zur Einhaltung lebensmittelrechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen im Bereich der Spirituosenindustrie, erachtet die Bezeichnung „Energy & Vodka“ für dieses Getränk als unzulässig. Er mahnte die Beklagte zunächst anwaltlich ab und forderte sie zur Unterlassung auf. Nach ablehnender Antwort reichte er mit dem Ziel, eine Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung dieses Getränks zu erreichen, Klage beim LG Paderborn ein.

Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, entschied nun das OLG Hamm im Berufungsverfahren zugunsten der Klägerin und gab der Klage statt.

Zur Begründung führt das OLG Hamm in seiner Presserklärung vom 10.08.2012 aus:

„Nach Auffassung des Oberlandesgerichts verstößt die für den Vertrieb des in Rede stehenden Getränks verwendete Bezeichnung „Energy & Vodka“ gegen die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (sog. Health-Claims-VO). Die Bestimmungen dieser Verordnung dienten dem Schutz des Verbrauchers. Gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 2 der Health-Claims-VO dürften Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2% Vol. grundsätzlich keine nährwertbezogenen Angaben tragen. Das vertriebene Vodka-Mischgetränk sei ein derartiges Getränk. Der in der Bezeichnung der Beklagten verwandte Begriff „Energy“ stelle eine nährwertbezogene Angabe dar. Er vermittle dem Verbraucher den Eindruck, der Konsum des Getränks verschaffe ihm Energie, Kraft, Tatkraft und Leistungsvermögen. So werde das Getränk – unzulässigerweise – als funktionelles Lebensmittel beschrieben, das positive Nährwerteigenschaften habe. Die Bezeichnung „Energy“ habe einen eigenständigen Begriffsinhalt und bezeichne deswegen nicht lediglich die Beschaffenheit oder eine Zutat des Getränks.“

Da das Urteil bereits im Volltext vorliegt, hier einige weitere Auszüge aus der Begründung:

„Dieses Handeln der Beklagten ist unlauter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Denn die für den Vertrieb des in Rede stehenden Getränkes verwendete Bezeichnung „ENERGY + VODKA“ verstößt gegen Art. 4 Abs. 3 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogende Angaben (sog. Health-Claims-VO). (…) Mit der Angabe „ENERGY + VODKA“ wird dem Verbraucher im vorgenannten Sinne suggeriert, dass dem hiermit bezeichneten Getränk aufgrund einer in ihm enthaltenen anderen Substanz besondere positive Nährwerteigenschaften zukommen. (…) Durch den in der streitgegenständlichen Bezeichnung enthaltenen Begriff „Energy“ wird dem Verbraucher der Eindruck vermittelt, der Konsum des in dieser Weise beworbenen Getränks verschaffe ihm just diese „Energy“. Auch der verständige Durchschnittsverbraucher versteht nämlich den englischen Begriff „Energy“, zumal dieser als Anglizismus weit verbreitet ist, durchaus als das, was er in die deutsche Sprache übersetzt bedeutet. Das heißt als gleichbedeutend für Energie, Kraft, Tatkraft, Leistungsvermögen. Er schreibt dem Getränk damit eine – wie es das Landgericht insoweit durchaus zutreffend beschreibt – anregende, stimulierende Wirkung auf seinen Organismus zu. Die in Rede stehende Angabe kennzeichnet das Getränk damit für den Verbraucher als funktionelles Lebensmittel, und zwar aufgrund seiner solchermaßen positiven – und ausweislich des 6. Erwägungsgrundes der HCVO fallen nur solche Eigenschaften in den Anwendungsbereich der HCVO – Nährwerteigenschaften. Diese positiven Nährwerteigenschaften schreibt der Verbraucher dem Getränk zwar anders als beispielsweise bei sog. „Power-Riegeln“ o.ä. – nicht aufgrund seiner Energie i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a) HCVO zu. Denn dort ist der Begriff Energie – insoweit zutreffend das Landgericht – gleichbedeutend mit Brennwert gemeint. Der Begriff des Nährwertes beschränkt sich jedoch im Allgemeinen und auch i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO nicht auf diese Brennstoffe, sondern umfasst gemäß Buchst. b zudem Nährstoffe und Substanzen. Wenngleich auch der in Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 HCVO im Einzelnen definierte Begriff des Nährstoffes vorliegend nicht einschlägig ist, geht der Verbraucher in Anbetracht der mit dem Konsum des Getränkes erwarteten Wirkung davon aus, dass das Getränk eine „andere Substanz“ i.S.d. insoweit maßgeblichen Begriffsbestimmung des Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 HCVO enthält. Hierfür „genügt“ nämlich jeder andere Stoff als ein Nährstoff, der eine ernährungsbezogene oder eine physiologische Wirkung hat, d.h. durch den organische Prozesse im menschlichen Körper ausgelöst, verhindert oder anderweit beeinflusst werden. Dies ist mit dem erwarteten anregenden, stimulierenden Effekt, den der Verbraucher dem Getränk zuschreibt, der Fall, auch ohne dass die hierfür verantwortliche Substanz konkret benannt werden muß (vgl. Zipfel/Rathke, VO über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, C 111, Art. 2 Rdnr. 32). Die Angabe geht nach den vorstehenden Erwägungen über eine rein objektive Beschaffenheitsangabe hinaus, und zwar insbesondere für den Fall, dass dem Durchschnittsverbraucher – und hierauf stellt die Beklagte selbst ab  – bekannt sein sollte, dass es das streitgegenständliche Produkt auch noch in der Variante „Bitter Lemon + Vodka“ und „Cranberry + Vodka“ gilt. Denn hierdurch wird die besondere positive Nährwerteigenschaft des Getränkes innerhalb dieser auf dem Markt bekannten und vorhandenen Produktgruppe der alkoholhaltigen Mixgetränke mit Vodka umso deutlicher (vgl. Meisterernst, Ein Lernprozess ? – …, WRP 2010, 481, 485 zu dem für die Abgrenzung zur objektiven Beschaffenheitsangabe maßgeblichen Vergleichsmaßstab).

Es handelt sich hierbei nicht um die reine Angabe einer Zutat. Der hierzu herangezogene Vergleich der Beklagten mit der Verwendung einer Zutat in einem nicht alkoholischen Lebensmittel wie zum Beispiel „Traubenzucker  +“ etc. hinkt schon deshalb, weil der Begriff „Energy“ in erster Linie für die Wirkweise des beworbenen Mixgetränkes steht und erst mittelbar den Schluss auf die hierfür verantwortlichen Stoffe, die sich sodann auf der Rückseite der Getränkedose finden, zulässt. (…) Dementsprechend kann dahinstehen, ob der Verbraucher den Begriff „Energy“ womöglich auch als bekannte Abkürzung für den darin enthaltenen Energy-Drink, mithin das auf der Umseite aufgeführte koffeinhaltige Erfrischungsgetränk mit erhöhtem Koffeingehalt versteht – und dies ist zweifelhaft. Selbst hierin liegt nicht die Angabe einer „schlichten“ Zutat, sondern eines eigenen komplexen, hinsichtlich der konkreten Zusammensetzung seiner Zutaten auch dem verständigen Durchschnittsverbraucher keineswegs ohne weiteres geläufigen Lebensmittels.

Die Bezeichnung „ENERGY“ geht damit aufgrund ihres eigenständigen Begriffsinhaltes über eine (lediglich) abgekürzte Verkehrsbezeichnung für den in dem Mischgetränk enthaltenen Energydrink hinaus. Sie ist insoweit von der auf der Rückseite der Getränkedose aufgedruckten obligatorischen Verkehrsbezeichnung, die nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO vom Anwendungsbereich der HCVO nicht erfasst ist, zu unterscheiden.“

Kommentar:

Das OLG ließ eine Revision zum BGH mangels grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtssache nicht zu. Dem Getränkehersteller verbleibt nun als letzte Möglichkeit, um gegen das Urteil vorzugehen, Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einzureichen.